- A collection of elegant and provocative images from one of the late twentieth century's master photographers - Eine Sammlung erstklassiger, wenngleich provozierender Bilder eines der Meisterfotografen des späten 20. Jahrhunderts Terry Richardson American photographer Terry Richardson has been called the 'magazine world's Marquis de Sade'. His photographs of friends and models in raucous abandon manage to achieve a delicate balance between the raw, spontaneous, and fun loving, and the poignant and very personal. Richardson began his career in 1990 with a series documenting New York's East Village underground scene and, since the mid 1990s, has been working predominantly as a fashion photographer. His sizzling images have appeared in the pages of I-D, French Vogue and Harper's Bazaar as well as in campaigns for Gucci, Sisley and Armani Exchange. Books of Richardson's photographs include Too Much (2002), Feared by Men, Desired by Women (2001), Son of Bob (1999) and Hysteric Glamour (1996).
Der amerikanische Fotograf Terry Richardson gilt auch als der 'Marquis de Sade der Magazinwelt': Seine oft drastischen Fotos von Freunden und Models in hemmungslosen Posen verbinden Rauheit, Spontaneität und Spaß mit einer prägnanten und sehr persönlichen Note. Richardson begann seine Karriere 1990 mit Aufnahmen aus der Underground-Szene von New Yorks East Village und arbeitet seit Mitte der 90er vorwiegend als Modefotograf. Seine spannungsgeladenen Bilder sind in I-D, French Vogue und Harper's Bazaar sowie in Werbekampagnen für Gucci, Sisley und Armani Exchange erschienen. Zu seinen Einzelpublikationen zählen Too Much (2002), Feared by Men, Desired by Women (2001), Son of Bob (1999) und Hysteric Glamour (1996).
Size: 27 x 36 cm / 10 x 14 in.
96 pp., Softcover c. 80 color photographs Text in English and German € 15 (D, A) other countries € 20 $ 22.95 £ 12.50 Can.$ 33.95 SFR 27.40 January 2004 ISBN
Der amerikanische Fotograf Terry Richardson gilt auch als der 'Marquis de Sade der Magazinwelt': Seine oft drastischen Fotos von Freunden und Models in hemmungslosen Posen verbinden Rauheit, Spontaneität und Spaß mit einer prägnanten und sehr persönlichen Note. Richardson begann seine Karriere 1990 mit Aufnahmen aus der Underground-Szene von New Yorks East Village und arbeitet seit Mitte der 90er vorwiegend als Modefotograf. Seine spannungsgeladenen Bilder sind in I-D, French Vogue und Harper's Bazaar sowie in Werbekampagnen für Gucci, Sisley und Armani Exchange erschienen. Zu seinen Einzelpublikationen zählen Too Much (2002), Feared by Men, Desired by Women (2001), Son of Bob (1999) und Hysteric Glamour (1996).
Size: 27 x 36 cm / 10 x 14 in.
96 pp., Softcover c. 80 color photographs Text in English and German € 15 (D, A) other countries € 20 $ 22.95 £ 12.50 Can.$ 33.95 SFR 27.40 January 2004 ISBN
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.1997Requiem für einen Affen
Der Fotograf ohne Dunkelkammer: Robert Mapplethorpes Biographie · Von Hans Scherer
Es war einmal ein braver kleiner Junge aus der Siedlung "Floral Park" in Queens. Er entstammte einer strenggläubigen katholischen Kleinbürgerfamilie, die nie Kunstausstellungen besuchte, nie Kunstzeitschriften oder den Kulturteil von Zeitungen las. Er wollte seinem älteren Bruder Richard nacheifern, dem Liebling seines Vaters und dem Schwarm aller Mädchen in Floral Park, vor allem wollte er seinem Vater gefallen und wenigstens einmal von ihm gelobt werden. Es gelang ihm nie. Wie Richard besuchte er das Pratt Institute, ein traditionalistisch ausgerichtetes College, auf dem er eine ziemlich brutale Grundausbildung als Offiziersanwärter absolvierte, die ihn an den Rand der Erschöpfung trieb.
