Alte Geschichte, einschließlich der frühen byzantinischen Geschichte, und exemplarische Phänomene des Weiterlebens der Antike sind Themen der Reihe. Wirtschafts-, Sozial-, Rechts-, Religions- und Geistesgeschichte werden dabei besonders berücksichtigt. Der Vordere und der Mittlere Orient finden als wichtige Stätten der Beeinflussung und Kulturbegegnung mit der griechisch-römischen Welt Berücksichtigung. Jeder Band erfasst einen prägnanten thematischen oder chronologischen Teilbereich. In einem ersten Abschnitt wird jeweils eine knapp gefasste Darstellung gegeben, die in die Thematik und in die Problemstellung von Forschung und Quellenlage einführt sowie eine Zusammenfassung des aktuellen Wissensstandes bietet. Darauf folgen die für den Teilbereich besonders repräsentativen Quellen, die in Gattung, Inhalt und Gewichtung vorgestellt werden. Diese Quellen werden in neuer Übersetzung bzw. als bildliche/archäologische Dokumentation mit ausführlicher Kommentierung vorgelegt. Diese Kommentierung erschließt die jeweilige Quelle ausführlich. Die bildlichen bzw. archäologischen Quellen werden nicht illustrativ, sondern heuristisch eingesetzt. Jeder Band enthält eine weiterführende Arbeitsbibliographie. Zeittafeln, Karten sowie ein Glossar der originalsprachlichen Termini und Fachbegriffe fördern den didaktischen Wert der Bände. Indices gewährleisten neben der ausführlichen Inhaltsübersicht den schnellen Zugriff auf die Informationen und erschließen rasch inhaltliche Komplexe.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.01.2002So hübsch vollmundig kann Antike klingen
Endlich gibt ein Studienbuch über Rom und das Kaiserreich den Sassaniden, was der Sassaniden ist
Die Autoren dieses lange vor dem 11. September verfaßten Buches suchen zumindest programmatisch unverkennbar das Aktuelle in der Alten Geschichte. Der Untertitel könnte auch eine Studie zum bipolaren Weltsystem nach 1945 zieren, und einleitend wird der ethno- und nomozentrische Barbarenbegriff der Hellenen tüchtig in Frage gestellt. Das in römischer Zeit dann noch stärker artikulierte Überlegenheitsgefühl westlicher gegenüber östlicher Zivilisation sei von Sendungsbewußtsein und der Ordnungsidee eines Weltstaates mit Universalanspruch getragen worden, dem Lebensform, Religion, Sprache und politische Kultur "des Orientalen" fremd geblieben seien. Solche Blockaden gelte es wenigstens nun zu beseitigen, denn "angesichts fortschreitender Technisierung, neuer Kommunikationsformen und einer zunehmenden globalen Vernetzung von Politik und Wirtschaft, von Gesellschaft und Kultur scheint die Bereitschaft, sich ,dem Fremden' zu öffnen, eine neue Dimension anzunehmen".
Und wer wollte sich verweigern, der aufgefordert wird, "das Wesen und die Eigenarten eines anderen Kulturkreises zu verstehen, Spannungen friedlich auszutragen, durch Handeln und Verhandeln, durch Aufklärung und Selbstreflexion"? Was auf dem Evangelischen Kirchentag nicht schöner hätte gesagt werden können, mündet schließlich in ein freilich recht verquer formuliertes Programm: "Die Beziehungen des Westens zum Osten sind folglich auf eine Grundlage zu stellen, die die Geschichte des Ostens berücksichtigt und nicht in Abhängigkeit setzt von den eigenen Erfordernissen."
Ganz praktischen Erfordernissen von Studium, Lehrerfortbildung, Unterrichtsvorbereitung und Projektunterricht - so die Zielfelder der Reihe - genügt der Aufbau des Bandes (siehe F.A.Z. vom 1. Februar 1999). Auf eine knappe, faktenreiche Darstellung folgt ein fast viermal so umfangreicher Materialteil mit übersetzten Texten und Bildzeugnissen, die ausführlich interpretiert und eingeordnet werden. Man kann die kenntnisreiche Präsentation der meist entlegenen, in teils exotischen Sprachen verfaßten Quellen durch die beiden Autoren gar nicht genug bewundern. Der Titel des Buches ist jedoch irreführend, da fast ausschließlich die Zeit des Sassanidenreiches von seiner Gründung im Jahr 224 nach Christus bis zur arabischen Eroberung im siebten Jahrhundert behandelt wird, während sich die Beziehungen zum arsakidischen Partherreich, das als "Vorgänger" der Sassaniden immerhin fast drei Jahrhunderte lang unmittelbarer Nachbar und gefährlichster Gegner des Imperium Romanum war, mit einem kurzen Vorspann begnügen müssen.
