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"Moses der Ägypter" ist ein Text von Hans Blumenberg, in dem dieser sich mit zwei prägenden Figuren der Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts beschäftigt: Sigmund Freud und Hannah Arendt. Entstanden Ende der 1980er Jahre, aufbewahrt in der Mappe "Unerlaubte Fragmente", gehört er zu den vielleicht spektakulärsten Stücken aus dem Nachlass des Philosophen.
Blumenberg setzt ein mit Freuds im Jahr 1939 publiziertem Alterswerk Der Mann Moses und die monotheistische Religion, das er als dessen "große und letzte Kränkung der Menschheit in Gestalt ihrer Leidendsten" bezeichnet, und geht dann über
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Produktbeschreibung
"Moses der Ägypter" ist ein Text von Hans Blumenberg, in dem dieser sich mit zwei prägenden Figuren der Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts beschäftigt: Sigmund Freud und Hannah Arendt. Entstanden Ende der 1980er Jahre, aufbewahrt in der Mappe "Unerlaubte Fragmente", gehört er zu den vielleicht spektakulärsten Stücken aus dem Nachlass des Philosophen.

Blumenberg setzt ein mit Freuds im Jahr 1939 publiziertem Alterswerk Der Mann Moses und die monotheistische Religion, das er als dessen "große und letzte Kränkung der Menschheit in Gestalt ihrer Leidendsten" bezeichnet, und geht dann über zu einer an Schärfe kaum zu überbietenden Auseinandersetzung mit Arendt und ihrem Buch Eichmann in Jerusalem. Sowohl bei Freud als auch bei Arendt sieht Blumenberg einen Rigorismus am Werk, der im Namen der Wahrheit auftritt, aber in Rücksichtslosigkeit umschlägt, weil er blind macht für das Politische und taub für das Unfassliche.

"Wie Freud den Mann Moses seinem Volk genommen hatte, nimmt Hannah Arendt Adolf Eichmann dem Staat Israel" - so lautet eine der vielen bemerkenswerten Schlussfolgerungen in diesem dichten Text, der auch etwas von Blumenbergs Haltung zum Judentum und zum Zionismus preisgibt. "Moses der Ägypter" wird hier erstmals vollständig publiziert - versehen mit Kommentaren des Herausgebers und ergänzt um weitere Texte aus dem Nachlass zu diesem Themenfeld.
Autorenporträt
Blumenberg, HansHans Blumenberg wurde am 13. Juli 1920 in Lübeck geboren und starb am 28. März 1996 in Altenberge bei Münster. Nach seinem Abitur im Jahr 1939 durfte er keine reguläre Hochschule besuchen. Er galt trotz seiner katholischen Taufe als 'Halbjude'. Folglich studierte Blumenberg zwischen 1939 und 1947 mit Unterbrechungen Philosophie, Germanistik und klassische Philosophie in Paderborn, Frankfurt am Main, Hamburg und Kiel. 1947 wurde Blumenberg mit seiner Dissertation Beiträge zum Problem der Ursprünglichkeit der mittelalterlich-scholastischen Ontologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel promoviert. Hier habilitierte er sich 1950 mit der Studie Die ontologische Distanz. Eine Untersuchung über die Krisis der Phänomenologie Husserls. Sein Lehrer während dieser Zeit war Ludwig Landgrebe. Im Jahr 1958 wurde Blumenberg in Hamburg außerordentlicher Professor für Philosophie und 1960 in Gießen ordentlicher Professor für Philosophie. 1965 wechselte er als ordentliche