Es wurde dennoch nichts aus seiner Laufbahn. Besser gelangen ihm Bleistift- und Buntstift-Zeichnungen von "kubistischen" Madonnen, wie er sie nannte, die er dem Pfarrer und einigen Mädchen zeigte, die mit den Bildchen allerdings auch nichts anzufangen wußten. Eines Tages entdeckte er in einem Laden am Times Square einen Schwulenporno und war von den Bildern elektrisiert. Später hat er die Geschichte in Hunderten von Variationen erzählt: "Ich hatte dieses Gefühl im Bauch, es ist nicht direkt sexuell, es ist etwas viel Stärkeres. Ich dachte, wenn ich dieses Element irgendwie in die Kunst einbringen und mir dieses Gefühl erhalten könnte, würde ich etwas Einzigartiges und Unverwechselbares tun."
Damals war Robert Mapplethorpe noch keine achtzehn Jahre alt. Und weil das Heftchen in Zellophan eingeschweißt war und er kein Geld hatte, konnte er sich weder die Bilder in Ruhe ansehen noch das Heftchen kaufen. So endet auch diese Episode wie beinahe alle Geschichten Mapplethorpes: als Satyrspiel. Kurz darauf beobachtete er einen blinden Verkäufer von Pornoheftchen, um herauszufinden, ob er wirklich blind sei. Er war blind. Mapplethorpe stahl ihm ein Heftchen. Als er ein paar Tage später das Manöver wiederholen wollte, hatte der Blinde Aufpasser bestellt, die Mapplethorpe prompt erwischten. Aus Angst, nun würden seine Eltern von seinem homosexuellen Abenteuer erfahren, gelobte er sich, von nun an ein normales Leben zu führen. Aber auch daraus wurde nichts.
Gegen den Willen seines Vaters hatte er beschlossen, sich an der Kunstschule des Pratt Institutes einzuschreiben. Der Vater zwang ihn jedoch, die Fächer Grafik und Design zu belegen, damit er wenigstens etwas Nützliches lerne. Das Studium war nicht sehr glanzvoll. Mapplethorpe wollte Künstler werden, nicht Werbegrafiker. Um endlich aus Floral Park herauszukommen, hatte er sich in einer Wohngemeinschaft in Manhattan eingemietet, die er mehrmals wechselte, bis er endlich eine Wohnung für sich allein hatte. Zuerst wohnte er mit einem zahmen Affen, Scratch, zusammen, den er vergötterte, bis er plötzlich die Lust an ihm verlor und vergaß, dem Affen Futter zu geben. Den toten Affen vergötterte er noch mehr.
Als es darum ging, für das Natur- und Kunstseminar ein Musikinstrument aus einem Knochen herzustellen, montierte er aus dem abgekochten Affenschädel ein Musikinstrument, für das er die erste Belobigung überhaupt erhielt. Bekannte von damals behaupten immer noch, seine späteren Totenschädel-Fotos seien in Wirklichkeit Bilder vom Schädel des Affen. Von Fotokunst wollte er damals noch nichts wissen. Sein Leben lang verachtete er Fotografen. Mapplethorpe, den man den besten, zumindest den berühmtesten und teuersten Fotografen seiner Zeit genannt hat, war stolz darauf, nie eine Dunkelkammer betreten zu haben.
Im Sommer 1966, Mapplethorpe war dreiundzwanzig Jahre alt, nahm er seinen ersten LSD-Trip. Längst hatte er das Kunststudium abgebrochen, längst hatte er Erfahrungen mit den meisten Drogen der Welt hinter sich. Unbeirrt hielt er fest an dem Ziel, Künstler zu werden. Sein Vorbild war Andy Warhol, zu dem er allerdings erst am Ende seines Lebens vordringen konnte - sie fotografierten sich gegenseitig und verachteten einander. Noch immer hielt er seine Homosexualität geheim. Er "machte" Kunst, Collagen, selbst seine nie gewaschenen T-Shirts verwendete er, zwischendurch ein Polaroid-Bildchen. Gekauft hat die Collagen nie einer. Er wurde immer melancholischer, bis er im Frühjahr 1967 die Dichterin und spätere Rocksängerin Patti Smith traf, die dauerhafteste Freundschaft seines Lebens.
Bald zogen sie zusammen. Beide waren gestrandet, beide hatten große Ziele. Sie gab ihm Kraft, er stärkte ihr Selbstbewußtsein. Jetzt "machten" sie gemeinsam Kunst, vor allem durchstreiften sie die Jet-set-Bars von New York, um Förderer und Sponsoren zu suchen. Als Mapplethorpe ihr seine homosexuellen Neigungen gestand, kam es zunächst zum Bruch ihrer Beziehung, der jedoch bald wieder gekittet wurde. Immer wieder floh sie mit diesem oder jenem "schönen" Mann, immer wieder kehrte sie zu ihm zurück. Ihr Leben lang unterstützten sie, wie sie es einst geschworen hatten, des anderen Karriere.