Doch auch so entfaltet sich vor dem Leser eine farbige und wechselvolle Geschichte. So waren die Sassaniden etwa der erste und einzige Gegner Roms, dem es gelang, sich im Krieg eines veritablen Kaisers zu bemächtigen. Valerian starb wahrscheinlich in persischer Gefangenschaft. Der berühmte Kaiser Julian verlor sein Leben im Kampf gegen Sapur II. auf dem Schlachtfeld und mit ihm das Römische Reich die Chance einer paganen Restauration - jedenfalls in den Phantasien antiklerikaler Historiker vergangener Zeiten. Kurz nach seiner größten Ausdehnung wurde das Sassanidenreich Anfang des siebten Jahrhunderts vom wiedererstarkten Byzantinischen Reich entscheidend besiegt, oder besser: sturmreif gemacht für den Angriff der Araber wenige Jahre später.
Kriege, Friedensverträge und diplomatischer Verkehr sowie Wirtschaftsbeziehungen, Grenzverkehr und Religionspolitik werden in dem Buch sehr ausführlich und detailreich behandelt, doch strukturgeschichtliche Fragen bleiben bedauerlicherweise fast ganz ausgeklammert. Bei zwei Großreichen vergleichbaren Anspruchs, die sich zumal in den Regionen der gemeinsamen Grenze, Armenien, Mesopotamien und Arabien, vor analoge Aufgaben gestellt sahen, hätte sich aber ein Systemvergleich geradezu angeboten, konzentriert etwa auf die Frage, wie Macht und Loyalität organisiert wurden und welche Auswirkungen die jeweiligen Herrschaftsstrukturen auf die Außenpolitik hatten. Ohne solche Perspektiven lassen sich die Triebkräfte von Expansions- beziehungsweise Koexistenzpolitik kaum zureichend freilegen und verliert sich das Hin und Her von Eroberung, Rückzug und zwischenzeitlichen Phasen des Friedens im beinahe Beliebigen. Ansätze für eine solche Analyse bieten die Materialien durchaus, wenn etwa vorgeführt wird, wie beide Seiten die Bevölkerung eroberter Grenzstädte zwangsweise ins jeweilige Landesinnere umsiedelten, um die eigene manpower zu stärken.
Auch für die Entschlüsselung kultureller Codes, wie sie in den oft spannenden Quellen zutage treten, ist wenig Sorge getragen. Welches Konzept von Ehre verbirgt sich etwa in Prokops Bericht, wonach der sassanidische König sein Invasionsheer allein deshalb umkehren ließ und Frieden schloß, weil Kaiser Theodosius II. ihm einen hochrangigen Beamten allein entgegenschickte? Die vage Rationalisierung der Motive befriedigt da nicht recht, weil sie die Quelle zum unzureichenden Stichwortgeber für "realpolitische" Erwägungen über die Mechanik von Staatenbeziehungen degradiert.
Die Autoren haben sich für eine möglichst korrekte Umschrift der persischen Namen entschieden und schreiben etwa Sapur anstelle der verbreiteten Eindeutschung Schapur. Leider fehlen in dem ansonsten reichhaltigen Anhang des Studienbuches Hinweise zur richtigen Aussprache.
Im Kapitel über die Friedensschlüsse findet sich aus dem Munde eines sassanidischen Gesandten die schöne Metapher, das römische und das persische Reich seien gleichsam wie zwei Lichter, die wie die Augen durch das Licht des jeweils anderen geschmückt werden müßten. Das vollmundige, aber problematische Programm der Einleitung einmal beiseite gelassen, erfüllt der Band seinen Zweck, die Sassaniden aus der Schattenexistenz einer "Randkultur" für Spezialisten herauszuholen, durchaus.
UWE WALTER.