r Professor für Philosophie nach Bochum und ging im Jahr 1970 an die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, wo er 1985 emeritiert wurde. Blumenberg war Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz (seit 1960), des Senats der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Mitgründer der 1963 ins Leben gerufenen Forschungsgruppe »Poetik und Hermeneutik«.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Lothar Müller nimmt sich den kaum 12 Seiten langen Essay des Philosophen Hans Blumenberg vor und stellt fest, dass der von Ahlrich Meyer aus dem Nachlass publizierte, wie er findet, aufschlussreich kommentierte und mit Exzerpten und Vorarbeiten angereicherte Text den Doppelangriff Blumenbergs auf Freuds "Mann Moses" und Arendts "Eichmann in Jerusalem" zwar in seiner ganzen Schärfe dokumentiert, aber auch seine Schwächen offenbart. Etwa dahingehend, dass sichtbar wird, wie wenig Blumenberg sich mit der eher geringen Wirkung von Freuds Schrift befasst oder mit der Kontroverse, die Arendts Text auslöste. Müller untersucht die Parallele zwischen Freud und Arendt und kommt zu dem Schluss, dass der Autor zwar seine Mythisierung der Geschichte verteidigen kann, indem er Arents Eichmann-Bild kritisiert, die Analyse des Gesamtkomplexes darunter jedoch letztlich leidet.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.02.2015

Sie hätte dieses Buch nie schreiben dürfen
Eichmann und die Folgen: In einer heute aus dem Nachlass publizierten Schrift geht der Philosoph Hans Blumenberg scharf mit Freud und Hannah Arendt ins Gericht

Einem Volkstum den Mann abzusprechen, den es als den größten unter seinen Söhnen rühmt, ist nichts, was man gern oder leichthin unternehmen wird, zumal wenn man selbst diesem Volke angehört. Aber man wird sich durch kein Beispiel bewegen lassen, die Wahrheit zugunsten vermeintlicher nationaler Interessen zurückzusetzen ..." - So beginnt "Der Mann Moses und die monotheistische Religion", Sigmund Freuds später Versuch, den besonderen Charakter des Judentums vor dem Hintergrund seiner psychoanalytischen Deutung des Phänomens Religion zu erhellen.

Moses muss dafür zum ägyptischen hohen Beamten, Priester oder Prinzen werden, der dem jüdischen Volk in strenger Wüstenerziehung einen strikten Monotheismus nach dem Vorbild des in Ägypten schnell wieder beiseitegeräumten Aton-Kults auferlegte. Eine Geschichte, die mit der Tötung des Moses durch die überforderten Juden nicht etwa endet, sondern erst wirklich beginnt: Denn erst dieser Mord sorgte dafür, dass der Mechanismus von Verdrängung, Latenz und Wiederkehr ausgelöst wurde, den Freud im Innersten aller Religionen am Werk sehen wollte.

Im Fall des jüdischen Volks sogar auf eine hervorstechende Weise, weil hier der traumatisierende Mord an der Stifterfigur Moses noch einmal wiederholt und verstärkt, was die Tötung des Urhordenvaters durch seine Söhne in urgeschichtlicher Frühe als religiös fortwirkenden Schuldkomplex grundgelegt hatte.

Freud veröffentlichte den "Mann Moses" als Buch 1939 im Londoner Exil, weil er zuvor in Wien befürchtet hatte, die in ihm steckende Religionstheorie könnte die katholische Kirche, an die er noch Hoffnungen als Schutzmacht gegen die Nationalsozialisten knüpfte, zu Angriffen auf die Psychoanalyse reizen. Nach dem Anschluss, dem auch die Kirche nichts entgegenzusetzen hatte, fiel dieser Beweggrund weg, während Rücksichtnahmen auf vielleicht verletzte jüdische Gefühle Freud ohnehin kaum bewegt zu haben scheinen. Als er Arnold Zweig im Sommer 1938 von der brieflichen Bitte eines jungen amerikanischen Juden berichtete, den unglücklichen Volksgenossen doch nicht "den einzigen Trost zu rauben", setzte er das als schlichte Überschätzung einer möglichen Wirkung des Buches beiseite.

