Triumph und Leistungen einer Weltmacht: Greg Woolf, einer der international renommiertesten Historiker für das antike Rom, betrachtet die Geschichte der römischen Republik und Kaiserzeit als Einheit. Dadurch lässt er ganz Europa und die Mittelmeerwelt vor unseren Augen lebendig werden. Alle wichtigen Facetten der römischen Zivilisation kommen zur Sprache. Der Autor zeigt, wie das Römische Reich funktionierte, und stellt es in den Zusammenhang anderer Reiche von China bis Peru. Allerneueste archäologische und
historische Erkenntnisse lassen den weltgeschichtlich einzigartigen Erfolg Roms in einem neuen Licht erscheinen. Nicht zuletzt geht es um die alles bedeutende Frage: Warum konnte gerade Rom unter allen uns bekannten Imperien so lange überdauern und eine derart unvergleichliche Wirkung ausüben - bis zum heutigen Tag?
historische Erkenntnisse lassen den weltgeschichtlich einzigartigen Erfolg Roms in einem neuen Licht erscheinen. Nicht zuletzt geht es um die alles bedeutende Frage: Warum konnte gerade Rom unter allen uns bekannten Imperien so lange überdauern und eine derart unvergleichliche Wirkung ausüben - bis zum heutigen Tag?
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.2015Rom, nach 300
Das Imperium lebt weiter, auch wenn die Römer heute ständig darauf herumtrampeln, weil das Hoheitszeichen SPQR (Senat und Volk von Rom) die römischen Kanaldeckel ziert. Im Mittelmeerraum, in Deutschland oder England erinnern Trümmer und Ruinen an die Größe Roms, das von einer kleinen Stadt zum Weltreich wurde, das lange Republik war und nicht ganz so lange Monarchie, bevor es erst in zwei Teile und schließlich ganz zerfiel.
Das ist alles mehr oder weniger bekannt. Aber manchmal braucht es nur eine kleine Perspektivverschiebung, und schon sieht man das Bekannte in einem anderen Licht. Statt erneut über den Untergang des römischen Reiches zu grübeln, hat der britische Althistoriker Greg Woolf sich ganz einfach gefragt, wie dieses Reich überhaupt so lange bestehen konnte. Sein Buch "Rom. Die Biographie eines Weltreichs" besteht, wie er das treffend nennt, aus einer Reihe von "Satellitenbildern", aus großer Entfernung aufgenommen, mit scharfem Blick für Strukturen, offen für Vergleiche mit anderen Reichen. Die römische Geschichte wird man jetzt nicht zu großen Teilen umschreiben müssen; es ist die methodische Konsequenz, die Woolfs Buch so spannend macht, auch wenn Althistorikerkollegen garantiert ihre Einwände haben werden.
Woolf benutzt den Begriff der "langen Dauer" im Sinne der Annales-Schule, er führt durch eine im Wesentlichen bäuerlich geprägte Welt mit langfristig stabilen klimatischen Bedingungen, in welcher sich Roms Aufstieg vollzieht, sehr expansiv, aber in der Herrschaftsausübung anfangs "informell und indirekt", auch in späterer Zeit ohne Organisationsformen und Sicherheitsstrategien, die ein Reich dieser Größe zu verlangen scheint. Über eine "gemäßigte Tributwirtschaft" gelangte das kaum je hinaus, Elemente zentraler Verwaltung und ein konsistenteres Steuersystem kamen erst nach dem Jahr 300 auf, fast schon zu spät.
Das hat zu tun mit einer nur rudimentären politischen Ökonomie, damit, dass es staatliche Strukturen und Aufgaben, einen Apparat im neuzeitlichen Verständnis, nicht gab, weshalb die Verwendung des Staatsbegriffs im Buch auch ein bisschen schlampig ist. Roms Stabilität beruhte auf seinen Institutionen, der Familie samt Sklavenwirtschaft, dem Klientelwesen und einer sich ausbreitenden städtischen Kultur. Diese Elementarteile sorgten dafür, dass die römische Zivilisation noch eine Weile fortbestehen konnte, als das Reich zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert "Invasion, Auseinanderbrechen und dramatischer Verkleinerung" durchlief. Erst als ihre Kohäsionskräfte schwanden, setzte Roms bis heute dann doch noch recht vitales Nachleben ein.
