Die Wanderschauspieler, unter die es Wilhelm Meister verschlägt, wurden im 18. Jahrhundert dem fahrenden Volk zugerechnet, einer Schicht also, die man in Wilhelms Herkunftswelt mit Chaos, Kriminalität und Sexualität assoziierte. Goethes Schwager Schlosser hat den Roman denn auch als ein "Bordell" bezeichnet, "das nur zur Herberge dienen sollte für vagabondirendes Lumpengesindel."
Was von den Zeitgenossen noch als Provokation wahrgenommen wurde, haben dann hundert Jahre Interpretation als klassischer Bildungsroman völlig überdeckt. Nimmt man die Provokation aber ernst, so stellt sich die Frage, warum der Bildungsweg des Helden so entschieden der väterlich-patrizischen Ordnung seiner Herkunft entgegengesetzt wird. Ein Vergleich mit den ethnologischen und religionswissenschaftlichen Theorien der Initiation von Arnold van Gennep, Mircea Eliade und Victor Turner zeigt, daß der Gang durchs Anarchisch-Asoziale ein zentrales Element der unterschiedlichsten Initiations-Rituale darstellt. Wilhelm Meisters Weg rückt damit in die Nachbarschaft einer sehr alten und universal verbreiteten sozialen Institution, mit der er tatsächlich ja auch das Ziel gemeinsam hat: den Übertritt aus der Sphäre der Kindheit in die Welt der Erwachsenen. Im Horizont der Aufklärung erscheint dieser Übertritt als der paradoxe Schritt von kindlicher Abhängigkeit zu erwachsener Mündigkeit. Goethe sucht dieses Paradox der Entstehung von Autonomie zu lösen, indem er das rituelle Muster der Initiation mit seiner Theorie der Metamorphose zu etwas Neuem verknüpft: zum Roman von der zwischen naturgeleiteter Entwicklung, äußerer Einwirkung und selbständiger Leistung oszillierenden Bildung zum mündigen Bürger.
Was von den Zeitgenossen noch als Provokation wahrgenommen wurde, haben dann hundert Jahre Interpretation als klassischer Bildungsroman völlig überdeckt. Nimmt man die Provokation aber ernst, so stellt sich die Frage, warum der Bildungsweg des Helden so entschieden der väterlich-patrizischen Ordnung seiner Herkunft entgegengesetzt wird. Ein Vergleich mit den ethnologischen und religionswissenschaftlichen Theorien der Initiation von Arnold van Gennep, Mircea Eliade und Victor Turner zeigt, daß der Gang durchs Anarchisch-Asoziale ein zentrales Element der unterschiedlichsten Initiations-Rituale darstellt. Wilhelm Meisters Weg rückt damit in die Nachbarschaft einer sehr alten und universal verbreiteten sozialen Institution, mit der er tatsächlich ja auch das Ziel gemeinsam hat: den Übertritt aus der Sphäre der Kindheit in die Welt der Erwachsenen. Im Horizont der Aufklärung erscheint dieser Übertritt als der paradoxe Schritt von kindlicher Abhängigkeit zu erwachsener Mündigkeit. Goethe sucht dieses Paradox der Entstehung von Autonomie zu lösen, indem er das rituelle Muster der Initiation mit seiner Theorie der Metamorphose zu etwas Neuem verknüpft: zum Roman von der zwischen naturgeleiteter Entwicklung, äußerer Einwirkung und selbständiger Leistung oszillierenden Bildung zum mündigen Bürger.