Mapplethorpes Durchbruch kam erst mit seiner Bekanntschaft mit dem schon fünfzig Jahre alten Sam Wagstaff. Obwohl Mapplethorpe ihn auf Distanz hielt, wurde Wagstaff sein Beschützer, fast kann man sagen, sein Schutzheiliger. Wagstaff war reich, gebildet und hatte gerade seine Stellung als Kurator am Detroiter Institute of Art gekündigt, jetzt suchte er einen jungen Mann, den er verwöhnen konnte. Es war zuerst eine große Liebe. Mapplethorpe brauchte sich keine Sorgen mehr zu machen, wie er die Miete bezahlen sollte. Wagstaff verführte ihn zur Fotografie, wie Mapplethorpe seinerseits Wagstaff zu Fotografie verführte: Er wurde der erste große Sammler aller Arten von Fotografie und zum geschätzten Kenner dieses Mediums.
Alle späteren Ausstellungen Mapplethorpes in Museen und Galerien, vor allem in Europa, wo seine Bilder mehr Beachtung fanden als in Amerika, gehen auf die glänzenden Museumsverbindungen Wagstaffs zurück. Privat dauerte ihre Liebe kaum länger als ein Jahr. Mapplethorpe befand sich im Taumel seiner Sado-Maso-Phase, und Wagstaff, der inzwischen einen anderen jungen Mann verwöhnte, sah diese Entwicklung mit Sorge. In seinem Testament vermachte er Mapplethorpe drei Viertel seines Vermögens, mehrere Millionen Dollar. Vorher hatte er ihm schon eine Wohnung für fünfhunderttausend Dollar geschenkt, doch Mapplethorpe stritt ab, daß Wagstaff jemals Einfluß auf seine Kunst gehabt habe.
Mapplethorpes Fotos, wo immer sie gezeigt wurden, erregten Skandale. Zum ersten Mal in der Kunstgeschichte diskutierte man über Fotos. Die Preise für ein Einzelbild kletterten von zweihundert auf bis zu 15 000 Dollar; nachdem sich herausgestellt hatte, daß Mapplethorpe an Aids erkrankt war, erreichten die Preise schwindelnde Höhen. Die Bilder wurden so rasch abgezogen wie in einer Posterfabrik. Dem geldgierigen Künstler war es recht. Warum wurde über die nackten Männer eines Bruce Weber oder eines Peter Hujar nie diskutiert? Warum erregten sie keine Skandale?
Das Geheimnis von Mapplethorpes Fotos besteht darin, daß er keine Bilder zum Vergnügen gemacht hat. Seine Bilder sind eine Zumutung, eine Herausforderung. Den sogenannten guten Geschmack ersetzte er durch Authentizität, weil die Wahrheit kein schlechter Geschmack sein kann. Mapplethorpe verachtete bis zu seinem Ende die Fotografie. Denn er verstand sich als Künstler, nicht als Fotograf. Er hat keine Werbebilder gemacht und keine Pin-up-Fotos. Auf Bitten von Museumsdirektoren, die wenigstens eine vorzeigbare Abteilung in ihrer Ausstellung haben wollten, hat er Blumenbilder und Frauenporträts geschaffen, aber er ließ keinen Zweifel daran, daß ihn derlei nicht interessierte. Zwar hat er nie eine Dunkelkammer betreten, aber er wußte sehr genau, wie man technisch mit Fotos umgeht. Das perlende Licht auf schwarzer Haut war einer der Hauptgründe für seine Bilder von Schwarzen. Einen Liebhaber von Schwarzen, der in Mapplethorpe einen Gleichgesinnten sah und der ihm lyrische Gesänge über die Schönheit der Schwarzen vortrug, ernüchterte er mit der Frage: "Und was sagen Sie über den strengen Geruch ihrer Achselhöhlen?"
