Unterwegs mit Kathrin Aehnlich, der Autorin von Alle sterben, auch die Löffelstöre
In den Straßen von Harlem, auf dem Petersplatz beim Papstbegräbnis und im ehemaligen "Luftbadeort" Markkleeberg
Seit meiner Kindheit liebe ich das Reisen. Mit Büchern die Welt kennenlernen stand in den siebziger Jahren an einer Buchhandlung in der Leipziger Innenstadt. Und es war zu vermuten, dass das nicht Ironie, sondern bitterer sozialistischer Ernst war. Ich folgte dieser Aufforderung. Doch bald wurde mir bewusst, dass ich nie von der Pont Neuf in die Seine spucken, nie der Queen auf ihrer Geburtstagsparade zujubeln würde. Niemals könnte ich eine Münze in die Fontana di Trevi werfen. Je unerreichbarer die anderen Länder waren, umso schöner wurden sie für mich.
Als die Mauer fiel, blieb ich zunächst zu Hause, weil ich Angst bekam, meine Traumländer könnten nicht halten, was ich mir von ihnen versprach. Ich ging vorsichtig auf Reisen. Dabei habe ich immer ein unsichtbares Gepäck: die Erinnerung an das kleine eingemauerte Land, in dem ich einmal gelebt habe. Ich nehme es überall mit hin. Ob zum Papstbegräbnis nach Rom oder an einen jüdischen Stammtisch in New York. Seine Geschichte ist für mich zu Geschichten geworden, an die ich mich unentwegt erinnern muss." Kathrin Aehnlich
In den Straßen von Harlem, auf dem Petersplatz beim Papstbegräbnis und im ehemaligen "Luftbadeort" Markkleeberg
Seit meiner Kindheit liebe ich das Reisen. Mit Büchern die Welt kennenlernen stand in den siebziger Jahren an einer Buchhandlung in der Leipziger Innenstadt. Und es war zu vermuten, dass das nicht Ironie, sondern bitterer sozialistischer Ernst war. Ich folgte dieser Aufforderung. Doch bald wurde mir bewusst, dass ich nie von der Pont Neuf in die Seine spucken, nie der Queen auf ihrer Geburtstagsparade zujubeln würde. Niemals könnte ich eine Münze in die Fontana di Trevi werfen. Je unerreichbarer die anderen Länder waren, umso schöner wurden sie für mich.
Als die Mauer fiel, blieb ich zunächst zu Hause, weil ich Angst bekam, meine Traumländer könnten nicht halten, was ich mir von ihnen versprach. Ich ging vorsichtig auf Reisen. Dabei habe ich immer ein unsichtbares Gepäck: die Erinnerung an das kleine eingemauerte Land, in dem ich einmal gelebt habe. Ich nehme es überall mit hin. Ob zum Papstbegräbnis nach Rom oder an einen jüdischen Stammtisch in New York. Seine Geschichte ist für mich zu Geschichten geworden, an die ich mich unentwegt erinnern muss." Kathrin Aehnlich
Es war wohl nicht einmal bittere Ironie, dass in den achtziger Jahren eine Leipziger Buchhandlung mit dem Slogan "Mit Büchern die Welt kennenlernen" warb, sondern bitterer sozialistischer Ernst. Das zumindest vermutet Kathrin Aehnlich, der bis zum Fall der Mauer nichts anderes übrigblieb, als auf literarische Augenzeugen zu vertrauen. Und die, wenn sie heute reist, unsichtbare Reisegefährten dabeihat: Ingeborg Bachmann in Rom, jede Menge Indianergeschichten in New York. Auch das "kleine eingemauerte Land", das einmal ihre Heimat war, nimmt sie überallhin mit. Das mag für die Autorin ein Ballast sein, den Leser jedoch freut ihre eigenwillige Sicht auf die Dinge, die so weit abseits liegt von der alles gesehen habenden Abgeklärtheit des modernen Weltbürgers. So beobachtet Aehnlich in Rom das einstige sozialistische Brudervolk, das den verstorbenen Papst betrauert, und kann selbst weder trauern noch glauben, jedenfalls nicht katholisch. Für heilige Momente sorgen dafür der Trevibrunnen und in New York, das ganz anders ist, als die Propaganda es ihr jahrelang hatte einbleuen wollen, die Brooklyn Bridge. Markkleeberg, die unscheinbare Kleinstadt, in der Aehnlich nun wohnt, ist für die kosovarische Familie Bajrami ein Sehnsuchtsort. Um den Satz "Ich liebe Markkleeberg" auszusprechen, muss man anderswo einiges durchgemacht haben. Vor dem Krieg und dem Fall der Mauer war Jugoslawien das Land der Träume für DDR-Bürger, nun gibt es beide Länder nicht mehr, und die Sehnsüchte suchen sich neue Ziele.
dien
"Rom New York Markkleeberg. Vom Unterwegssein" von Kathrin Aehnlich. Arche Paradies 188 Seiten, broschiert, 18 Euro.
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