Gerade dies aber, "auf dem Höhepunkt von Hitlers Macht" dieses Buch veröffentlicht zu haben, macht Freud ein Text zum Vorwurf, der Ende der achtziger Jahre geschrieben wurde, aber der erst jetzt an die Öffentlichkeit kommt. Er stammt aus dem umfangreichen Nachlass Hans Blumenbergs, erschlossen vom Deutschen Literaturarchiv in Marbach, aus dem in den letzten Jahren eine Reihe von Büchern ediert wurde. Dass sich in ihm einiges zu Freud findet - Typoskripte und Einträge im riesigen Registerwerk der Karteikarten, auf deren Grundlage Blumenberg seine Texte komponierte -, verwundert nicht. Metaphern und Mythologemen, mit denen Freud Bedeutsamkeit und Anspruch seiner Theorien ins rechte Licht zu rücken suchte, hat sich der Interpret Blumenberg in zu Lebzeiten veröffentlichten Büchern gewidmet.

An Distanz gegenüber diesen Ansprüchen mangelte es dabei nicht. Aber der nun samt Vorarbeiten und thematisch zugehörigen Aufzeichnungen aus dem Nachlass publizierte Text sticht durch seine Schärfe hervor. Dass Freud das Jahr 1939 nicht als "den falschesten Augenblick" für die Veröffentlichung des "Mann Moses" erkannt habe, nimmt Blumenberg als Beleg für Freuds Willen, an seiner Wahrheit festzuhalten, ohne sich um die rings um ihn einstürzende Welt zu kümmern, als "unerschrockener Mann", wie ihn Horaz in einer seiner Oden evoziert.

Wobei Blumenberg diesen "vir impavidus" des Horaz, den selbst die herabfallenden Trümmer des Himmels nicht schrecken könnten, einzig deshalb ins Spiel bringt, weil Freud solchen Stoizismus einmal als typische Haltung eines Narzissten hinstellt. Die Rückanwendung auf Freud lässt dessen "Rigorismus der Wahrheit" unter sein eigenes Verdikt fallen: Ausdruck des Narzissmus eines Autors zu sein, der, den nahen Tod vor Augen, sich bloß noch um seinen eigene Angelegenheit sorgte. Im Zeichen einer Wahrheit, von der er wusste, dass sie nicht tragfähig war und mit der Spekulation über die Geschichte des ägyptischen Moses auf tönernen Füßen stand.

Kein mildernder Umstand wird von Blumenberg für diesen Rigorismus Freuds beigebracht, der seinem Volk eine Analyse anbot, "nicht weil die Wahrheit es frei machen würde, sondern weil der Forscher Freud seit je seine Patienten mit seiner eigenen theoretischen Neugierde identifizierte, auf sie bedenkenlos übertrug, sie hätten die Wahrheit zu lieben und ihr zu dienen". Es wird vielmehr ein Motiv genannt, das nicht gehabt zu haben, obwohl es doch vom Typus seiner Erklärung der Eigenart des Judentums her möglich gewesen wäre, den Vorwurf noch verschärft: Freud habe "nicht einmal an den Mechanismus der Wiederholung [geglaubt], in der nochmals ein Fremder, der vom Wahn des Blutes Besessene, die sublimierenden Züchtigungen der Wüste erneuern und im wildesten Autismus doch nur das Geschichtsinteresse der Gezüchtigten betreiben würde".

Kein Zweifel, dass dieser Fremde Hitler ist, dessen versuchte Auslöschung der Juden hier parallelgeführt wird mit den Züchtigungen der Juden durch einen anderen Fremden, den ägyptischen Moses. Die Passage lässt erkennen, wie weit Blumenberg mit seiner Kritik zu gehen bereit war - bis zur Feststellung, dass letztlich nur noch ein zionistisch als Initiator eines jüdischen Nationalstaats verstandener Hitler als Rechtfertigung für die Publikation des "Mann Moses" im Jahr 1939 hätte gelten können.

