Richard Feynman (1918-1988) war schon zu Lebzeiten eine Legende. Sein autobiographisches Buch 'Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman' wurde ein Bestseller. Feynman, der 1965 den Physik-Nobelpreis erhielt, war auch ein begnadeter Vermittler von Wissenschaft. Seine Ideen und Bücher haben zahllose Physiker beeinflußt.
Die Autoren setzen in ihrer Biographie Feynmans geniale wissenschaftliche Entdeckungen in Beziehung zu seiner charismatischen Persönlichkeit. Sie erzählen temperamentvoll von einem exemplarischen Leben und erklären zugleich, warum Feynman für die heutige Physik so wichtig ist.
Die Autoren setzen in ihrer Biographie Feynmans geniale wissenschaftliche Entdeckungen in Beziehung zu seiner charismatischen Persönlichkeit. Sie erzählen temperamentvoll von einem exemplarischen Leben und erklären zugleich, warum Feynman für die heutige Physik so wichtig ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.2000Vom Mütterchen die Frohnatur
Fürwahr, die Nasa fürchtete er nicht: Scherz und Ernst im Leben des Physikers Richard Feynman
Über Richard Feynman (1918 bis 1988) sind bereits einige Bücher geschrieben worden. Sie schildern den Entertainer Feynman und seinen sprühenden Witz, sie ordnen den berühmten Physiker in die Wissenschaftsgeschichte ein. Seine Anekdoten wurden in zwei Bänden herausgebracht, und die Fotoalben seiner Freunde und Angehörigen wurden zu einem Bildband verdichtet. John und Mary Gribbin meinen dennoch, dass sie die Reihe der Publikationen um ein Werk ergänzen müssen, das den Kern von Feynmans Entdeckungen und den seiner Persönlichkeit zueinander in Beziehung setzt.
Feynman gehört zu den herausragenden Wissenschaftlern des zwanzigsten Jahrhunderts. Doch seinen Name assoziiert ein breites Publikum weder mit einer Relativitätstheorie noch mit Schwarzen Löchern oder einem anderen spektakulären Thema. Er ist einfach berühmt dafür, berühmt zu sein. Der junge Richard lernte von seinem Vater früh, dass es auf den Inhalt und nicht auf die Form ankommt. Bei Betrachtung eines Zeitungsbildes, auf dem sich Menschen vor dem Papst verneigen, erklärte Melville Feynman seinem Sohn den Unterschied zwischen diesem einen Menschen und den übrigen: "Der Unterschied liegt in dem Hut, den er trägt. Ansonsten hat dieser Mensch dieselben Sorgen wie alle anderen Menschen: Er muss essen und trinken und geht aufs Klo. Er ist auch nur ein Mensch." Melville schaffte eine Encyclopaedia Britannica an und las dem jungen Richard daraus vor, wobei er die vorgelesenen Fakten mit eigenen, anschaulichen Beispielen ergänzte. Seine Mutter Lucille vermittelte Feynman die Einsicht, dass Lachen und Mitgefühl die höchsten Formen der Erkenntnis seien. Folgt man den Gribbins, so hat der Einfluss der Eltern Verhalten und den Vortragsstil des Physikers bis ins hohe Alter geprägt.
Feynman war ein konsequenter Autodidakt, sein mathematisches Wissen erarbeitete er sich selbst, wobei er es vorzog, Formeln selbst herzuleiten, statt sie in der Literatur nachzulesen. Oft zeichneten sich seine Lösungen durch besondere Eleganz aus. Letztlich sind es kindliche Neugier und Freude an Entdeckungen, die Feynman dazu getrieben haben, den Geheimnissen der Physik nachzuspüren. Er gehört zu den ganz wenigen theoretischen Physikern, die auch jenseits des vierzigsten Lebensjahres noch wichtige Beiträge veröffentlichten.
Das Buch der Gribbins schildert die Arbeiten Feynmans von den Kräften in Molekülen über die Wheeler-Feynman-Theorie zur Wechselwirkung zwischen geladenen Teilchen, Feynmans Pfadintegralmethode bis zu den Arbeiten zur Quantenelektrodynamik, für die er 1965 zusammen mit Julian Schwinger und Shin-Ichiro Tomonaga den Nobelpreis erhielt. Leider vermitteln sie dem Leser nur ein vordergründiges Verständnis der wissenschaftlichen Probleme.
Die Gribbins erzählen auch viel über das Atombombenprojekt, doch nicht so atmosphärisch dicht wie Feynmans Memoiren, die in dem Bestseller "Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!" zusammengetragen sind. Während das neue Buch die berühmte Panzerknackergeschichte (Feynman knackte Tresore, die Unterlagen zum Bau der Bombe enthielten) nur am Rande erwähnt, vermittelt Feynmans viel lebhafter erzählte Version der Anekdote ein authentisches Stimmungsbild jener Zeit. Auch über die weiteren Lebensabschnitte Feynmans, seinen Brasilienaufenthalt, bei dem er die Kunst des Bongospielens erlernte, oder über den Entschluss, am Caltech in Pasadena zu bleiben, liefern die Verfasser hauptsächlich Fakten, Fakten, Fakten ab.