Engelbert Winter, Beate Dignas: "Rom und das Perserreich". Zwei Weltmächte zwischen Konfrontation und Koexistenz. Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten Welt. Akademie Verlag, Berlin 2001. 334 S., br., 34,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Endlich gibt ein Studienbuch über Rom und das Kaiserreich den Sassaniden, was der Sassaniden ist
Die Autoren dieses lange vor dem 11. September verfaßten Buches suchen zumindest programmatisch unverkennbar das Aktuelle in der Alten Geschichte. Der Untertitel könnte auch eine Studie zum bipolaren Weltsystem nach 1945 zieren, und einleitend wird der ethno- und nomozentrische Barbarenbegriff der Hellenen tüchtig in Frage gestellt. Das in römischer Zeit dann noch stärker artikulierte Überlegenheitsgefühl westlicher gegenüber östlicher Zivilisation sei von Sendungsbewußtsein und der Ordnungsidee eines Weltstaates mit Universalanspruch getragen worden, dem Lebensform, Religion, Sprache und politische Kultur "des Orientalen" fremd geblieben seien. Solche Blockaden gelte es wenigstens nun zu beseitigen, denn "angesichts fortschreitender Technisierung, neuer Kommunikationsformen und einer zunehmenden globalen Vernetzung von Politik und Wirtschaft, von Gesellschaft und Kultur scheint die Bereitschaft, sich ,dem Fremden' zu öffnen, eine neue Dimension anzunehmen".
Und wer wollte sich verweigern, der aufgefordert wird, "das Wesen und die Eigenarten eines anderen Kulturkreises zu verstehen, Spannungen friedlich auszutragen, durch Handeln und Verhandeln, durch Aufklärung und Selbstreflexion"? Was auf dem Evangelischen Kirchentag nicht schöner hätte gesagt werden können, mündet schließlich in ein freilich recht verquer formuliertes Programm: "Die Beziehungen des Westens zum Osten sind folglich auf eine Grundlage zu stellen, die die Geschichte des Ostens berücksichtigt und nicht in Abhängigkeit setzt von den eigenen Erfordernissen."
Ganz praktischen Erfordernissen von Studium, Lehrerfortbildung, Unterrichtsvorbereitung und Projektunterricht - so die Zielfelder der Reihe - genügt der Aufbau des Bandes (siehe F.A.Z. vom 1. Februar 1999). Auf eine knappe, faktenreiche Darstellung folgt ein fast viermal so umfangreicher Materialteil mit übersetzten Texten und Bildzeugnissen, die ausführlich interpretiert und eingeordnet werden. Man kann die kenntnisreiche Präsentation der meist entlegenen, in teils exotischen Sprachen verfaßten Quellen durch die beiden Autoren gar nicht genug bewundern. Der Titel des Buches ist jedoch irreführend, da fast ausschließlich die Zeit des Sassanidenreiches von seiner Gründung im Jahr 224 nach Christus bis zur arabischen Eroberung im siebten Jahrhundert behandelt wird, während sich die Beziehungen zum arsakidischen Partherreich, das als "Vorgänger" der Sassaniden immerhin fast drei Jahrhunderte lang unmittelbarer Nachbar und gefährlichster Gegner des Imperium Romanum war, mit einem kurzen Vorspann begnügen müssen.
Doch auch so entfaltet sich vor dem Leser eine farbige und wechselvolle Geschichte. So waren die Sassaniden etwa der erste und einzige Gegner Roms, dem es gelang, sich im Krieg eines veritablen Kaisers zu bemächtigen. Valerian starb wahrscheinlich in persischer Gefangenschaft. Der berühmte Kaiser Julian verlor sein Leben im Kampf gegen Sapur II. auf dem Schlachtfeld und mit ihm das Römische Reich die Chance einer paganen Restauration - jedenfalls in den Phantasien antiklerikaler Historiker vergangener Zeiten. Kurz nach seiner größten Ausdehnung wurde das Sassanidenreich Anfang des siebten Jahrhunderts vom wiedererstarkten Byzantinischen Reich entscheidend besiegt, oder besser: sturmreif gemacht für den Angriff der Araber wenige Jahre später.
