Die Frankfurter Oper steht in Flammen und mit ihr Wagners Untergangsepos vom "Ring des Nibelungen". Jahre später wagt man einen Neubeginn mit dem Ensemble von damals. Doch den engagierten Regisseur Alexander Raven und die kühle Dramaturgin Cora Sterneck verbindet mehr als die gemeinsame Arbeit. Aus ihrer einst flammenden Leidenschaft ist eine schwelende Ruine geworden, die erneut ihre Opfer fordert.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.1996Alles nur Theater?
Thea Dorns "Krimi" über den Frankfurter Opernhausbrand
Richard Wagners "Ring des Nibelungen" wurde - in toto - bei den ersten Bayreuther Festspielen vom 13. bis 17. August 1876 uraufgeführt, darf also heuer auf eine hundertzwanzigjährige Geschichte zurückblicken. Der große Brand des Frankfurter Opernhauses datiert dagegen nur knapp neun Jahre zurück: In den frühen Morgenstunden des 12. November 1987 brach er aus und vernichtete das ganze Haus. Er bescherte der Stadt und ihren kunstsinnigen Bewohnern eine modernisierte Spielstätte hinter alter Fassade.
Thea Dorn hat nun eine Inszenierung eben dieses "Bühnenfestspiels" und das Ereignis des Brandes in einem anspruchsvoll-aufregenden Kriminalroman verarbeitet, der in diesen Tagen erscheint. Premiere soll eine Veranstaltung sein, die nur wenige Meter vom einstigen Unglücksort entfernt liegt: Im "Fundus" dürfen heute um 20 Uhr die Zuhörer heikle Interna aus dem Theaterbetrieb, kolportagehaft anmutende Charaktere und eine neue Spekulation über die Hintergründe dieser rasch vergessenen Katastrophe ("Oper brennt, Junkie gesteht, Akte zu") erwarten.
Im "Ringkampf" gehen Kunst, Politik und Liebe in vielerlei Spielarten eine eigentümliche Verbindung ein. Mehr läßt sich von einem Vertreter dieser neuerdings auch in Deutschland gepflegten literarischen Gattung - in der die Autorin 1994 mit "Berliner Aufklärung" debütierte - nicht verlangen. Eine Andeutung über den Inhalt muß genügen: Alexander Raven will seine alte "Ring"-Inszenierung wiederaufnehmen, doch mit den Proben tauchen die Schatten der Vergangenheit erneut auf. Zum Beispiel Cora Starneck, mit der er damals nicht nur ein Arbeits-, sondern auch ein Liebesverhältnis unterhielt.
Die meist kühle Dramaturgin hat die alten Regiebücher aus den Flammen gerettet, und er ist, obwohl inzwischen verheiratet, auf sie angewiesen. Aber natürlich bevölkern noch sehr viel mehr Personen die Bühne, das Haus, die Stadt: etwa die amerikanische Sängerin Jessica Johnson-Myer, der polnische Alberich-Jungbariton und der germanische Wotan-Baß. Aber die Aufzählung wäre unvollständig, erwähnte man nicht den ausgeschiedenen Intendanten Haffner und seinen Nachfolger Benito Bellini, den Generalmanager Hermann Preuss und die Kulturdezernentin Renate Krösch. Und da erhärtet sich der anfängliche Verdacht: Hier sind fiktive Personen nach realen Vorbildern modelliert worden und entfalten ein eigenes Leben. Dieses Fact-and-fiction-Verfahren wird Staub aufwirbeln und Reaktionen hervorrufen. Denn, wie heißt es im Text: "Die Gerüchteküche ist . . . diejenige Küche, die in Frankfurt am längsten geöffnet hat."
