"Ich bin immer so lange treu, wie es mir irgend möglich ist", verkündet die Tänzerin Lena Vogel gegenüber Baron Cerni, dem letzten ihrer zahlreichen Ehemänner, und stürzt sich in ein neues Abenteuer. In den pulsierenden Straßen und Bars von Berlin und Paris sowie in den Wiener Caféhäusern der zwanziger Jahre liebt sie das Leben und den Glanz ihrer Zeit. Sie inszeniert ihren Tanz als sanfte Wilde und als schillernder Paradiesvogel in einer Person. Ihr Leben endet explosionsartig. Lena Vogel verunglückt tödlich mit ihrem Rennwagen: 'Er begrub uns zu viel hinreißendes, junges Leben', klagte Klaus Mann 1929 in seinem Nachruf auf die Tänzerin Lena Amsel, die der Protagonistin in Ruth Landshoff-Yorcks Roman als Vorbild diente. Ebenso aufregend wie der Roman selbst ist auch dessen Vorgeschichte: Nach "Die Vielen und der Eine" war auch die Veröffentlichung des zweiten Roman der deutsch-jüdischen Schriftstellerin bei Rowohlt vorgesehen. Die Korrekturfahnen des Verlags erreichten Ruth Landshoff-Yorck noch, doch Hitlers Machtergreifung verhinderte ein Erscheinen des Buches. Ruth Landshoff-Yorck nahm die Fahnen mit ins Exil, wodurch sie in ihrem Nachlass erhalten geblieben sind."Mit der Neu- bzw. Erstveröffentlichung der beiden frühen Romane lernt man Ruth Landshoff-Yorck als eine Autorin kennen, die den flüchtigen Zeitgeist einfing." (Sabine Rohlf, Berliner Zeitung)
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Ruth Landshoff-Yorcks "kleiner Roman" ist "ein echter Fund", meint Heribert Kuhn beeindruckt. Denn mit diesem Roman über die Tänzerin Lena Vogel, der wirklich existierenden Tänzerin Lena Amsel nachempfunden, die eigentlich gar nicht tanzen konnte, aber gerade deshalb in den zwanziger Jahren eine neue Tanzkultur verkörperte, liefere die Nichte des Verlegers Samuel Fischer einen "wichtigen Baustein" für eine noch zu schreibende Geschichte einer literarischen Reflexion über das gleichzeitig "beglückende" wie "zerstörerische" beschleunigte Leben der Moderne in den ersten zwanzig Jahren des letzen Jahrhunderts. Sehr "präzise" beschreibe Landshoff-Yorck weniger den Tanz, als vielmehr die Leidenschaft für das Automobil, das der Tänzerin Vogel letztlich zum Verhängnis wird. "Folgerichtig" untersucht der Roman den Zusammenhang der Figur der Tänzerin mit dem "Hochleistungsmotor eines Rennwagens", staunt der Rezensent. Davon ganz abgesehen habe die Autorin den Charme, geschlechtlichen Uneindeutigkeiten und dem Geist der "wilden Zwanziger" ein Denkmal gesetzt. "Sehr informativ" findet Kuhn außerdem den Begleittext von Walter Fähnders zu diesem zuerst Anfang der dreißiger Jahre erschienenen Roman.
© Perlentaucher Medien GmbH
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