Triumph und Intrige in der Hauptstadt der Antiken Welt: Beinahe wäre Kaiser Marc Aurel das Opfer eines Mordanschlages geworden.
Rom 162 n. Chr. Die Millionenstadt am Tiber bereitet einen epochalen Triumpfzug für die bald erwartete Rückkehr der im Partherkrieg erfolgreichen Feldherren vor. In der allgemeinen Hektik kommen der jungen Schauspielerin Korinna Gerüchte zu Ohren, dass ein Attentat auf Kaiser Marc Aurel geplant sei. Und es verschwindet ein Bote, der dem Kaiser wichtige Nachrichten zu überbringen hatte. Gaius, ein Offizier des Kaiserlichen Geheimdienstes, untersucht den Fall. Dabei lernt er Korinna kennen und lieben, die nun teils mit, teils ohne ihn, ebenfalls zu ermitteln beginnt. Der Tag des Triumphzuges rückt näher und die Verschwörer gegen den Kaiser warten darauf...
Rom 162 n. Chr. Die Millionenstadt am Tiber bereitet einen epochalen Triumpfzug für die bald erwartete Rückkehr der im Partherkrieg erfolgreichen Feldherren vor. In der allgemeinen Hektik kommen der jungen Schauspielerin Korinna Gerüchte zu Ohren, dass ein Attentat auf Kaiser Marc Aurel geplant sei. Und es verschwindet ein Bote, der dem Kaiser wichtige Nachrichten zu überbringen hatte. Gaius, ein Offizier des Kaiserlichen Geheimdienstes, untersucht den Fall. Dabei lernt er Korinna kennen und lieben, die nun teils mit, teils ohne ihn, ebenfalls zu ermitteln beginnt. Der Tag des Triumphzuges rückt näher und die Verschwörer gegen den Kaiser warten darauf...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2002Das Nashorn kennt den Mörder
Bänkelsängerperspektive: Gisbert Haefs' Ausflug in die silberne Latinität / Von Andreas Kilb
In den kapitolinischen Sammlungen in Rom gibt es ein marmornes Brustbildnis des Mark Aurel, das wie eine Illustration unserer Vorstellungen über diesen Kaiser wirkt. Es zeigt einen Mann, der den Bart des griechischen Philosophen, das Lockenhaar des Altrömers und die Toga des Imperators trägt. Das Gesicht des Kaisers, könnte man meinen, müßte sich beim Versuch, diese drei symbolischen Existenzformen miteinander zu versöhnen, vor Anstrengung verzerren. Aber es bleibt vollkommen entspannt, fast leer. Es ist - anders als das Bauernantlitz des Trajan oder die eitle Larve des Mitkaisers Lucius Verus - die Maske eines Anspruchs. Die eine Seite dieses Anspruchs hat Mark Aurel in seinen Büchern "Tá éis heautón", den "Selbstbetrachtungen" eines Stoikers im Purpur, erfüllt, von der anderen legen seine Feldzüge gegen Markomannen, Quaden und andere unruhige Völker an der Donaugrenze Zeugnis ab. Die dritte, römisch-republikanische Seite jenes Wesens, von dem das Bildnis künden will, hat der Kaiser dagegen nie ausleben können. Die Zeiten waren nicht danach. Sie verlangten den Alleinherrscher, nicht den Princeps inter pares, den Krisenbewältiger, nicht den Restaurator alten Rechts.
In Gisbert Haefs' neuem Roman, der im Spätsommer des Jahres 165 nach Christus spielt, ist von den äußeren Bedrohungen des Imperiums noch nicht viel zu sehen. Der Kaiser, der zwischen seinem Landgut bei Alsium und seiner Residenz auf dem Palatin hin- und herpendelt und den Partherfeldzug seinen Generälen überläßt, träumt insgeheim von der Wiederherstellung der römischen Republik. Aber in Rom haben Geheimnisse der Herrscher keine lange Lebensdauer. Die Machtelite der Stadt, deren Tage in einer Res publica klassischen Stils gezählt wären, hat von den Plänen des Augustus Wind bekommen und sinnt darauf, sie zu vereiteln. Auf einem Gartenfest zur Eröffnung der Herbstsaison soll "Der erste Tod des Mark Aurel" Realität werden.