Patricia Morrisroe, die Autorin der Biographie, weiß alles über Mapplethorpe. Sie hat mehrere Male mit ihm selbst gesprochen und eine Hundertschaft seiner ehemaligen Freunde und Bekannten befragt. Aber sie liebt ihn nicht. Sie hält ihn vorsichtig aus ihrem Leben heraus, so daß der Leser am Ende Mitleid mit dem einsamen, immer Liebe suchenden Mapplethorpe empfindet. Nicht einmal Patti Smith war bei seinem Tod dabei; sie war inzwischen verheiratet und Mutter zweier Kinder; sie konnte sich nicht auch noch um Mapplethorpe kümmern. Im Leben des Künstlers gibt es viele Parallelen zum Leben Pasolinis. Abends tauchte er auf Parties auf wie ein Geist, aber er ließ sich dort nur sehen. Dann zog es ihn in seine Leder-Bars, wo er die Besucher, vor allem die Schwarzen, absichtlich beleidigte. Entsprechend wurde er behandelt.
Er starb, von bezahlten Pflegern und mehr oder weniger oberflächlichen Bekannten umgeben, im Grunde so einsam, wie er gelebt hatte. Aus dem braven Jungen war ein böser Junge geworden, der auf dem Sterbebett noch davor zitterte, seine Eltern könnten etwas über seine Homosexualität erfahren. Er starb am 9. März 1989 im Alter von dreiundvierzig Jahren und wurde in Floral Park begraben. Auf Wunsch seines Vaters steht auf dem Grabstein kein Name.
Patricia Morrisroe: "Robert Mapplethorpe". Eine Biographie. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Pociao und Peter Hiess. Gina Kehayoff Verlag, München 1996. 447 S., 60 Abb., geb., 68,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Fotograf ohne Dunkelkammer: Robert Mapplethorpes Biographie · Von Hans Scherer
Es war einmal ein braver kleiner Junge aus der Siedlung "Floral Park" in Queens. Er entstammte einer strenggläubigen katholischen Kleinbürgerfamilie, die nie Kunstausstellungen besuchte, nie Kunstzeitschriften oder den Kulturteil von Zeitungen las. Er wollte seinem älteren Bruder Richard nacheifern, dem Liebling seines Vaters und dem Schwarm aller Mädchen in Floral Park, vor allem wollte er seinem Vater gefallen und wenigstens einmal von ihm gelobt werden. Es gelang ihm nie. Wie Richard besuchte er das Pratt Institute, ein traditionalistisch ausgerichtetes College, auf dem er eine ziemlich brutale Grundausbildung als Offiziersanwärter absolvierte, die ihn an den Rand der Erschöpfung trieb.
Es wurde dennoch nichts aus seiner Laufbahn. Besser gelangen ihm Bleistift- und Buntstift-Zeichnungen von "kubistischen" Madonnen, wie er sie nannte, die er dem Pfarrer und einigen Mädchen zeigte, die mit den Bildchen allerdings auch nichts anzufangen wußten. Eines Tages entdeckte er in einem Laden am Times Square einen Schwulenporno und war von den Bildern elektrisiert. Später hat er die Geschichte in Hunderten von Variationen erzählt: "Ich hatte dieses Gefühl im Bauch, es ist nicht direkt sexuell, es ist etwas viel Stärkeres. Ich dachte, wenn ich dieses Element irgendwie in die Kunst einbringen und mir dieses Gefühl erhalten könnte, würde ich etwas Einzigartiges und Unverwechselbares tun."
Damals war Robert Mapplethorpe noch keine achtzehn Jahre alt. Und weil das Heftchen in Zellophan eingeschweißt war und er kein Geld hatte, konnte er sich weder die Bilder in Ruhe ansehen noch das Heftchen kaufen. So endet auch diese Episode wie beinahe alle Geschichten Mapplethorpes: als Satyrspiel. Kurz darauf beobachtete er einen blinden Verkäufer von Pornoheftchen, um herauszufinden, ob er wirklich blind sei. Er war blind. Mapplethorpe stahl ihm ein Heftchen. Als er ein paar Tage später das Manöver wiederholen wollte, hatte der Blinde Aufpasser bestellt, die Mapplethorpe prompt erwischten. Aus Angst, nun würden seine Eltern von seinem homosexuellen Abenteuer erfahren, gelobte er sich, von nun an ein normales Leben zu führen. Aber auch daraus wurde nichts.
