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Wie in seinem 2008 erschienenen Band "Nothelfer" spielt Bodo Hell auch hier mit den Ikonographien christlicher Märtyrer und Heiliger, vor allem aber mit dem, was sich an Legende und Wissen, an Fakten und Fiktionen rund um sie angelagert hat. Die Kleiderordnung der Muttergottes, die Christmette, die Formen und Klänge der Glocken (Kirche- und Kuh-), Abseitiges und Wissenswertes dazu aus Kunstgeschichte und Brauchtum - all das und mehr speist Bodo Hell seiner unverwechselbaren Dichtungsmaschine ein und wird damit, wie Ernst Jandl über ihn sagte, »mein Lesetempo verlangsamen, nicht die Tätigkeit…mehr

Produktbeschreibung
Wie in seinem 2008 erschienenen Band "Nothelfer" spielt Bodo Hell auch hier mit den Ikonographien christlicher Märtyrer und Heiliger, vor allem aber mit dem, was sich an Legende und Wissen, an Fakten und Fiktionen rund um sie angelagert hat. Die Kleiderordnung der Muttergottes, die Christmette, die Formen und Klänge der Glocken (Kirche- und Kuh-), Abseitiges und Wissenswertes dazu aus Kunstgeschichte und Brauchtum - all das und mehr speist Bodo Hell seiner unverwechselbaren Dichtungsmaschine ein und wird damit, wie Ernst Jandl über ihn sagte, »mein Lesetempo verlangsamen, nicht die Tätigkeit meines Gehirns«.Es sind erwartungsgemäß überaus komische - manchmal bizarre und groteske - Details, die da über die verschiedenen Annen, Liesln, Florians, Helenas, Valentins und Ritas zur Sprache kommen, und zwar in der ungemein energetischen Sprache Bodo Hells; er bedient sich dabei unterschiedlicher zeitgemäßer Formen, deren Wurzeln er manchmal schon in kirchlichen Sprechritualen entdeckt (Aufzählungen, Reihungen, Variationen), und immer verpackt er darin eine maximale Wissensfülle aus allen möglichen Kultur- und auch Naturbereichen. Selten ist traditionelles Wissen (und Scheinwissen), Anschauung von Hör- und Sichtbarem, Überlieferung und Distanz so fröhlich und in so fein dosierter Ironie aufgehoben wie bei Bodo Hell!
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Hell, BodoBodo Hell, 1943 in Salzburg geboren, lebt in Wien und am steirischen Dachstein, wo er eine Almwirtschaft betreut. Für sein schriftstellerisches Werk - Prosa, Theater, Texte zu Fotos, Film, Musik und bildender Kunst - erhielt er u.a. den Rauriser Literaturpreis 1972, den Erich Fried Preis 1991, den Preis der Literaturhäuser 2003, den Telekom Austria Preis in Klagenfurt 2006.Bei Droschl lieferbar: "Larven Schemen Phantome" (mit Friederike Mayröcker), 1986; "666". Erzählungen, 1987; "die wirklichen Möglichkeiten" (mit Ernst Jandl, 2 Reden), 1992; "mittendrin" (mit Bildern von Hil de Gard), 1994; "Tracht : Pflicht", Lese- und Sprechtexte (2003), "Nothelfer", 2008; "Bodo Hell Omnibus" (exemplarische Texte plus Kommentare), 2013.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.03.2017