Dies alles erfährt man erst am Ende des Buches, in den letzten drei von insgesamt fünfzehn Kapiteln, in denen uns Haefs durch die Straßen der alten Roma und ihrer Vororte führt, so wie er uns in früheren Romanen durch Karthago, Troja und die Welt Alexanders des Großen geführt hat. Auch der entscheidende Kunstgriff des Romanciers Haefs, die Verlagerung des Erzählerblicks aus der Helden- in die Händler- und Bänkelsängerperspektive, wird wieder angewandt - nur daß es diesmal kein assyrischer Kaufmann oder makedonischer Kavallerist ist, der die Weltgeschichte als Zaungast miterlebt, sondern eine Frau. Die Griechin Korinna arbeitet bei einer Schauspieltruppe, welche ihr karges Brot damit verdient, wohlhabende Römer mit Aufgüssen aus Sophokles, Aristophanes und anderen Klassikern zu unterhalten. In Portus, dem kaiserlichen Handelshafen nördlich der Tibermündung, lernt sie den Zenturio Pacuvius kennen, der zum "geheimen Sonderdienst" der Hauptstadt gehört. Durch ein paar unvermeidliche Zufälle geraten die beiden auf die Spur des Komplotts gegen den Kaiser. Pacuvius, so stellt sich heraus, spielt in den Plänen der Verschwörer eine wichtige Rolle, und auch Korinnas Kollegen haben von fern mit der Intrige zu tun.
So weit, so gut, so kurzweilig. Aber das Buch läßt sich Zeit. Wie das aus afrikanischen Fernen hergeholte Nashorn, das in Portus entladen und nach Rom geschleppt wird, um auf der Gartenparty Mark Aurels für Zerstreuung zu sorgen - was es in einem sehr handfesten Sinn dann auch tut -, steuert auch "Roma" ziemlich gemächlich der schlußendlichen Gaudi entgegen.
Das liegt nicht am Stoff, sondern am Autor. Wie jener Imperator philosophus, über den wir hier leider nur das Allernötigste erfahren, verfolgt auch Gisbert Haefs ein dreifaches Programm: Er will ein gerissener Krimierzähler sein, aber auch ein gebildeter Poet, und ein ehrlicher Makler der historischen Wahrheit noch dazu. So kommt es, daß viele der erlesenen Genüsse, die man in diesem Buch serviert bekommt, Metagenüsse sind und also eigentlich keine. Jedes Kapitel wird mit einem Zitat von Mark Aurel eröffnet; das ist kleidsam, führt aber nicht weit. Ein Soldatengespräch im zweiten Kapitel ist vage dem Anfang des "Ulysses" nachgebildet; wenn man das nicht weiß, möchte man es glatt für langatmig halten. Schließlich geraten unsere Helden bei ihren Recherchen in ein Geheimarchiv der Bibliotheca Ulpia und entdecken dort "das zweite und dritte Buch des Aristoteles über die Komödie", "Helenas Tagebuch", "Die Briefe Alexanders an Aristoteles" und mehr. Da soll man erst an Eco denken und dann an den frühen Haefs, aber der Traditionsfaden, in den sich unser Autor dergestalt einwebt, hält nicht. Das Bildungsgut, das sich in "Der Name der Rose" bruchlos in die Kriminalstory einfügte, wirkt bei Haefs angestückt, es verlängert die Erzählung, ohne sie zu bereichern.
Auch ein echter Poeta doctus taucht in "Roma" auf; es ist jener Lukian von Samosata, der einen langen, schönen Dialog über das Schmarotzertum geschrieben hat, in dem die "Parasitik" zur königlichen Kunst erklärt wird. Haefs ißt ebenfalls gern von fremden Tischen, und so läßt er seinen Dichter eine lukianisch angehauchte Festrede über Bilche, eine Lieblingsspeise der Römer, halten und schickt ihn anschließend mit Fräulein Korinna ins Bett. "Ich glaube", sagt der Unsterbliche, bevor er verstummt, "dein Bilch will gebissen werden." Von solcher Güte sind leider viele Einfälle dieses Buchs.
