Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.08.1996Die Liebe und das ganze verdammte Zeugs
Deftig geschrieben, aber mit der üblichen Notbremse: Hans Olssons "Rollenspiele"
Johan könnte fast jedes Mädchen haben, wenn er nur wollte. Daß eine ganze Reihe von Jungen - der schwerfällige Michael etwa oder der schöne, zurückhaltende Anders - Johan haben könnten, wenn sie nur wollten, markiert den Beginn von "Rollenspiele", dem Erzähldebüt des Schweden Hans Olsson.
Bücher um das Coming Out homosexueller Jugendlicher neigen leider oft dazu, das Ringen ihrer Figuren um emotionale und sexuelle Identität nur als Leidensgeschichte zu erzählen. Das ist sicher auch manchmal angebracht - Selbstbewußtsein, auch und vor allem schwules Selbstbewußtsein, will gelernt sein. Ohne Schrammen geht das selten ab. In der Literatur hat das ewige Wiederkäuen des Gleichen jedoch längst zu einer Häufung peinlicher, mit Larmoyanz gepaarter Klischees geführt.
"Rollenspiele" verzichtet auf diese genretypische Prämisse. Seine Sexualität hat der fünfzehnjährige Johan längst im Griff und lebt sie auch aus: in parodierend-kitschigen Phantasien, konkret von Mann zu Mann, immer lustvoll. "Ich mag mich, ich mag das Leben und ich will es haben", stellt er trotzig fest. "Ich bin verliebt - in das Leben und in mich selbst. Und in Anders." Doch just in diesem Ansatz bleibt das Buch stecken. Denn weder Anders noch seinen besten Freunden wagt sich Johan zu erklären. Um den Schein zu wahren, legt er sich sogar eine Freundin zu. Clique, Eltern, Mitschüler, die ungeliebte Freundin, der geliebte Anders - alle werden sie hinters Licht geführt. Ausgrenzung, muß er schmerzlich feststellen, beginnt im eigenen Kopf.
Was Olssons Roman von vielen anderen unterscheidet, die sich um dieses Thema bemühen, ist sein Humor. Johan beschreitet den steinigen Weg zur Selbstfindung mit geradezu slapstickhafter Heiterkeit, einem Dauerbombardement an Frotzeleien und einer gehörigen Portion Zynismus.
Daß seine Probleme mit der Liebe und dem ganzen verdammten Zeugs sich in nichts von denen seiner Kumpel unterscheiden, macht das Buch höchst sympathisch. Es wird deshalb auch heterosexuelle Jugendliche ansprechen. Daß die (nicht immer stilsicher übersetzte) Geschichte in einer für hiesige Verhältnisse ausgesprochen deftigen Sprache erzählt ist, ist ihrem Autor hoch anzurechnen.
So ist es bedauerlich, daß letztlich auch "Rollenspiele" nicht über den Augenblick hinausweist, in dem Johan nach 288 Seiten zähen Ringens mit sich selbst endlich der Welt offen schwul gegenübertritt. Eine exemplarisch positive, gar selbstbewußte Liebesgeschichte findet nicht statt. Wer einwendet, anders könne Jugendliteratur über Homosexualität nicht enden, da schließlich der Weg das Ziel sei, der vergißt, daß daserfolgreiche Coming Out für ihre sehnsüchtigen Helden bestenfalls einen Etappensieg darstellt.
ANDREAS STEINHÖFEL.
Hans Olsson: "Rollenspiele". Aus dem Schwed. von Sarah Bosse. Oetinger Verlag, Hamburg 1996. 292 S., geb., 24,- DM. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Deftig geschrieben, aber mit der üblichen Notbremse: Hans Olssons "Rollenspiele"
Johan könnte fast jedes Mädchen haben, wenn er nur wollte. Daß eine ganze Reihe von Jungen - der schwerfällige Michael etwa oder der schöne, zurückhaltende Anders - Johan haben könnten, wenn sie nur wollten, markiert den Beginn von "Rollenspiele", dem Erzähldebüt des Schweden Hans Olsson.
Bücher um das Coming Out homosexueller Jugendlicher neigen leider oft dazu, das Ringen ihrer Figuren um emotionale und sexuelle Identität nur als Leidensgeschichte zu erzählen. Das ist sicher auch manchmal angebracht - Selbstbewußtsein, auch und vor allem schwules Selbstbewußtsein, will gelernt sein. Ohne Schrammen geht das selten ab. In der Literatur hat das ewige Wiederkäuen des Gleichen jedoch längst zu einer Häufung peinlicher, mit Larmoyanz gepaarter Klischees geführt.
"Rollenspiele" verzichtet auf diese genretypische Prämisse. Seine Sexualität hat der fünfzehnjährige Johan längst im Griff und lebt sie auch aus: in parodierend-kitschigen Phantasien, konkret von Mann zu Mann, immer lustvoll. "Ich mag mich, ich mag das Leben und ich will es haben", stellt er trotzig fest. "Ich bin verliebt - in das Leben und in mich selbst. Und in Anders." Doch just in diesem Ansatz bleibt das Buch stecken. Denn weder Anders noch seinen besten Freunden wagt sich Johan zu erklären. Um den Schein zu wahren, legt er sich sogar eine Freundin zu. Clique, Eltern, Mitschüler, die ungeliebte Freundin, der geliebte Anders - alle werden sie hinters Licht geführt. Ausgrenzung, muß er schmerzlich feststellen, beginnt im eigenen Kopf.
Was Olssons Roman von vielen anderen unterscheidet, die sich um dieses Thema bemühen, ist sein Humor. Johan beschreitet den steinigen Weg zur Selbstfindung mit geradezu slapstickhafter Heiterkeit, einem Dauerbombardement an Frotzeleien und einer gehörigen Portion Zynismus.
Daß seine Probleme mit der Liebe und dem ganzen verdammten Zeugs sich in nichts von denen seiner Kumpel unterscheiden, macht das Buch höchst sympathisch. Es wird deshalb auch heterosexuelle Jugendliche ansprechen. Daß die (nicht immer stilsicher übersetzte) Geschichte in einer für hiesige Verhältnisse ausgesprochen deftigen Sprache erzählt ist, ist ihrem Autor hoch anzurechnen.
So ist es bedauerlich, daß letztlich auch "Rollenspiele" nicht über den Augenblick hinausweist, in dem Johan nach 288 Seiten zähen Ringens mit sich selbst endlich der Welt offen schwul gegenübertritt. Eine exemplarisch positive, gar selbstbewußte Liebesgeschichte findet nicht statt. Wer einwendet, anders könne Jugendliteratur über Homosexualität nicht enden, da schließlich der Weg das Ziel sei, der vergißt, daß daserfolgreiche Coming Out für ihre sehnsüchtigen Helden bestenfalls einen Etappensieg darstellt.
ANDREAS STEINHÖFEL.
Hans Olsson: "Rollenspiele". Aus dem Schwed. von Sarah Bosse. Oetinger Verlag, Hamburg 1996. 292 S., geb., 24,- DM. Ab 14 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main