Wer allerdings nicht primär auf solche Insider-Informationen aus ist, liest einen Kriminalroman, der durch aggressiv-witzig-lakonische Sprache, intime Musikkenntnis und wohlkalkulierte Form (Ein Vorspiel und vier Aufzüge und viele Wagner-Zitate) besticht. Thea Dorn - die sich hinter ihrem Pseudonym verbirgt - weiß in diesem Buch Kunst und Menschen in eine Art Spiegelkabinett zu versetzen, um die Abläufe zu beobachten und ungewöhnliche Schlüsse daraus zu ziehen. Plötzlich gewinnt nicht nur der Titel "Ringkampf" eine doppelte Bedeutung, und der Leser fragt: Alles nur Theater? ADOLF FINK
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Thea Dorns "Krimi" über den Frankfurter Opernhausbrand
Richard Wagners "Ring des Nibelungen" wurde - in toto - bei den ersten Bayreuther Festspielen vom 13. bis 17. August 1876 uraufgeführt, darf also heuer auf eine hundertzwanzigjährige Geschichte zurückblicken. Der große Brand des Frankfurter Opernhauses datiert dagegen nur knapp neun Jahre zurück: In den frühen Morgenstunden des 12. November 1987 brach er aus und vernichtete das ganze Haus. Er bescherte der Stadt und ihren kunstsinnigen Bewohnern eine modernisierte Spielstätte hinter alter Fassade.
Thea Dorn hat nun eine Inszenierung eben dieses "Bühnenfestspiels" und das Ereignis des Brandes in einem anspruchsvoll-aufregenden Kriminalroman verarbeitet, der in diesen Tagen erscheint. Premiere soll eine Veranstaltung sein, die nur wenige Meter vom einstigen Unglücksort entfernt liegt: Im "Fundus" dürfen heute um 20 Uhr die Zuhörer heikle Interna aus dem Theaterbetrieb, kolportagehaft anmutende Charaktere und eine neue Spekulation über die Hintergründe dieser rasch vergessenen Katastrophe ("Oper brennt, Junkie gesteht, Akte zu") erwarten.
Im "Ringkampf" gehen Kunst, Politik und Liebe in vielerlei Spielarten eine eigentümliche Verbindung ein. Mehr läßt sich von einem Vertreter dieser neuerdings auch in Deutschland gepflegten literarischen Gattung - in der die Autorin 1994 mit "Berliner Aufklärung" debütierte - nicht verlangen. Eine Andeutung über den Inhalt muß genügen: Alexander Raven will seine alte "Ring"-Inszenierung wiederaufnehmen, doch mit den Proben tauchen die Schatten der Vergangenheit erneut auf. Zum Beispiel Cora Starneck, mit der er damals nicht nur ein Arbeits-, sondern auch ein Liebesverhältnis unterhielt.
Die meist kühle Dramaturgin hat die alten Regiebücher aus den Flammen gerettet, und er ist, obwohl inzwischen verheiratet, auf sie angewiesen. Aber natürlich bevölkern noch sehr viel mehr Personen die Bühne, das Haus, die Stadt: etwa die amerikanische Sängerin Jessica Johnson-Myer, der polnische Alberich-Jungbariton und der germanische Wotan-Baß. Aber die Aufzählung wäre unvollständig, erwähnte man nicht den ausgeschiedenen Intendanten Haffner und seinen Nachfolger Benito Bellini, den Generalmanager Hermann Preuss und die Kulturdezernentin Renate Krösch. Und da erhärtet sich der anfängliche Verdacht: Hier sind fiktive Personen nach realen Vorbildern modelliert worden und entfalten ein eigenes Leben. Dieses Fact-and-fiction-Verfahren wird Staub aufwirbeln und Reaktionen hervorrufen. Denn, wie heißt es im Text: "Die Gerüchteküche ist . . . diejenige Küche, die in Frankfurt am längsten geöffnet hat."
Wer allerdings nicht primär auf solche Insider-Informationen aus ist, liest einen Kriminalroman, der durch aggressiv-witzig-lakonische Sprache, intime Musikkenntnis und wohlkalkulierte Form (Ein Vorspiel und vier Aufzüge und viele Wagner-Zitate) besticht. Thea Dorn - die sich hinter ihrem Pseudonym verbirgt - weiß in diesem Buch Kunst und Menschen in eine Art Spiegelkabinett zu versetzen, um die Abläufe zu beobachten und ungewöhnliche Schlüsse daraus zu ziehen. Plötzlich gewinnt nicht nur der Titel "Ringkampf" eine doppelte Bedeutung, und der Leser fragt: Alles nur Theater? ADOLF FINK
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