Das Epigonale ist nicht das Problem des historischen Romans. Es ist das Gespreizte: das allzu Flotte, das angestrengt Ältliche. Vor letzterem ist Haefs klug zurückgewichen. Ersterem aber hat er sich ergeben, und so müssen wir lesen, wie die Heldin beim Rendezvous mit dem Helden spürt, daß "tief unten in ihr etwas zu glimmen begann", wie sie "dringlich, dringend, drängend" mit ihm zur Liebe schreitet. Tief unter den Travertinböden von "Roma" glimmt ein eher mäßiger erzählerischer Geschmack, der die schwungvolle Konzeption dieses Buches untergräbt. Zum erlösenden Schluß hat ein Chinese das letzte Wort: Was er dem Kaiser bei der morgendlichen Audienz von seinem Land erzählt habe, wird Herr Chi gefragt. "Gesagt: bei uns genau wie hier, nur anders." Anders wäre besser gewesen.
Gisbert Haefs: "Roma. Der erste Tod des Mark Aurel". Roman. Diana Verlag, München und Zürich 2002. 496 S., geb., 21,95.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bänkelsängerperspektive: Gisbert Haefs' Ausflug in die silberne Latinität / Von Andreas Kilb
In den kapitolinischen Sammlungen in Rom gibt es ein marmornes Brustbildnis des Mark Aurel, das wie eine Illustration unserer Vorstellungen über diesen Kaiser wirkt. Es zeigt einen Mann, der den Bart des griechischen Philosophen, das Lockenhaar des Altrömers und die Toga des Imperators trägt. Das Gesicht des Kaisers, könnte man meinen, müßte sich beim Versuch, diese drei symbolischen Existenzformen miteinander zu versöhnen, vor Anstrengung verzerren. Aber es bleibt vollkommen entspannt, fast leer. Es ist - anders als das Bauernantlitz des Trajan oder die eitle Larve des Mitkaisers Lucius Verus - die Maske eines Anspruchs. Die eine Seite dieses Anspruchs hat Mark Aurel in seinen Büchern "Tá éis heautón", den "Selbstbetrachtungen" eines Stoikers im Purpur, erfüllt, von der anderen legen seine Feldzüge gegen Markomannen, Quaden und andere unruhige Völker an der Donaugrenze Zeugnis ab. Die dritte, römisch-republikanische Seite jenes Wesens, von dem das Bildnis künden will, hat der Kaiser dagegen nie ausleben können. Die Zeiten waren nicht danach. Sie verlangten den Alleinherrscher, nicht den Princeps inter pares, den Krisenbewältiger, nicht den Restaurator alten Rechts.
In Gisbert Haefs' neuem Roman, der im Spätsommer des Jahres 165 nach Christus spielt, ist von den äußeren Bedrohungen des Imperiums noch nicht viel zu sehen. Der Kaiser, der zwischen seinem Landgut bei Alsium und seiner Residenz auf dem Palatin hin- und herpendelt und den Partherfeldzug seinen Generälen überläßt, träumt insgeheim von der Wiederherstellung der römischen Republik. Aber in Rom haben Geheimnisse der Herrscher keine lange Lebensdauer. Die Machtelite der Stadt, deren Tage in einer Res publica klassischen Stils gezählt wären, hat von den Plänen des Augustus Wind bekommen und sinnt darauf, sie zu vereiteln. Auf einem Gartenfest zur Eröffnung der Herbstsaison soll "Der erste Tod des Mark Aurel" Realität werden.
Dies alles erfährt man erst am Ende des Buches, in den letzten drei von insgesamt fünfzehn Kapiteln, in denen uns Haefs durch die Straßen der alten Roma und ihrer Vororte führt, so wie er uns in früheren Romanen durch Karthago, Troja und die Welt Alexanders des Großen geführt hat. Auch der entscheidende Kunstgriff des Romanciers Haefs, die Verlagerung des Erzählerblicks aus der Helden- in die Händler- und Bänkelsängerperspektive, wird wieder angewandt - nur daß es diesmal kein assyrischer Kaufmann oder makedonischer Kavallerist ist, der die Weltgeschichte als Zaungast miterlebt, sondern eine Frau. Die Griechin Korinna arbeitet bei einer Schauspieltruppe, welche ihr karges Brot damit verdient, wohlhabende Römer mit Aufgüssen aus Sophokles, Aristophanes und anderen Klassikern zu unterhalten. In Portus, dem kaiserlichen Handelshafen nördlich der Tibermündung, lernt sie den Zenturio Pacuvius kennen, der zum "geheimen Sonderdienst" der Hauptstadt gehört. Durch ein paar unvermeidliche Zufälle geraten die beiden auf die Spur des Komplotts gegen den Kaiser. Pacuvius, so stellt sich heraus, spielt in den Plänen der Verschwörer eine wichtige Rolle, und auch Korinnas Kollegen haben von fern mit der Intrige zu tun.
