Sieben Jahre ist es her, dass Samuel Koch bei "Wetten, dass ..?!" verunglückte. Sieben Jahre, von denen er sagt: "Hätte ich von Anfang an gewusst, dass ich so lange fast vollständig gelähmt verbringen muss, ich wäre durchgedreht." Aber er stellt fest: "Ich habe auch viele Stunden erlebt, die schön und glücklich waren und die mir gezeigt haben, dass es sich öfter lohnt zu leben, als man denkt."Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich Samuel Koch mit scheinbar endloser Energie und unerschütterlichem Humor nun also rollend statt Saltos schlagend durchs Leben, absolviert ein Schauspielstudium "ohne Körper", lernt gefühlt die Hälfte der deutschen Bevölkerung kennen und erlebt dabei Überraschendes und Schockierendes, Absurdes und Seligmachendes."Ich habe jeden Tag Gründe zum Lachen, tiefgehende Gespräche, lohnende Herausforderungen. Ich bekomme und gebe hoffentlich viel Liebe. Den negativen Dingen, die ebenfalls täglich da sind, gestehe ich einfach nicht viel Wichtigkeit zu. Nicht zuletzt durch das Schauspielstudium habe ich gelernt, mich darauf zu konzentrieren: 'Was kann ich?' statt ständig zu fragen: 'Was kann ich nicht?'"Samuel Koch
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.09.2015Mit Humor gegen die Hilflosigkeit
Samuel Koch stellt in Darmstadt sein zweites Buch vor / Von Jan Schievenhöfel
DARMSTADT, 28. September. Die Hauptperson kommt leise herein. Samuel Koch bewegt sich fast lautlos in seinem elektrisch angetriebenen Rollstuhl an der Seite des Raums entlang zum Podium im Foyer des Staatstheaters Darmstadt. Hier stellt er sein Buch vor: "Rolle vorwärts - Das Leben geht weiter, als man denkt".
Darin schildert er sein Leben nach dem Unfall in der Sendung "Wetten, dass . .?" vor fünf Jahren, der den jungen Mann, der just an diesem Montag 28 Jahre alt wird, seine Bewegungsfreiheit kostete. So unaufgeregt bleibt er eineinhalb Stunden lang, während darüber gesprochen wird, wie er mit Querschnittlähmung durchs Leben kommt - nur den Kopf und die Arme kann er noch bewegen.
Was Samuel Koch sagen möchte, besonders über sich selbst, schildert er am liebsten in Form von Anekdoten, im Buch wie im Gespräch. So erzählt er davon, wie er einmal um drei Uhr in der Nacht mit seinem Rollstuhl über einen Feldweg durch ein Maisfeld gefahren sei, als Spaziergang. Wegen der Kühle hätten sich die Bauchmuskeln verkrampft, so sei er aus dem Rollstuhl gerutscht. "Das war ein bisschen blöd." In lakonischem Ton umschreibt Koch die Tatsache, dass er vollkommen unfähig war, sich vom Fleck zu rühren. Nach ein oder zwei Stunden habe er es aufgegeben, um Hilfe zu rufen. Im Feld seien in der Dunkelheit allerhand Tiere unterwegs gewesen, "das war interessant". Schließlich habe er gelacht, weil er sich überlegt habe, es sei doch "eine schöne Nacht", so ohne Telefon, ohne Computer und ohne Menschen, die hätten nerven können. Schließlich sei er von den Hunden des Nachbarn entdeckt worden. Dieser lässige und ironische Ton begegnet dem Leser auf vielen Seiten in seinem nun schon zweiten Buch - das erste hieß "Zwei Leben".
Koch hatte als Stuntman gearbeitet, bis er versuchte, in der von Thomas Gottschalk moderierten ZDF-Sendung mit Hilfe von Sprungfedern über ein fahrendes Auto zu springen. Dabei stürzte er schwer und blieb gelähmt. Inzwischen ist Koch Schauspieler. Seit September 2014 ist er im Staatstheater Darmstadt Mitglied des Ensembles und spielt auch in Hauptrollen - zurzeit den Prinzen von Homburg.
"Ich bin bekannt geworden durch meinen dämlichen Unfall, also durch mein Versagen", sagt Koch. Nun empfinde er es als wohltuend, durch Leistung bekannt zu sein, weil er gern zur Leistungsgesellschaft gehöre. Das Schreiben von Büchern nennt er ein Hobby. Alltagserlebnisse niederzuschreiben helfe ihm, "die Reizüberflutung zu kompensieren".