Mitte der sechziger Jahre etwa hatte Feynman seine erste eigene Kunstausstellung. Ein Aktgemälde nannte er "Madame Curie, die Strahlung von Radium beobachtend". Für die Gribbins ist das Information genug. Sie berichten nichts von der Absicht Feynmans, der zeigen wollte, dass sich niemand Madame Curie als Frau vorstellt, "als weibliches Wesen mit schönem Haar, nackten Brüsten und so weiter".
Der letzte große Auftritt Feynmans in der Öffentlichkeit war die Vorstellung der Ergebnisse seiner Arbeit in der Untersuchungskommission zur Challenger-Katastrophe. Hier zeigte sich noch einmal, dass ein begabter Mensch hinter alles kommt. Feynman war aus anderem Holz geschnitzt als jene Beamtennaturen, die mit dem zähen Fortgang der Untersuchungen zufrieden waren. Er fand Berichte, die die Konstruktion der Dichtungen der Feststoffraketen, von denen eine das Unglück ausgelöst hatte, als gefährlich einschätzten, aber andererseits eine Fortsetzung der Raumfährenflüge als unbedenklich einstuften. Durch Feynmans hartnäckige Suche und seine Respektlosigkeit gegenüber hochrangigen Behördenvertretern wurde die Inkompetenz und bürokratische Schönfärberei in der Verwaltung der Nasa offenkundig. John und Mary Gribbin wollten den Wirklichkeitssinn beschreiben, mit dem sich Feynman durch Wissenschaft und Leben schlug. Aber sie verknüpfen ihre Daten zu wenig, obwohl doch im glücklichen Kombinieren das Geheimnis des Denkens wie des Lebens liegen dürfte. Von Feynman, dem Autobiografen, könnten sie immer noch etwas lernen.
HARTMUT HÄNSEL.
John und Mary Gribbin: "Richard Feynman". Die Biographie eines Genies. Aus dem Amerikanischen von Thorsten Schmidt. Piper, München 2000. 416 S., 30 Abb., geb., 48,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fürwahr, die Nasa fürchtete er nicht: Scherz und Ernst im Leben des Physikers Richard Feynman
Über Richard Feynman (1918 bis 1988) sind bereits einige Bücher geschrieben worden. Sie schildern den Entertainer Feynman und seinen sprühenden Witz, sie ordnen den berühmten Physiker in die Wissenschaftsgeschichte ein. Seine Anekdoten wurden in zwei Bänden herausgebracht, und die Fotoalben seiner Freunde und Angehörigen wurden zu einem Bildband verdichtet. John und Mary Gribbin meinen dennoch, dass sie die Reihe der Publikationen um ein Werk ergänzen müssen, das den Kern von Feynmans Entdeckungen und den seiner Persönlichkeit zueinander in Beziehung setzt.
Feynman gehört zu den herausragenden Wissenschaftlern des zwanzigsten Jahrhunderts. Doch seinen Name assoziiert ein breites Publikum weder mit einer Relativitätstheorie noch mit Schwarzen Löchern oder einem anderen spektakulären Thema. Er ist einfach berühmt dafür, berühmt zu sein. Der junge Richard lernte von seinem Vater früh, dass es auf den Inhalt und nicht auf die Form ankommt. Bei Betrachtung eines Zeitungsbildes, auf dem sich Menschen vor dem Papst verneigen, erklärte Melville Feynman seinem Sohn den Unterschied zwischen diesem einen Menschen und den übrigen: "Der Unterschied liegt in dem Hut, den er trägt. Ansonsten hat dieser Mensch dieselben Sorgen wie alle anderen Menschen: Er muss essen und trinken und geht aufs Klo. Er ist auch nur ein Mensch." Melville schaffte eine Encyclopaedia Britannica an und las dem jungen Richard daraus vor, wobei er die vorgelesenen Fakten mit eigenen, anschaulichen Beispielen ergänzte. Seine Mutter Lucille vermittelte Feynman die Einsicht, dass Lachen und Mitgefühl die höchsten Formen der Erkenntnis seien. Folgt man den Gribbins, so hat der Einfluss der Eltern Verhalten und den Vortragsstil des Physikers bis ins hohe Alter geprägt.
Feynman war ein konsequenter Autodidakt, sein mathematisches Wissen erarbeitete er sich selbst, wobei er es vorzog, Formeln selbst herzuleiten, statt sie in der Literatur nachzulesen. Oft zeichneten sich seine Lösungen durch besondere Eleganz aus. Letztlich sind es kindliche Neugier und Freude an Entdeckungen, die Feynman dazu getrieben haben, den Geheimnissen der Physik nachzuspüren. Er gehört zu den ganz wenigen theoretischen Physikern, die auch jenseits des vierzigsten Lebensjahres noch wichtige Beiträge veröffentlichten.