So weit, so gut, so kurzweilig. Aber das Buch läßt sich Zeit. Wie das aus afrikanischen Fernen hergeholte Nashorn, das in Portus entladen und nach Rom geschleppt wird, um auf der Gartenparty Mark Aurels für Zerstreuung zu sorgen - was es in einem sehr handfesten Sinn dann auch tut -, steuert auch "Roma" ziemlich gemächlich der schlußendlichen Gaudi entgegen.
Das liegt nicht am Stoff, sondern am Autor. Wie jener Imperator philosophus, über den wir hier leider nur das Allernötigste erfahren, verfolgt auch Gisbert Haefs ein dreifaches Programm: Er will ein gerissener Krimierzähler sein, aber auch ein gebildeter Poet, und ein ehrlicher Makler der historischen Wahrheit noch dazu. So kommt es, daß viele der erlesenen Genüsse, die man in diesem Buch serviert bekommt, Metagenüsse sind und also eigentlich keine. Jedes Kapitel wird mit einem Zitat von Mark Aurel eröffnet; das ist kleidsam, führt aber nicht weit. Ein Soldatengespräch im zweiten Kapitel ist vage dem Anfang des "Ulysses" nachgebildet; wenn man das nicht weiß, möchte man es glatt für langatmig halten. Schließlich geraten unsere Helden bei ihren Recherchen in ein Geheimarchiv der Bibliotheca Ulpia und entdecken dort "das zweite und dritte Buch des Aristoteles über die Komödie", "Helenas Tagebuch", "Die Briefe Alexanders an Aristoteles" und mehr. Da soll man erst an Eco denken und dann an den frühen Haefs, aber der Traditionsfaden, in den sich unser Autor dergestalt einwebt, hält nicht. Das Bildungsgut, das sich in "Der Name der Rose" bruchlos in die Kriminalstory einfügte, wirkt bei Haefs angestückt, es verlängert die Erzählung, ohne sie zu bereichern.
Auch ein echter Poeta doctus taucht in "Roma" auf; es ist jener Lukian von Samosata, der einen langen, schönen Dialog über das Schmarotzertum geschrieben hat, in dem die "Parasitik" zur königlichen Kunst erklärt wird. Haefs ißt ebenfalls gern von fremden Tischen, und so läßt er seinen Dichter eine lukianisch angehauchte Festrede über Bilche, eine Lieblingsspeise der Römer, halten und schickt ihn anschließend mit Fräulein Korinna ins Bett. "Ich glaube", sagt der Unsterbliche, bevor er verstummt, "dein Bilch will gebissen werden." Von solcher Güte sind leider viele Einfälle dieses Buchs.
Das Epigonale ist nicht das Problem des historischen Romans. Es ist das Gespreizte: das allzu Flotte, das angestrengt Ältliche. Vor letzterem ist Haefs klug zurückgewichen. Ersterem aber hat er sich ergeben, und so müssen wir lesen, wie die Heldin beim Rendezvous mit dem Helden spürt, daß "tief unten in ihr etwas zu glimmen begann", wie sie "dringlich, dringend, drängend" mit ihm zur Liebe schreitet. Tief unter den Travertinböden von "Roma" glimmt ein eher mäßiger erzählerischer Geschmack, der die schwungvolle Konzeption dieses Buches untergräbt. Zum erlösenden Schluß hat ein Chinese das letzte Wort: Was er dem Kaiser bei der morgendlichen Audienz von seinem Land erzählt habe, wird Herr Chi gefragt. "Gesagt: bei uns genau wie hier, nur anders." Anders wäre besser gewesen.
Gisbert Haefs: "Roma. Der erste Tod des Mark Aurel". Roman. Diana Verlag, München und Zürich 2002. 496 S., geb., 21,95
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»Gisbert Haefs bietet eine rechte Labsal auf der Wanderung durch die Berge historischer Romane. Also bitte, nickt man anerkennend, das kann man mit dem Genre also auch anstellen. Überaus einfallsreich.«
(DIE ZEIT)
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