Bodo Hell sucht das Wundersame

Wir dürfen uns Bodo Hell als einen bodenständigen Menschen denken. Im Sommer arbeitet er als Senner auf einer Alm im Dachsteingebiet, erweist sich als Kenner der Volkskultur und ist vertraut mit den Gebräuchen der Älpler. Er verhält sich dazu nicht so konservativ, dass er diese Erscheinungen, die aus den Tiefen der Zeit und dem Innersten einer Gemeinschaft kommen, einfrieren möchte, auf dass sie unveränderbar die Zeiten überstehen mögen. Und schon gar nichts hat er mit volkstümelnder Verlogenheit einer endlosen Schönwetterwelt am Hut. Er kommt von der experimentellen Literatur: Friederike Mayröcker, Ernst Jandl und die österreichische Literatur, die aufs Erzählen pfeift, weil die Sprache selbst so viel Rätselhaftes aufgibt, stehen ihm nahe. Seine jüngste Veröffentlichung sollen wir als Sachbuch nehmen, so vollgespickt mit Informationen präsentiert es sich, arbeitet aber mit Mitteln einer Literatur, für die Eindeutiges ein Greuel ist.

Heiligenfiguren, Ausprägungen des Übergroßen, nimmt sich Hell vor. Deren Lebensgeschichten füllen den Raum zwischen historischer Nachweisbarkeit und kühner Erfindung. Heilige sind keine Menschen, denen auf Augenhöhe zu begegnen ist. Sie waren einmal durchschnittliche Gestalten, bis sie den christlichen Glauben so ernst nahmen, dass sie für ihn siegesgewiss ihr Leben hingaben. Ein besseres Leben erwartete sie nach ihrem Treiben auf der Erde, und dafür lohnte es sich, Qualen zu ertragen, ja sie gar als Gnade zu empfinden.

Weil nichts sicher ist und Lebensläufe sich im Ungefähren verlieren, schwören sich ständig wandelnde Zeiten ihre jeweiligen Zeitgenossen auf die Religionshelden neu ein. Das ist ganz im Sinn des Bodo Hell, der sie zum Spielmaterial von neunzehn Erzähleinheiten nimmt, wo ihre Wandlungsfähigkeit auch in Sprache und Form noch einmal richtig ausgestellt wird.

Was früher einmal allgemeines Gut war, die Eigenart einer Cäcilia Romana oder einer heiligen Elisabeth benennen zu können, ist heute als kollektiver Schatz nicht mehr greifbar. Hell holt die Legenden aus der Vergessenheit zurück und nimmt sie zum Material literarischer Ausschweifungen. Das macht er schon deshalb gerne, weil er die Identität kraft der Sprache und der Form aufzulösen vermag. Das scheint Hell ein notwendiges Verfahren, weil die Angaben zu ein und derselben Person widersprüchlich sind. Oft ist gar nicht zu benennen, von wem tatsächlich die Rede ist, so unterschiedlich sind die Zuschreibungen, die eine Heiligenfigur betreffen. Helena zum Beispiel. Einmal ist sie "die aus dem SchwanenEi geborene Tochter des Zeus und der Leda", dann eine "Stallmagd aus dem französischen Südwesten" oder eine "Wegbereiterin des Christentums".

Heiligen kommt die Eigenschaft zu, im Bund mit dem Göttlichen zu stehen. Das nimmt sie aus dem Spiel, Gesetzen der Wahrscheinlichkeit und Plausibilität gehorchen zu müssen. Das Wundersame ist ein Wert an sich, Bodo Hell verleiht ihm eine Sprache, der Verzücken und Skepsis gleichermaßen eingeschrieben sind. Es wird sichtbar, wie einem Leben die wunderbare Legendenvermehrung entwächst. Und das ist das Stammgebiet der Sprache, auf dem Bodo Hell so lustvoll wandelt.

ANTON THUSWALDNER.

Bodo Hell: "Ritus und Rita". Verlag Droschl, Graz 2017. 120 S., br., 18,- [Euro].

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»Bodo Hell nimmt Heiligenfiguren zum Spielmaterial von neunzehn Erzähleinheiten, wo ihre Wandlungsfähigkeit auch in Sprache und Form noch einmal richtig ausgestellt wird.« (Anton Thuswaldner, FAZ) »Hell gräbt nach den Wurzeln unserer Kultur, mit einer Neugier, wie sie selten zu finden ist.« (Brigitte Schwens-Harrant, Die Furche)