Gegen den Willen seines Vaters hatte er beschlossen, sich an der Kunstschule des Pratt Institutes einzuschreiben. Der Vater zwang ihn jedoch, die Fächer Grafik und Design zu belegen, damit er wenigstens etwas Nützliches lerne. Das Studium war nicht sehr glanzvoll. Mapplethorpe wollte Künstler werden, nicht Werbegrafiker. Um endlich aus Floral Park herauszukommen, hatte er sich in einer Wohngemeinschaft in Manhattan eingemietet, die er mehrmals wechselte, bis er endlich eine Wohnung für sich allein hatte. Zuerst wohnte er mit einem zahmen Affen, Scratch, zusammen, den er vergötterte, bis er plötzlich die Lust an ihm verlor und vergaß, dem Affen Futter zu geben. Den toten Affen vergötterte er noch mehr.
Als es darum ging, für das Natur- und Kunstseminar ein Musikinstrument aus einem Knochen herzustellen, montierte er aus dem abgekochten Affenschädel ein Musikinstrument, für das er die erste Belobigung überhaupt erhielt. Bekannte von damals behaupten immer noch, seine späteren Totenschädel-Fotos seien in Wirklichkeit Bilder vom Schädel des Affen. Von Fotokunst wollte er damals noch nichts wissen. Sein Leben lang verachtete er Fotografen. Mapplethorpe, den man den besten, zumindest den berühmtesten und teuersten Fotografen seiner Zeit genannt hat, war stolz darauf, nie eine Dunkelkammer betreten zu haben.
Im Sommer 1966, Mapplethorpe war dreiundzwanzig Jahre alt, nahm er seinen ersten LSD-Trip. Längst hatte er das Kunststudium abgebrochen, längst hatte er Erfahrungen mit den meisten Drogen der Welt hinter sich. Unbeirrt hielt er fest an dem Ziel, Künstler zu werden. Sein Vorbild war Andy Warhol, zu dem er allerdings erst am Ende seines Lebens vordringen konnte - sie fotografierten sich gegenseitig und verachteten einander. Noch immer hielt er seine Homosexualität geheim. Er "machte" Kunst, Collagen, selbst seine nie gewaschenen T-Shirts verwendete er, zwischendurch ein Polaroid-Bildchen. Gekauft hat die Collagen nie einer. Er wurde immer melancholischer, bis er im Frühjahr 1967 die Dichterin und spätere Rocksängerin Patti Smith traf, die dauerhafteste Freundschaft seines Lebens.
Bald zogen sie zusammen. Beide waren gestrandet, beide hatten große Ziele. Sie gab ihm Kraft, er stärkte ihr Selbstbewußtsein. Jetzt "machten" sie gemeinsam Kunst, vor allem durchstreiften sie die Jet-set-Bars von New York, um Förderer und Sponsoren zu suchen. Als Mapplethorpe ihr seine homosexuellen Neigungen gestand, kam es zunächst zum Bruch ihrer Beziehung, der jedoch bald wieder gekittet wurde. Immer wieder floh sie mit diesem oder jenem "schönen" Mann, immer wieder kehrte sie zu ihm zurück. Ihr Leben lang unterstützten sie, wie sie es einst geschworen hatten, des anderen Karriere.
Mapplethorpes Durchbruch kam erst mit seiner Bekanntschaft mit dem schon fünfzig Jahre alten Sam Wagstaff. Obwohl Mapplethorpe ihn auf Distanz hielt, wurde Wagstaff sein Beschützer, fast kann man sagen, sein Schutzheiliger. Wagstaff war reich, gebildet und hatte gerade seine Stellung als Kurator am Detroiter Institute of Art gekündigt, jetzt suchte er einen jungen Mann, den er verwöhnen konnte. Es war zuerst eine große Liebe. Mapplethorpe brauchte sich keine Sorgen mehr zu machen, wie er die Miete bezahlen sollte. Wagstaff verführte ihn zur Fotografie, wie Mapplethorpe seinerseits Wagstaff zu Fotografie verführte: Er wurde der erste große Sammler aller Arten von Fotografie und zum geschätzten Kenner dieses Mediums.
