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Dieses Buch erzählt vor allem vom intellektuellen Leben der noch immer geheimnisvollen und schwer verständlichen Sowjetunion, gezeichnet von einem Schriftsteller, dessen persönliche Integrität unangreifbar scheint. "Roman der Erinnerung" ist ein weiterer Schritt zu der Einsicht, was der menschenverachtende Stalinismus in siebzig Jahren Sowjetunion angerichtet hat. Die sehr persönliche Sicht des Autors und sein konkreter, oft journalistischer Stil machen diesen Bericht zu einer fesselnden Lektüre.

Produktbeschreibung
Dieses Buch erzählt vor allem vom intellektuellen Leben der noch immer geheimnisvollen und schwer verständlichen Sowjetunion, gezeichnet von einem Schriftsteller, dessen persönliche Integrität unangreifbar scheint. "Roman der Erinnerung" ist ein weiterer Schritt zu der Einsicht, was der menschenverachtende Stalinismus in siebzig Jahren Sowjetunion angerichtet hat. Die sehr persönliche Sicht des Autors und sein konkreter, oft journalistischer Stil machen diesen Bericht zu einer fesselnden Lektüre.
Autorenporträt
Thomas Reschke, 1932 in Danzig geboren, ist einer der profiliertesten Übersetzer aus dem Russischen und übertrug neben vielen zeitgenössischen Autoren Klassiker wie Michail Bulgakow, Maxim Gorki, Nikolaj Gogol und den Dichter und Liedermacher Bulat Okudschawa.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2001

Unordnung und später Ruhm
Anatoli Rybakow erinnert sich Von Kerstin Holm

Drei Jahre nach dem Tod von Anatoli Rybakow hat der Aufbau Verlag die Autobiographie dieses Bestsellerautors der Perestrojka-Epoche in deutscher Übersetzung herausgebracht. Die mehr als vierhundert Seiten starke Lebensbeschreibung versetzt den Leser in die Welt der inzwischen weitgehend abgetretenen Generation der sowjetischen Nachkriegsidealisten, jene auf das Gute im Menschen vertrauenden Intelligenzler, welche einen Sozialismus mit menschlichem, ja zivilisiertem Gesicht in ihrem Land für möglich hielten. Der Großvater des in einem ukrainischen Schtetl geborenen Rybakow war Kaufmann, die Generation des Vaters verschlug die Revolution in alle vier Winde, Rybakow selbst genoß eine gute Erziehung im bevorzugten Moskauer Arbat-Viertel. Der spätere Schriftsteller, den in seiner Kindheit altmodisches Bildungsgut, revolutionärer Enthusiasmus und der Wirtschaftsaufschwung während der "neuen Ökonomischen Politik" beeindruckten, schildert zugleich die Atmosphäre ständiger Furcht vor einer bürokratischen Obrigkeit, die ihn wie so viele andere ins Gefängnis warf und zu jahrelanger Verbannung verurteilte.

Dieses Drama seiner Generation hat Rybakow in seinem Lebenswerk "Die Kinder vom Arbat" verarbeitet. Die Biographie erwähnt einige Prototypen, erläutert die Geschichtsphilosophie des Autors und erzählt den zähen Kampf um die Veröffentlichung in der Heimat nach. Wie Rybakow für alles Schlimme im Sowjetprojekt Stalin und seine paranoide Psyche verantwortlich macht, den Massenmörder Lenin hingegen mit Hinweis auf sein NEP-Programm verteidigt und die archaisch wundergläubige russische Bevölkerungsmehrheit nicht als mitverantwortlich ansieht für die revolutionären Exzesse, das nimmt sich abenteuerlich naiv aus. Und die geistigen Auseinandersetzungen der Nachkriegsjahrzehnte, insbesondere der Kampf der Funktionärsclique des Schriftstellerverbandes, die Machtloyalität mit Privilegien entlohnte, und halbdissidentische Autoren, die Anstand und Ehrlichkeit auf die Waagschale warfen, wirken allenfalls rührend, öfter jedoch trostlos.

Das Vergnügen an Rybakows Aufzeichnungen leidet an einem aus seinem frustrierend verspäteten Schriftstellerruhm verständlichen Bedürfnis nach Selbstbestätigung, vor allem aber an seiner Vorliebe für deutlich positiv oder negativ gezeichnete Personen. Wirklich lebendig wird der Text, wo er Kriegserlebnisse schildert. Wie die dressierten Sowjetuntertanen als Vaterlandsverteidiger ihre schon vergessene menschliche Würde wiederentdecken - was sowohl die Repressionen nach Kriegsende als auch den bis heute ungetrübten romantischen Glanz der Kriegsepoche erklärt -, berührt noch heute unmittelbar. Ebenso die zwiespältigen Empfindungen der Polen, die sich über die Niederlage der Deutschen freuen, keineswegs jedoch über den Sieg der "Befreier". Oder die Freude entlassener Kriegsgefangener westlicher Länder, welche in die Sowjetunion heimkehrende Ex-Häftlinge so gar nicht teilen.

Wie viele Kriegsveteranen erzählt Rybakow, daß der Ingrimm auf die Deutschen nach deren Kapitulation augenblicklich in Sympathie für diese "fleißigen, pünktlichen" Leute umschlug. Und für die so oft stärkeverleihende Wirkung einer schönen Lebenslüge erkennt der Schriftsteller in der ostdeutschen Freundin eines Regimentskameraden aus Besatzungszeiten ein beunruhigendes Beispiel. Nachdem der Offizier wegfuhr und den Kontakt zu ihr abgebrochen hatte, erzählte die Frau ihrer aus der Verbindung hervorgegangenen Tochter, ihr Vater sei in jeder Hinsicht ein Held gewesen und dafür nach Sibirien geschickt worden. Das inzwischen herangewachsene Mädchen gelobte, sie werde niemals heiraten; denn einen Mann von der Vollkommenheit ihres Vaters könne sie nie finden.

Anatoli Rybakow: "Roman der Erinnerung". Memoiren. Aus dem Russischen übersetzt von Renate und Thomas Reschke. Aufbau Verlag, Berlin 2001. 442 S., Abb., geb., 44,90 DM.

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