Geri Weibel, Stammgast in der angesagten Schampbar, hat sich nachdem er in so ziemlich alle Fettnäpfchen getreten ist zu einer Art Trendseismograph in Fragen des derzeitigen Lifestyle herangebildet. Von A wie Alkohol, B wie Begrüßungsküsschen, F wie Fitness,
I wie In-Quartier, K wie Kult, P wie Personality, S wie Szenelokal bis W wie Wohnung oder Weihnachtsrummel Geri hat sie alle durchbuchstabiert und sich seine Gedanken dazu gemacht."
I wie In-Quartier, K wie Kult, P wie Personality, S wie Szenelokal bis W wie Wohnung oder Weihnachtsrummel Geri hat sie alle durchbuchstabiert und sich seine Gedanken dazu gemacht."
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.2002Zwangsjacke, Haute Couture
Luftküsse in der Schampbar: Martin Suters kleine Trendschule
Witzlos sind diese Miniaturen über die Welt der Trendsetter nicht. Artige Satirchen, welche die gestylte Außenseite der Party- und Fun-Generation aufkratzten und ihre Gruppenzwänge freundlich karikierten. Martin Suter hat sich in den Szenetreffs der Cüpligesellschaft auf die Lauer gelegt und offeriert seine Beobachtungen in handlichen Geschichten. Entstanden waren sie ursprünglich für das Magazin NZZ-Folio, jetzt sind sie gesammelt unter dem Titel "Richtig leben mit Geri Weibel" erschienen.
Suters Held Weibel, Stammgast in der Schampbar, entlarvt vorzugsweise die hohlen Rituale der Lifestyle-Gesellschaft. Wie sie sich einredet, die totale Freiheit zu leben und sich doch ständig einem rigiden Gruppenzwang unterwirft. Wie sie ängstlich das Alphabet des richtigen Lebens absolviert und gleichzeitig immer uniformer wird. Wie schnell die Verfallszeit ihrer Moden ist. Mit diesem ironischen Spiel gelingen Martin Suter hübsche Pointen.
Drückte sich zum Beispiel unsere Elterngeneration noch verklemmt die Hand, so ist heute Küssen angesagt. In der Begrüßungsfrage ist offensichtlich eine internationale Deregulierung eingetreten. Allerdings ist Küssen - das leuchtet auf der Stelle ein - nicht immer gleich Küssen; wer auf diesem Terrain nicht ausgleiten will, tut gut daran, sich rechtzeitig über die modischen Verhaltensregeln zu orientieren. Geri Weibel notiert in der Schampbar zwei Doppelte gemischte (Luftküsse/Kontaktküsse), drei Scharaden-Dreifache (zehn Zentimeter Sicherheitsabstand), zwei einfache, abgewandte Lippenspitzer und neu und besonders unter älteren Intellektuellen topaktuell: einen männlich-gleichgeschlechtlichen Doppelbreschnew.
So geht das weiter hin und fort. Martin Suter buchstabiert in seinen Regeln über das "Richtig leben" das Wörterbuch der Trends von der "Begrüßungsfrage" bis zur "Trinkgeldfrage". Es sind winzige soziologische Untersuchungen, die er vorlegt. Man liest sie leichthin, mit schnellem Vergnügen, auch wenn sich manche Exempel mit der Zeit gleichen, die Strategien der Ironisierung etwas allzu durchsichtig werden und die Sprache so alltäglich wirkt wie der Gegenstand, den sie beschreibt - Geschichten eben, die für den schnellen Zeitungskonsum konzipiert sind, in Buchform aber doch etwas leichtgewichtig daherkommen.
PIA REINACHER.
Martin Suter: "Richtig leben mit Geri Weibel". Diogenes Verlag, Zürich 2001. 116 S., br., 7,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Luftküsse in der Schampbar: Martin Suters kleine Trendschule
Witzlos sind diese Miniaturen über die Welt der Trendsetter nicht. Artige Satirchen, welche die gestylte Außenseite der Party- und Fun-Generation aufkratzten und ihre Gruppenzwänge freundlich karikierten. Martin Suter hat sich in den Szenetreffs der Cüpligesellschaft auf die Lauer gelegt und offeriert seine Beobachtungen in handlichen Geschichten. Entstanden waren sie ursprünglich für das Magazin NZZ-Folio, jetzt sind sie gesammelt unter dem Titel "Richtig leben mit Geri Weibel" erschienen.
Suters Held Weibel, Stammgast in der Schampbar, entlarvt vorzugsweise die hohlen Rituale der Lifestyle-Gesellschaft. Wie sie sich einredet, die totale Freiheit zu leben und sich doch ständig einem rigiden Gruppenzwang unterwirft. Wie sie ängstlich das Alphabet des richtigen Lebens absolviert und gleichzeitig immer uniformer wird. Wie schnell die Verfallszeit ihrer Moden ist. Mit diesem ironischen Spiel gelingen Martin Suter hübsche Pointen.
Drückte sich zum Beispiel unsere Elterngeneration noch verklemmt die Hand, so ist heute Küssen angesagt. In der Begrüßungsfrage ist offensichtlich eine internationale Deregulierung eingetreten. Allerdings ist Küssen - das leuchtet auf der Stelle ein - nicht immer gleich Küssen; wer auf diesem Terrain nicht ausgleiten will, tut gut daran, sich rechtzeitig über die modischen Verhaltensregeln zu orientieren. Geri Weibel notiert in der Schampbar zwei Doppelte gemischte (Luftküsse/Kontaktküsse), drei Scharaden-Dreifache (zehn Zentimeter Sicherheitsabstand), zwei einfache, abgewandte Lippenspitzer und neu und besonders unter älteren Intellektuellen topaktuell: einen männlich-gleichgeschlechtlichen Doppelbreschnew.
So geht das weiter hin und fort. Martin Suter buchstabiert in seinen Regeln über das "Richtig leben" das Wörterbuch der Trends von der "Begrüßungsfrage" bis zur "Trinkgeldfrage". Es sind winzige soziologische Untersuchungen, die er vorlegt. Man liest sie leichthin, mit schnellem Vergnügen, auch wenn sich manche Exempel mit der Zeit gleichen, die Strategien der Ironisierung etwas allzu durchsichtig werden und die Sprache so alltäglich wirkt wie der Gegenstand, den sie beschreibt - Geschichten eben, die für den schnellen Zeitungskonsum konzipiert sind, in Buchform aber doch etwas leichtgewichtig daherkommen.
PIA REINACHER.
Martin Suter: "Richtig leben mit Geri Weibel". Diogenes Verlag, Zürich 2001. 116 S., br., 7,90 [Euro].
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»Martin Suter gilt als Meister einer eleganten Feder, die so fein geschliffen ist, dass man die Stiche oft erst hinterher spürt.« Monika Willer / Westfalenpost Westfalenpost