In Gerd Gigerenzers (GG) Risiko Buch waren für mich die Seiten 209-2287 (deutsche Ausgabe Bertelsmann) die besten. Sie sollten in jeder Arztpraxis ausliegen. In diesen geht es um die richtige Bewertung von medizinischen Testergebnissen und den Nutzen von sogenannten Vorsorge-Programmen. Für den
Patienten wie den unkundigen Arzt (der laut GG der Regelfall zu sein scheint) ist die graphische…mehrIn Gerd Gigerenzers (GG) Risiko Buch waren für mich die Seiten 209-2287 (deutsche Ausgabe Bertelsmann) die besten. Sie sollten in jeder Arztpraxis ausliegen. In diesen geht es um die richtige Bewertung von medizinischen Testergebnissen und den Nutzen von sogenannten Vorsorge-Programmen. Für den Patienten wie den unkundigen Arzt (der laut GG der Regelfall zu sein scheint) ist die graphische Darstellung der vier relevanten Gruppen, falsch positiv bzw. negativ und richtig positiv bzw. negativ (siehe Seite 225 oder 231) ganz gewiß hilfreich. Natürlich hängt die Wahrscheinlichkeit p, tatsächlich krank zu sein, wenn positiv getestet wurde, von mehreren Faktoren ab. Der wichtigste Faktor ist die Prävalenz (Anzahl der Erkrankungen pro Bevölkerung). Dieser ist in etwa proportional zu p, das heißt, je höher die Prävalenz, desto sicherer ist das Testergebnis. Unter den gegebenen Verhältnissen (geringe Prävalenz, hohe Sensitivität und vergleichsweise niedrige Zahl an falsch positiven Ergebnissen) kann folgende Faustformel nützlich sein:
p(krank|positiv) ≈ Prävalenz*Sensitivität/falsch-positive Rate. Aber Vorsicht: Es handelt sich um Wahrscheinlichkeiten. Der individuelle Fall mag ganz anders liegen, in den Bereich des Unwahrscheinlichen fallen. Deshalb ist die Rechnerei nur eine Entscheidungshilfe, aber keine Entscheidung, ob weiteren Maßnahmen bei positivem Befund zugestimmt werden soll. Das betont auch GG an mehreren Stellen.
Von diesen Spitzfindigkeiten abgesehen, ist die von GG geleistete Aufklärung über die Ahnungslosigkeit so vieler Ärzte von sehr großem Wert. Sie bestätigt meine eigenen Erfahrungen. Ob GG, wie vom Autor suggeriert, der erste ist, der das herausgefunden hat, kann ich nicht beurteilen, es würde mich aber wundern, angesichts der Bedeutung der Angelegenheit.
Die anderen Teile des Buchs fand ich weniger wichtig. Entscheidungen können intuitiv oder auf Grund von Informationen gefällt werden; wenn Informationen vorhanden sind, würde ich diese der Intuition vorziehen, die Frage ist aber, in welcher Weise und welcher Gewichtung. Dieses Dilemma löst auch GGs Buch nicht. Das Problem der falschen Entscheidung ist im Übrigen zumeist dem Mangel an Bildung, Erfahrung, Intelligenz und Unbestechlichkeit geschuldet. Das trifft auf alle Entscheidungsträger zu, in Wirtschaft, Politik oder Vereinen. An den Entscheidungen der Dirigenten sind, so vermute ich, deren Erziehung, Interessenlage, Glaubensrichtung, Tradition und Parteizugehörigkeit beteiligt. Unvoreingenommenheit und Verstand wohl eher nicht. Beide würden den Entscheidungen gut tun.
Gleich zu Anfang bringt GG übrigens das Problem mit der Regenwahrscheinlichkeit. Was bedeutet es, wenn der Wetterbericht eine dreißig Prozentige Regenwahrscheinlichkeit vorhersagt? GGs Interpretation halte ich nicht für erhellend. Wie ist es mit dieser: Die Wetterfrösche starten ihre Simulationen mit jeweils etwas verschiedenen Ausgangsdaten, die die Unsicherheit der Meßdaten wiedergeben. Sie erhalten dann verschiedene Resultate für den jeweiligen Vorhersagezeitraum: in drei von zehn Fällen signalisieren die Simulationen das Ereignis "Regen".