Peter Körte
Greg Woolf: "Rom. Die Biographie eines Weltreichs". Aus dem Englischen von Andreas Wittenberg. Klett-Cotta, 495 Seiten, 29,95 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Imperium lebt weiter, auch wenn die Römer heute ständig darauf herumtrampeln, weil das Hoheitszeichen SPQR (Senat und Volk von Rom) die römischen Kanaldeckel ziert. Im Mittelmeerraum, in Deutschland oder England erinnern Trümmer und Ruinen an die Größe Roms, das von einer kleinen Stadt zum Weltreich wurde, das lange Republik war und nicht ganz so lange Monarchie, bevor es erst in zwei Teile und schließlich ganz zerfiel.
Das ist alles mehr oder weniger bekannt. Aber manchmal braucht es nur eine kleine Perspektivverschiebung, und schon sieht man das Bekannte in einem anderen Licht. Statt erneut über den Untergang des römischen Reiches zu grübeln, hat der britische Althistoriker Greg Woolf sich ganz einfach gefragt, wie dieses Reich überhaupt so lange bestehen konnte. Sein Buch "Rom. Die Biographie eines Weltreichs" besteht, wie er das treffend nennt, aus einer Reihe von "Satellitenbildern", aus großer Entfernung aufgenommen, mit scharfem Blick für Strukturen, offen für Vergleiche mit anderen Reichen. Die römische Geschichte wird man jetzt nicht zu großen Teilen umschreiben müssen; es ist die methodische Konsequenz, die Woolfs Buch so spannend macht, auch wenn Althistorikerkollegen garantiert ihre Einwände haben werden.
Woolf benutzt den Begriff der "langen Dauer" im Sinne der Annales-Schule, er führt durch eine im Wesentlichen bäuerlich geprägte Welt mit langfristig stabilen klimatischen Bedingungen, in welcher sich Roms Aufstieg vollzieht, sehr expansiv, aber in der Herrschaftsausübung anfangs "informell und indirekt", auch in späterer Zeit ohne Organisationsformen und Sicherheitsstrategien, die ein Reich dieser Größe zu verlangen scheint. Über eine "gemäßigte Tributwirtschaft" gelangte das kaum je hinaus, Elemente zentraler Verwaltung und ein konsistenteres Steuersystem kamen erst nach dem Jahr 300 auf, fast schon zu spät.
Das hat zu tun mit einer nur rudimentären politischen Ökonomie, damit, dass es staatliche Strukturen und Aufgaben, einen Apparat im neuzeitlichen Verständnis, nicht gab, weshalb die Verwendung des Staatsbegriffs im Buch auch ein bisschen schlampig ist. Roms Stabilität beruhte auf seinen Institutionen, der Familie samt Sklavenwirtschaft, dem Klientelwesen und einer sich ausbreitenden städtischen Kultur. Diese Elementarteile sorgten dafür, dass die römische Zivilisation noch eine Weile fortbestehen konnte, als das Reich zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert "Invasion, Auseinanderbrechen und dramatischer Verkleinerung" durchlief. Erst als ihre Kohäsionskräfte schwanden, setzte Roms bis heute dann doch noch recht vitales Nachleben ein.
Peter Körte
Greg Woolf: "Rom. Die Biographie eines Weltreichs". Aus dem Englischen von Andreas Wittenberg. Klett-Cotta, 495 Seiten, 29,95 Euro
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»Wer sich auf das anspruchsvolle Buch einlässt, wird nach der Lektüre sicher zu dem Ergebnis gelangen, dass "Zukunft und Nachleben des Römischen Reiches eine aufregende Angelegenheit" ist.« Stefan Rebenich, Neue Zürcher Zeitung, 02.09.2015 Stefan Rebenich Neue Zürcher Zeitung 20150902