Im Sommer 1908 stießen Archäologen der Deutschen Orient-Gesellschaft auf die Reste eines Wohnhauses, das beim Fall Assurs im Jahr 614 v. Chr. zerstört worden war. Über Generationen hinweg hatte es Heilern gehört, die am Assur-Tempel tätig waren und für das Wohlergehen des assyrischen Königs sorgten, wenn dieser in Assur weilte. In einer Art Fachbibliothek hatten sie Werke und Schriften zusammengetragen, die sie für die Ausübung ihres Berufes benötigten. Die von Stefan M. Maul und Rita Strauß im vierten Band der "Keilschrifttexte aus Assur literarischen Inhalts" (KAL 4) vorgelegten Texte stammen vorwiegend aus dem sogenannten „Haus des Beschwörungspriesters“. Im Mittelpunkt stehen die bislang unveröffentlicht gebliebenen Beschreibungen von „Löseritualen“ ("namburbi"), mit deren Hilfe ein durch Vorzeichen angekündigtes Unheil abgewendet werden sollte, noch bevor es spürbare Gestalt angenommen hatte. Zudem werden weitere Beschreibungen von Ritualen und Therapien zur Abwehr von Unheil, Krankheit und Bösem sowie eine kleine Gruppe akkadischer „Handerhebungsgebete“ erstmals zugänglich gemacht.