"Kindheit" gilt als ein besonderer Lebensabschnitt, der vom gesellschaftlich herrschenden Handlungsdruck befreit ist. Dieser Schutz- und Schonraum soll der allmählichen Vorbereitung auf ein sozial integriertes Leben dienen. Kindern ausreichend Zeit zu lassen, um zu einer Persönlichkeit zu reifen, geschieht in der Erwartung, dass sie in dieser Zeit die bürgerlichen Werte verinnerlichen, so dass die Gesellschaft ohne großen Aufwand an sozialer Kontrolle auskommt. Kindergärten, Schulen sowie alle anderen sozialen und pädagogischen Institutionen bieten in der Realität nur bedingt Freiräume. Vor…mehr
"Kindheit" gilt als ein besonderer Lebensabschnitt, der vom gesellschaftlich herrschenden Handlungsdruck befreit ist. Dieser Schutz- und Schonraum soll der allmählichen Vorbereitung auf ein sozial integriertes Leben dienen. Kindern ausreichend Zeit zu lassen, um zu einer Persönlichkeit zu reifen, geschieht in der Erwartung, dass sie in dieser Zeit die bürgerlichen Werte verinnerlichen, so dass die Gesellschaft ohne großen Aufwand an sozialer Kontrolle auskommt. Kindergärten, Schulen sowie alle anderen sozialen und pädagogischen Institutionen bieten in der Realität nur bedingt Freiräume. Vor allem die Schule soll ein Arbeiten lehren, das alles Spielerische hinter sich lässt.Kindheits- und Jugendforscher sind sich weitgehend einig, dass der Schutz- und Schonraum heutzutage bedroht ist. "Kindheit" verschwindet auf breiter Front, indem sich die Lebenswelt von Kindern immer mehr der Lebenswelt von Erwachsenen angleicht. Damit einher geht ein enormer Anstieg der gesundheitlichen, körperlichen und psychischen Belastungen von Kindern und Jugendlichen. Von zunehmenden Allergien bis zu zunehmenden Angststörungen und Depressionen reicht die alarmierende Bestandsaufnahme heutiger "Kinderkrankheiten". Die gesellschaftlichen Anpassungsleistungen überfordern die heutigen Kindern und Jugendlichen. Sie reagieren darauf gesteigerter Gewaltbereitschaft oder selbstdestruktivem Drogenkonsum. Experten bemühen sich, die Risikofaktoren der modernen Lebensbedingungen zu verringern - kurativ, besser noch aber präventiv. So geraten Kinder und Jugendliche heute mehr den jemals zuvor in den Einflussbereich professionellen Handelns: von Erziehern, Lehrern, Sozialarbeitern, Therapeuten. Die Beiträge dieses Buches lassen sich als multiprofessionelle Momentaufnahmen aus einer Erwachsenenwelt und deren Institutionen lesen, die, soll Kinderfreundlichkeit mehr als ein Lippenbekenntnis sein, immer auch ihre eigenen Selbstverständlichkeiten in Frage stellen muss.
Körner, Jürgen Prof. Dr. Jürgen Körner, Diplom-Psychologe, Psychoanalytiker (DPG, DGPT, IPA), war von 1987 bis 2009 Professor am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der FU Berlin, von 1995 bis 2001 Vorsitzender der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft. Er ist Gründungspräsident der International Psychoanalytic University Berlin und Herausgeber der Zeitschrift »Forum der Psychoanalyse«. Geforscht und veröffentlicht hat er zu diesen Themen: Theorie und Methode der Psychoanalyse, Psychoanalytische Sozialpädagogik, Jugendliche Delinquenz, Mensch-Tier-Beziehung. Er ist Autor des Buches »Bruder Hund und Schwester Katze. Tierliebe - die Sehnsucht des Menschen nach der Natur« (Kiepenheuer und Witsch, Köln, 1996).
Liebsch, Katharina Prof. Dr. phil. Katharina Liebsch ist Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt für Familien- und Jugendsoziologie an der Universität Frankfurt/Main.
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