Das Buch der Gribbins schildert die Arbeiten Feynmans von den Kräften in Molekülen über die Wheeler-Feynman-Theorie zur Wechselwirkung zwischen geladenen Teilchen, Feynmans Pfadintegralmethode bis zu den Arbeiten zur Quantenelektrodynamik, für die er 1965 zusammen mit Julian Schwinger und Shin-Ichiro Tomonaga den Nobelpreis erhielt. Leider vermitteln sie dem Leser nur ein vordergründiges Verständnis der wissenschaftlichen Probleme.
Die Gribbins erzählen auch viel über das Atombombenprojekt, doch nicht so atmosphärisch dicht wie Feynmans Memoiren, die in dem Bestseller "Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!" zusammengetragen sind. Während das neue Buch die berühmte Panzerknackergeschichte (Feynman knackte Tresore, die Unterlagen zum Bau der Bombe enthielten) nur am Rande erwähnt, vermittelt Feynmans viel lebhafter erzählte Version der Anekdote ein authentisches Stimmungsbild jener Zeit. Auch über die weiteren Lebensabschnitte Feynmans, seinen Brasilienaufenthalt, bei dem er die Kunst des Bongospielens erlernte, oder über den Entschluss, am Caltech in Pasadena zu bleiben, liefern die Verfasser hauptsächlich Fakten, Fakten, Fakten ab.
Mitte der sechziger Jahre etwa hatte Feynman seine erste eigene Kunstausstellung. Ein Aktgemälde nannte er "Madame Curie, die Strahlung von Radium beobachtend". Für die Gribbins ist das Information genug. Sie berichten nichts von der Absicht Feynmans, der zeigen wollte, dass sich niemand Madame Curie als Frau vorstellt, "als weibliches Wesen mit schönem Haar, nackten Brüsten und so weiter".
Der letzte große Auftritt Feynmans in der Öffentlichkeit war die Vorstellung der Ergebnisse seiner Arbeit in der Untersuchungskommission zur Challenger-Katastrophe. Hier zeigte sich noch einmal, dass ein begabter Mensch hinter alles kommt. Feynman war aus anderem Holz geschnitzt als jene Beamtennaturen, die mit dem zähen Fortgang der Untersuchungen zufrieden waren. Er fand Berichte, die die Konstruktion der Dichtungen der Feststoffraketen, von denen eine das Unglück ausgelöst hatte, als gefährlich einschätzten, aber andererseits eine Fortsetzung der Raumfährenflüge als unbedenklich einstuften. Durch Feynmans hartnäckige Suche und seine Respektlosigkeit gegenüber hochrangigen Behördenvertretern wurde die Inkompetenz und bürokratische Schönfärberei in der Verwaltung der Nasa offenkundig. John und Mary Gribbin wollten den Wirklichkeitssinn beschreiben, mit dem sich Feynman durch Wissenschaft und Leben schlug. Aber sie verknüpfen ihre Daten zu wenig, obwohl doch im glücklichen Kombinieren das Geheimnis des Denkens wie des Lebens liegen dürfte. Von Feynman, dem Autobiografen, könnten sie immer noch etwas lernen.
HARTMUT HÄNSEL.
John und Mary Gribbin: "Richard Feynman". Die Biographie eines Genies. Aus dem Amerikanischen von Thorsten Schmidt. Piper, München 2000. 416 S., 30 Abb., geb., 48,- DM.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Susanne Wedlich zeichnet in ihrer Kritik recht deutlich - wenn auch vielleicht nicht absichtlich - nach, wie es ihr beim Lesen dieser Biografie ergangen ist. In den ersten Kapiteln geht ihr der anhimmelnde Ton der Autoren auf die Nerven und die "kritiklose" Nacherzählung längst bekannter Episoden. Die meisten Figuren in dem Buch seien "blutleer". Besonders an der Darstellung der Ehefrauen nimmt sie Anstoß. So charakterisieren die Autoren Feynmans zweite Frau als `blonde Sexbombe`. Die nächsten Kapitel, erzählt Wedlich, beschreiben die wissenschaflichen Arbeiten Feynmans, der für seine Forschungen in der Quantenelektrodynamik 1965 den Nobelpreis erhielt. "Harte Kost", stellt die Rezensentin fest, noch dazu "ohne didaktisches Genie" vorgetragen. Sie atmet erleichtert auf, als sich die Autoren wieder dem Privaten zuwenden. Und siehe da - was ihr vorher auf die Nerven ging, gefällt ihr jetzt: plötzlich "gewinnen die Personen an Tiefe".
© Perlentaucher Medien GmbH
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