Aus der Fülle der Wagner-Literatur ragt das vorliegende Buch durch seinen ungewohnten Zugriff heraus: Wiewohl von einem professionellen Musiker verfaßt, sucht es den Schlüssel zum besseren Verständnis des Ausnahme-Komponisten weniger in dessen Opernwerk als in seinen theoretischen Schriften, die Siegfried Gerlich sich nicht scheut, als "philosophische" bzw. "phänomenologische" zu bezeichnen.Adornos Diktum aufgreifend, daß in der Welt immer nur so viel Musik wie Christentum anzutreffen sei, rekapituliert der Autor Richard Wagners intellektuelle Odyssee vom frühen Revoluzzertum auf der Barrikade bis hin zur späten Kunstreligion. Dabei modifiziert der Autor das Klischee vom Judenhasser Wagner durch einen sorgfältigen Vergleich mit den Positionen Friedrich Nietzsches und Eugen Dührings, deren radikaler Antisemitismus bereits auf den Nationalsozialismus vorausweist.Überzeugend weist Gerlich nach, daß Wagner, bei allen biographischen Schwankungen, durchgängig an der idealistischen Bestimmung Deutschlands als ethisch anspruchsvoller Sprachgemeinschaft statt als ethnisch beschränkter Volksgemeinschaft festhält. Kein Machtstaat mit imperialen Ambitionen, sondern eine Kulturnation mit einer ästhetischen Religion stand ihm vor Augen. In dieser Perspektive fällt schließlich auch auf Wagners Beziehungen zu König Ludwig II. und Bismarck ein neues Licht.Siegfried Gerlich, 1967, hat Philosophie und Musikwissenschaft studiert und lebt als freier Publizität und Pianist in Hamburg.,Ich bin nicht auf den Rang der Tagespatrioten zu zählen, denn was einer unter den jetzigen deutschen Verhältnissen leiden kann, das leide ich, ich hänge gleichsam am Kreuze des deutschen Gedankens.'Richard Wagner
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