Alle späteren Ausstellungen Mapplethorpes in Museen und Galerien, vor allem in Europa, wo seine Bilder mehr Beachtung fanden als in Amerika, gehen auf die glänzenden Museumsverbindungen Wagstaffs zurück. Privat dauerte ihre Liebe kaum länger als ein Jahr. Mapplethorpe befand sich im Taumel seiner Sado-Maso-Phase, und Wagstaff, der inzwischen einen anderen jungen Mann verwöhnte, sah diese Entwicklung mit Sorge. In seinem Testament vermachte er Mapplethorpe drei Viertel seines Vermögens, mehrere Millionen Dollar. Vorher hatte er ihm schon eine Wohnung für fünfhunderttausend Dollar geschenkt, doch Mapplethorpe stritt ab, daß Wagstaff jemals Einfluß auf seine Kunst gehabt habe.
Mapplethorpes Fotos, wo immer sie gezeigt wurden, erregten Skandale. Zum ersten Mal in der Kunstgeschichte diskutierte man über Fotos. Die Preise für ein Einzelbild kletterten von zweihundert auf bis zu 15 000 Dollar; nachdem sich herausgestellt hatte, daß Mapplethorpe an Aids erkrankt war, erreichten die Preise schwindelnde Höhen. Die Bilder wurden so rasch abgezogen wie in einer Posterfabrik. Dem geldgierigen Künstler war es recht. Warum wurde über die nackten Männer eines Bruce Weber oder eines Peter Hujar nie diskutiert? Warum erregten sie keine Skandale?
Das Geheimnis von Mapplethorpes Fotos besteht darin, daß er keine Bilder zum Vergnügen gemacht hat. Seine Bilder sind eine Zumutung, eine Herausforderung. Den sogenannten guten Geschmack ersetzte er durch Authentizität, weil die Wahrheit kein schlechter Geschmack sein kann. Mapplethorpe verachtete bis zu seinem Ende die Fotografie. Denn er verstand sich als Künstler, nicht als Fotograf. Er hat keine Werbebilder gemacht und keine Pin-up-Fotos. Auf Bitten von Museumsdirektoren, die wenigstens eine vorzeigbare Abteilung in ihrer Ausstellung haben wollten, hat er Blumenbilder und Frauenporträts geschaffen, aber er ließ keinen Zweifel daran, daß ihn derlei nicht interessierte. Zwar hat er nie eine Dunkelkammer betreten, aber er wußte sehr genau, wie man technisch mit Fotos umgeht. Das perlende Licht auf schwarzer Haut war einer der Hauptgründe für seine Bilder von Schwarzen. Einen Liebhaber von Schwarzen, der in Mapplethorpe einen Gleichgesinnten sah und der ihm lyrische Gesänge über die Schönheit der Schwarzen vortrug, ernüchterte er mit der Frage: "Und was sagen Sie über den strengen Geruch ihrer Achselhöhlen?"
Patricia Morrisroe, die Autorin der Biographie, weiß alles über Mapplethorpe. Sie hat mehrere Male mit ihm selbst gesprochen und eine Hundertschaft seiner ehemaligen Freunde und Bekannten befragt. Aber sie liebt ihn nicht. Sie hält ihn vorsichtig aus ihrem Leben heraus, so daß der Leser am Ende Mitleid mit dem einsamen, immer Liebe suchenden Mapplethorpe empfindet. Nicht einmal Patti Smith war bei seinem Tod dabei; sie war inzwischen verheiratet und Mutter zweier Kinder; sie konnte sich nicht auch noch um Mapplethorpe kümmern. Im Leben des Künstlers gibt es viele Parallelen zum Leben Pasolinis. Abends tauchte er auf Parties auf wie ein Geist, aber er ließ sich dort nur sehen. Dann zog es ihn in seine Leder-Bars, wo er die Besucher, vor allem die Schwarzen, absichtlich beleidigte. Entsprechend wurde er behandelt.
Er starb, von bezahlten Pflegern und mehr oder weniger oberflächlichen Bekannten umgeben, im Grunde so einsam, wie er gelebt hatte. Aus dem braven Jungen war ein böser Junge geworden, der auf dem Sterbebett noch davor zitterte, seine Eltern könnten etwas über seine Homosexualität erfahren. Er starb am 9. März 1989 im Alter von dreiundvierzig Jahren und wurde in Floral Park begraben. Auf Wunsch seines Vaters steht auf dem Grabstein kein Name.
Patricia Morrisroe: "Robert Mapplethorpe". Eine Biographie. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Pociao und Peter Hiess. Gina Kehayoff Verlag, München 1996. 447 S., 60 Abb., geb., 68,- DM.
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