Literarische Grenzerfahrung mit 4 Buchstaben
Ein Buch, das viel länger hätte sein dürfen, so phänomenal war diese wilde Geschichte. Für die Lektüre ist eine flexible Beziehung zur Realität förderlich. Ich persönlich habe ein Faible für extrovertiert Dämonen.
Phillip führt ein beschauliches,
wohlgeordnetes Leben, er hat seine Prinzipien und schätzt es nicht wenn sein Alltag durch…mehrLiterarische Grenzerfahrung mit 4 Buchstaben
Ein Buch, das viel länger hätte sein dürfen, so phänomenal war diese wilde Geschichte. Für die Lektüre ist eine flexible Beziehung zur Realität förderlich. Ich persönlich habe ein Faible für extrovertiert Dämonen.
Phillip führt ein beschauliches, wohlgeordnetes Leben, er hat seine Prinzipien und schätzt es nicht wenn sein Alltag durch Unwägbarkeiten aus dem Gleichgewicht gerät.
Nach einer schicksalhaften Nacht auf einem Festival treten zunächst Halluzinationen auf, dann zunehmende Anzeichen einer Geisteskrankheit. Doch zum Glück ist Phillip nicht verrückt geworden. Er ist lediglich von einem Dämon besessen! Spoiler: Er ist kein bisschen erleichtert. Wie man das schleimige Monster wieder los wird findet der junge Mann leider nicht rechtzeitig raus, Rolf übernimmt, genervt von Phillips ödem Leben, die Kontrolle über dieses. Mit verhängnisvollen Folgen für beide.
Ich muss zugeben, ich hatte befürchtet, das Buch könnte mir zu albern sein. Ich habe das Fremdschämen und Peinlichberührtsein quasi erfunden. Aber ich lese sehr, sehr, sehr viel und hab auch gern mal etwas Abwechslung und die hatte ich, ich hatte mehr Abwechslung als mir vor dem Schlafengehen lieb. Es ist eine literarische Grenzerfahrung, ein Wechselbad der Gefühle. Dabei ist die Geschichte mit einer Ernsthaftigkeit und Ungerührtheit geschildert, dass man nicht anders kann als jedes Wort für wahr zu nehmen.
Bereits auf den ersten Seiten merkt man, Andri Hinnen kann schreiben. Da ist ein Gespür für Worte, für rasante Dialoge und eine eine erstaunliche Fähigkeit, lebendige Figuren zu entwerfen. Der Autor hat es - in seinem Debütroman! - geschafft, von Charakteren zu erzählen die solche Deppen sind und gleichzeitig Helden und man hat sie einfach alle nur lieb in ihrer haarsträubenden Putzigkeit.
Ein bisschen derb sind die Schilderungen, ziemlich explizit was sexuelle Handlungen angeht (Dämonen halt), jede Zeile aber voller Humor und.. ja Liebe. Sympathie und Freundlichkeit, vor allem durch diese wunderbaren Protagonisten.
Was bedeutet "von einem Dämon besessen" oder "mit inneren Dämonen kämpfen"? Der Roman erzählt genau das auf eine mehr als anschauliche Art. Trotz allem Humor beschreibt Andri Hinnen eben ohne Albernheit und vor allem, ohne psychische Erkrankungen durch den Kakao zu ziehen, was es bedeutet, die Kontrolle über sein Leben zu verlieren und sich selbst in der Vergangenheit zu suchen und wiederzufinden.
"Rolf" lehrt uns, auch zu unseren Dämonen freundlich zu sein und in gegenseitigem Respekt zu koexistieren.