Philosophie mit der Waldrand-Menagerie
Schon Heinz Erhardt wunderte sich darüber, daß das Eichhorn Eichhorn heißt, denn weder hinten und schon gar nicht vorn trägt es ein Horn. Dafür hat es bei Toon Tellegen eine Menge Freunde, richtig dicke Freunde eben. Das dünnste Tier ist sein dickster Freund, die Ameise, die sich zuweilen so verrückt benimmt wie ein Märzhase. Sie heißt übrigens Ameise, und auch die anderen Tiere in dieser Waldrand-Menagerie tragen ihren Gattungsnamen. Und alle reden auf Teufel komm raus. Manchmal denken sie auch so. Die Schwierigkeiten beginnen da, wo sie beim Reden ein bißchen über das Ziel hinausgeschossen sind, und beim Denken auch.
Klingt das ansatzweise absurd? So soll es sein. Die merkwürdigsten dieser 28 Geschichten können am besten gefallen. Wenn der Igel sich in einem Strauch verhakt, wird er zum Strauch-Igel und nach einiger Zeit zum Strauch mit Beinen - ein wundersamer Identitätswechsel. Die Kröte regt sich maßlos auf, weil ihr niemand glaubt, daß sie immer und ausnahmslos cool bleibt. Manche Freunde streiten sich heftig und sogar mit Hilfe der Fäuste (wenn denn Grille und Ameise Fäuste haben), weil sie fest der Meinung sind, der andere habe recht. Nebenbei fallen hübsche Aphorismen ab. Etwa: Was ist ewig? Antwort: Bis niemand mehr kann. Bei einem richtigen Fest kommt man der Ewigkeit schon ziemlich nahe.
Eine Menge Nah- und Nächsterfahrungen von Kindern sowie manche ihrer vielleicht nicht gerade brennenden, aber doch immer mal wieder auftauchenden Fragen zum Umgang mit Gefühlen werden hier aufgegriffen, leicht verdreht und dadurch aller Schwere beraubt. Zwar meint man zuweilen, so etwas wie den Schatten eines erhobenen Zeigefingers über den Geschichten zu sehen, aber dann vertreibt ihn Toon Tellegen doch noch durch eine lakonische Wendung. Die Übertragung ins Deutsche ebnet nichts von dem Sprachwitz ein und bleibt leicht und luftig. Nicht alle, aber die meisten der Geschichten bieten pfiffig und abwechslungsreich vorbereitete Überraschungen. Immer wieder reizen sie zum Lachen. Das ist ein sattes und mit Aha-Erlebnissen gespeistes Lachen, das den, der lacht, ein bißchen klüger macht.
Die Texte zu illustrieren war sicher keine leichte Aufgabe, denn in ihnen wird zum Beispiel mit Größenverhältnissen frei umgegangen - Elefant wie Motte werden als gleich groß behandelt. Wiebke Oeser hat mit ihren Buntstiften diese Fauna krakelig-kindlich dargestellt. Manchmal ist ihr das überzeugend gelungen. Insgesamt lockt die Ausstattung des Buches mit dem Charme des Unluxuriösen. Als Vorlesebuch dürfte es daher die besten Chancen haben.
WILFRIED VON BREDOW
Toon Tellegen: "Richtig dicke Freunde". Mit Bildern von Wiebke Oeser. Aus dem Niederländischen von Mirjam Pressler. Carl Hanser Verlag, München 1999. 92 S., 22,- DM. Ab 6 J.
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"Ein Buch zum Vorlesen, zum Immer-wieder-selbst-Lesen und vor allem zum Verschenken." (Süddeutsche Zeitung)