Von Freuds "Mann Moses" nimmt Blumenberg den Übergang zu Hannah Arendt und ihrem Buch über den Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem im Jahr 1961. Denn eine "impavida" war auch Arendt in Blumenbergs Augen, die an einer schalen Wahrheit festhielt und nicht sehen wollte, was sie doch hätte sehen müssen - dass der Prozess gegen Eichmann zu Recht kein übliches, nach juristischen Normen ablaufendes Verfahren war. Ein solches Verfahren gar nicht sein konnte, weil singulär war, was in ihm inszeniert werden musste: das als Staatsakt vollzogene Todesurteil über einen Organisator des Genozids, der hingerichtet wurde, um "im Nationalmythos als der bezwungene notwendige Feind aufzugehen, der zwar die Opfer gefordert, zugleich damit ihrem Opfer den einzig noch möglichen Sinn aufgezwungen hatte".

Was Arendt nicht begriffen habe, ist diese mythische Notwendigkeit, an die kein universaler Moralismus, keine Analyse und erst recht kein apolitischer Soziologismus heranreiche, von dem Blumenberg "Die Banalität des Bösen" gezeichnet sah. Nie hätte Arendt dieses Buch schreiben dürfen.

Das ist mehr und anderes, als Arendt ihre Ausführungen über die Rolle der Judenräte und den ausgebliebenen jüdischen Widerstand vorzuhalten. Arendt wollte mit dem Zionismus abrechnen, Blumenberg tritt dem "Nationalmythos" bedingungslos zur Seite. Dessen Prägnanz verlangte, Eichmann nicht als Hanswurst hinzustellen, selbst wenn er das - jenseits seiner Vertretungsfunktion als Feind schlechthin - sogar gewesen wäre. Denn es "gibt den negativen Nationalhelden. Er muss getötet werden wie Moses, obwohl er die Bedingungen der Möglichkeit dieser nationalen Existenz geschaffen hat."

Er sei seinerseits gefasst auf Empörungen, schrieb Blumenberg, wenn er auf Gemeinsamkeiten der Bücher Freuds und Arendts hinweise. Und darauf, dass Arendt Adolf Eichmann dem Staat Israel genommen habe so wie Freud den Mann Moses seinem Volk. Blumenberg, der selbst als "Halbjude" sein Studium der katholischen Theologie abbrechen musste und die letzten Kriegswochen nach vorübergehender Internierung versteckt überlebte, hatte diese Jahre fast nie direkt angesprochen, dem leisesten Verdacht aus dem Weg gehend, seine Biographie könnte ihn zu Urteilen privilegieren; eher noch zu schneidenden Worten neigend, wenn es sich kritische Zeitgenossen mit moralischen Aburteilungen intellektueller Mitschuld oder mangelnden Widerstands im Rückblick zu einfach machten.

Der nun publizierte Text, von Ahlrich Meyer vorbildlich ediert und kommentiert, zeigt einen Blumenberg, der sich nicht ohne weiteres erraten ließ. Von dem man zwar den Nachweis gewohnt war, dass mythisch gestiftete Bedeutsamkeiten nicht einfach im klaren Licht der diskursiven Vernunft zerstäuben, aber doch kaum die unbedingte Verteidigung einer mythischen Notwendigkeit auf letztlich politischem Feld erwartete. Im Extremfall war für ihn darum offenbar nicht herumzukommen. Wenn das Äußerste berührt wurde, ging es nicht mehr um die Arbeit am Mythos, sondern um die strenge Mahnung, ihn nicht anzutasten.

HELMUT MAYER

Hans Blumenberg: "Rigorismus der Wahrheit". "Moses der Ägypter" und weitere Texte zu Freud und Arendt. Hrsg., kommentiert und mit einem Nachwort von Ahlrich Meyer. Suhrkamp Verlag, Berlin 2015. 133 S., br., 14,- [Euro].

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»Dem nun bei Suhrkamp erschienenen Band Rigorismus der Wahrheit hat der Herausgeber Ahlrich Meyer viel Sorgfalt angedeihen lassen. Das ist gut so, denn er behandelt ein heikles Thema und konfrontiert den Leser in Bezug auf Blumenberg mit Unerwartetem.« Jürgen Busche der Freitag 20150326