Kriege, Friedensverträge und diplomatischer Verkehr sowie Wirtschaftsbeziehungen, Grenzverkehr und Religionspolitik werden in dem Buch sehr ausführlich und detailreich behandelt, doch strukturgeschichtliche Fragen bleiben bedauerlicherweise fast ganz ausgeklammert. Bei zwei Großreichen vergleichbaren Anspruchs, die sich zumal in den Regionen der gemeinsamen Grenze, Armenien, Mesopotamien und Arabien, vor analoge Aufgaben gestellt sahen, hätte sich aber ein Systemvergleich geradezu angeboten, konzentriert etwa auf die Frage, wie Macht und Loyalität organisiert wurden und welche Auswirkungen die jeweiligen Herrschaftsstrukturen auf die Außenpolitik hatten. Ohne solche Perspektiven lassen sich die Triebkräfte von Expansions- beziehungsweise Koexistenzpolitik kaum zureichend freilegen und verliert sich das Hin und Her von Eroberung, Rückzug und zwischenzeitlichen Phasen des Friedens im beinahe Beliebigen. Ansätze für eine solche Analyse bieten die Materialien durchaus, wenn etwa vorgeführt wird, wie beide Seiten die Bevölkerung eroberter Grenzstädte zwangsweise ins jeweilige Landesinnere umsiedelten, um die eigene manpower zu stärken.
Auch für die Entschlüsselung kultureller Codes, wie sie in den oft spannenden Quellen zutage treten, ist wenig Sorge getragen. Welches Konzept von Ehre verbirgt sich etwa in Prokops Bericht, wonach der sassanidische König sein Invasionsheer allein deshalb umkehren ließ und Frieden schloß, weil Kaiser Theodosius II. ihm einen hochrangigen Beamten allein entgegenschickte? Die vage Rationalisierung der Motive befriedigt da nicht recht, weil sie die Quelle zum unzureichenden Stichwortgeber für "realpolitische" Erwägungen über die Mechanik von Staatenbeziehungen degradiert.
Die Autoren haben sich für eine möglichst korrekte Umschrift der persischen Namen entschieden und schreiben etwa Sapur anstelle der verbreiteten Eindeutschung Schapur. Leider fehlen in dem ansonsten reichhaltigen Anhang des Studienbuches Hinweise zur richtigen Aussprache.
Im Kapitel über die Friedensschlüsse findet sich aus dem Munde eines sassanidischen Gesandten die schöne Metapher, das römische und das persische Reich seien gleichsam wie zwei Lichter, die wie die Augen durch das Licht des jeweils anderen geschmückt werden müßten. Das vollmundige, aber problematische Programm der Einleitung einmal beiseite gelassen, erfüllt der Band seinen Zweck, die Sassaniden aus der Schattenexistenz einer "Randkultur" für Spezialisten herauszuholen, durchaus.
UWE WALTER.
Engelbert Winter, Beate Dignas: "Rom und das Perserreich". Zwei Weltmächte zwischen Konfrontation und Koexistenz. Studienbücher Geschichte und Kultur der Alten Welt. Akademie Verlag, Berlin 2001. 334 S., br., 34,80 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Licht und Schatten sieht Uwe Walter bei diesem für "Studium, Lehrerfortbildung, Unterrichtsvorbereitung und Projektunterricht" gedachten Band. Die Pflicht, könnte man resümieren, hält er für gelungen, die Kür für problematisch. So ist die historische Darstellung "faktenreich", der umfangreiche Materialteil überzeugt, die "kenntnisreiche Präsentation" der Quellen könne man, meint Walter, "gar nicht genug bewundern." Jedoch: Allzu fromm kommt dem Rezensenten das für Verständigung plädierende, aktuelle Bezüge suchende Vorwort daher - das klingt ihm nach "Evangelischem Kirchentag". Auch im Methodischen hat er Vorbehalte: mit "strukturgeschichtlichen Fragen" hat man sich kaum aufgehalten, Interesse an "kulturellen Codes" zeigen die Verfasser ebenso wenig - und das trotz des dazu einladenden Materials. Dennoch ist das Resümee eher freundlich: das Buch, meint Walter, "erfüllt seinen Zweck".
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Ein empfehlenswertes Buch, das sich mit dem Sassanidischen Reich und dessen Verhältnis mit Rom und Byzanz befasst. (...) Ein auch für Studenten geeigneter Band, der außerdem im Hinblick auf die Wichtigkeit des Dialogs zwischen West und Ost an Aktualität gewinnt." (Heikki Solin, in: Arctos, 2006)