Doch auch ohne seine Arbeit würde er nicht verzweifeln. Denn nach dem Unfall, während der Behandlung und Rehabilitation, habe er seinen Glauben besonders intensiv gespürt. Er sei zu einer "lebenserhaltenden Maßnahme" geworden. Was er unter Glauben genau verstehe, möchte einer der anwesenden Journalisten wissen. Der Autor antwortet schlicht: Das sei für ihn die Überzeugung, dass das, was zwischen Wiege und Sarg passiert, nicht schon alles gewesen sein kann.
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Samuel Koch stellt in Darmstadt sein zweites Buch vor / Von Jan Schievenhöfel
DARMSTADT, 28. September. Die Hauptperson kommt leise herein. Samuel Koch bewegt sich fast lautlos in seinem elektrisch angetriebenen Rollstuhl an der Seite des Raums entlang zum Podium im Foyer des Staatstheaters Darmstadt. Hier stellt er sein Buch vor: "Rolle vorwärts - Das Leben geht weiter, als man denkt".
Darin schildert er sein Leben nach dem Unfall in der Sendung "Wetten, dass . .?" vor fünf Jahren, der den jungen Mann, der just an diesem Montag 28 Jahre alt wird, seine Bewegungsfreiheit kostete. So unaufgeregt bleibt er eineinhalb Stunden lang, während darüber gesprochen wird, wie er mit Querschnittlähmung durchs Leben kommt - nur den Kopf und die Arme kann er noch bewegen.
Was Samuel Koch sagen möchte, besonders über sich selbst, schildert er am liebsten in Form von Anekdoten, im Buch wie im Gespräch. So erzählt er davon, wie er einmal um drei Uhr in der Nacht mit seinem Rollstuhl über einen Feldweg durch ein Maisfeld gefahren sei, als Spaziergang. Wegen der Kühle hätten sich die Bauchmuskeln verkrampft, so sei er aus dem Rollstuhl gerutscht. "Das war ein bisschen blöd." In lakonischem Ton umschreibt Koch die Tatsache, dass er vollkommen unfähig war, sich vom Fleck zu rühren. Nach ein oder zwei Stunden habe er es aufgegeben, um Hilfe zu rufen. Im Feld seien in der Dunkelheit allerhand Tiere unterwegs gewesen, "das war interessant". Schließlich habe er gelacht, weil er sich überlegt habe, es sei doch "eine schöne Nacht", so ohne Telefon, ohne Computer und ohne Menschen, die hätten nerven können. Schließlich sei er von den Hunden des Nachbarn entdeckt worden. Dieser lässige und ironische Ton begegnet dem Leser auf vielen Seiten in seinem nun schon zweiten Buch - das erste hieß "Zwei Leben".
Koch hatte als Stuntman gearbeitet, bis er versuchte, in der von Thomas Gottschalk moderierten ZDF-Sendung mit Hilfe von Sprungfedern über ein fahrendes Auto zu springen. Dabei stürzte er schwer und blieb gelähmt. Inzwischen ist Koch Schauspieler. Seit September 2014 ist er im Staatstheater Darmstadt Mitglied des Ensembles und spielt auch in Hauptrollen - zurzeit den Prinzen von Homburg.
"Ich bin bekannt geworden durch meinen dämlichen Unfall, also durch mein Versagen", sagt Koch. Nun empfinde er es als wohltuend, durch Leistung bekannt zu sein, weil er gern zur Leistungsgesellschaft gehöre. Das Schreiben von Büchern nennt er ein Hobby. Alltagserlebnisse niederzuschreiben helfe ihm, "die Reizüberflutung zu kompensieren".
Doch auch ohne seine Arbeit würde er nicht verzweifeln. Denn nach dem Unfall, während der Behandlung und Rehabilitation, habe er seinen Glauben besonders intensiv gespürt. Er sei zu einer "lebenserhaltenden Maßnahme" geworden. Was er unter Glauben genau verstehe, möchte einer der anwesenden Journalisten wissen. Der Autor antwortet schlicht: Das sei für ihn die Überzeugung, dass das, was zwischen Wiege und Sarg passiert, nicht schon alles gewesen sein kann.
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