«Ein Geniestreich ist dieser Roman.» Ina Hartwig, Die Zeit
Ein scheinbar ewiger Sommer umfängt die Neue Siedlung, ein verlassenes Wirtshaus unter uralten Kastanien und die Laubenkolonie, wo die Kinder sich die großen Ferien vertreiben. Langsam, kaum merklich, sickert das Unheimliche ein: Ein Mord wird angekündigt, dann kommen die Boten, buchstäblich aus einer anderen Welt. Wer wird verhindern, dass es eines der Siedlungskinder auf die Nachtseite dieses Sommers hinüberzieht?
Ein Kindheitsroman voll fiebrigem Witz und dunkler Einsicht - ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2010.
«Georg Kleins bestes Buch - die wahre Geschichte unserer Kindheit.»
CHRISTOPHER SCHMIDT, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
«Eine solche Hülle und Fülle an Erzählkunst hat es selbst bei Georg Klein noch nicht gegeben.»
JUDITH VON STERNBURG, FRANKFURTER RUNDSCHAU
Ein scheinbar ewiger Sommer umfängt die Neue Siedlung, ein verlassenes Wirtshaus unter uralten Kastanien und die Laubenkolonie, wo die Kinder sich die großen Ferien vertreiben. Langsam, kaum merklich, sickert das Unheimliche ein: Ein Mord wird angekündigt, dann kommen die Boten, buchstäblich aus einer anderen Welt. Wer wird verhindern, dass es eines der Siedlungskinder auf die Nachtseite dieses Sommers hinüberzieht?
Ein Kindheitsroman voll fiebrigem Witz und dunkler Einsicht - ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2010.
«Georg Kleins bestes Buch - die wahre Geschichte unserer Kindheit.»
CHRISTOPHER SCHMIDT, SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
«Eine solche Hülle und Fülle an Erzählkunst hat es selbst bei Georg Klein noch nicht gegeben.»
JUDITH VON STERNBURG, FRANKFURTER RUNDSCHAU
Der Schriftsteller Georg Klein lockt seine Leser in fantastische Zwischenwelten voller Zeitschleifen, Kippmomente und übersensibler Körper. Die Wirklichkeit wird dabei virtuos infrage gestellt. Ulrich Rüdenauer Philosophie Magazin 20230314
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2010Wenn die Stollen Trauer tragen
Nicht nachfragen, lieber Leser, sonst holt dich der Wespenmann: Der schwarze Magier Georg Klein verhext eine Ruhrpott-Kindheit in einen düsteren, bluttriefenden Sommernachtstraum.
Von Katharina Teutsch
Georg Klein hat gesammelt und verdichtet, was an Mythos und Metapher, an Mann und Maus, an Signifikat und Signifikant zu haben war. Er hat das, was die Kritik an seinen Büchern bisher euphorisch liebte oder beleidigt verschmähte, noch einmal aufgerufen im intimen Kosmos einer Kindheitserinnerung. Und dann hat er es gären, zischen und blubbern lassen und es seinen Lesern überlassen, in die braunrote Brühe aus Staub, Blut und Gebein hinabzusteigen.
In "Libidissi" (1998), Kleins erster Romanveröffentlichung nach langen Jahren des Schreibens für die Schublade, ging es um eine fiktive Stadt, angesiedelt zwischen Orient und Okzident; geschrieben wurde abwechselnd aus der Perspektive des Geheimagenten Spaik und seiner schmierigen Verfolger, eine sprachlich faszinierende Kreuzung aus Agentengeschichte und urbaner Utopie. In rascher Folge legte der Autor seither insgesamt fünf Bücher vor. Georg Klein wurde zur literaturbetrieblichen Spätentdeckung des letzten Jahrzehnts.
Handlungsort des neuen Romans ist eine Siedlung am Rande von Oberhausen. Etwa dreißig Kinder tummeln sich Anfang der sechziger Jahre zwischen dem "erbsengrünen", dem "kanariengelben", dem "türkisen" und dem verfluchten "knochenbleichen weißen Block". Acht von ihnen wird der Leser im Laufe der Geschichte näher kennenlernen: "den Schniefer", "den Wolfskopf", "die Schicke Sybille", "die kleine Schwester der Schicken Sybille", "den Ami-Michi", "die Witzigen Zwillinge" und "den Großen Bruder".
Der Grundriss des Romans weist zwei dezent voneinander geschiedene Hälften auf, er zerfällt in eine Tag- und eine Nachtseite, in Schwarz und in Weiß, in eine profane Ober- und eine numinose Unterwelt. Dieser bei Klein nicht neuen manichäischen Logik folgen die Kapitelüberschriften mit den Variationen Sonnen- und Regentag einerseits und Sommernacht andererseits.
Georg Klein beginnt seine Geschichte mit der Schilderung eines Fahrradunfalls. Der Fuß ist dem "Großen Bruder" in die Speichen geraten. Es schmerzt und pocht. Blut tropft vom Bein, und es ist, als liefe dem Verletzten "eine Wabe seiner Seele aus". Bereits auf den ersten Seiten wird die binnenklimatische Wende mit einem im Wortsinn "einschneidenden" Ereignis angezeigt. Nachdem die Sommertage sich überwiegend im Freien abspielten, lockt die Sommernacht ihre Akteure auf das Terrain einer alten Brauerei, in Stollen, Schächte und geheime Gänge, für die Klein seit je ein morbides Interesse hegt. Ein Kritiker meinte vor Jahren, er fühle sich bei der Klein-Lektüre weniger an Kafka erinnert als an Enid Blyton. "Fünf Freunde geraten in Schwierigkeiten" oder "Fünf Freunde wittern ein Geheimnis" wären auch hier würdige Vorbilder gewesen. Werden sich im düsteren "Bärenkeller" auch die Kinderseelen verdunkeln?
Während der Alltag der Siedlung von einem rhetorischen Zauber umhüllt und von einem göttlich entrückten Ich-Erzähler beiläufig geschildert wird, entwickelt sich die eigentliche Handlung auf einer höheren Ebene. Die Mäuse prophezeien es, der "Kiki-Mann", ihr taubstummer Bote, stottert es heraus: Eines der Siedlungskinder soll ermordet werden. Von wem? Weshalb? Und wann? Und was haben der seltsame "Mann ohne Gesicht", der "Fehlharmoniker" und der "Kommandant Silber" damit zu schaffen - Kriegsveteranen allesamt, Gestalten einer ominösen Zwischenwelt?
Klein ist unerbittlich. Nichts wird aufgeklärt, nichts soll aufgeklärt werden. Der Roman arbeitet mit erhöhtem Aufwand an der Verunsicherung des Lesers, der mit Suspense-Techniken und unterirdischen Stinke-Labyrinthen bei der Stange gehalten wird. Klein lässt seinem Andeutungsextremismus freien Lauf: Es gibt ein reliquienartig blutendes Architekturmodell zu tun, eine fremdzüngelnde Sterbende, eine gefledderte Leiche und immer wieder bedrohliche Tiere: Mäuse, Asseln, Vögel.
Mal spukt der böse Dämon, als der sich der göttliche Ich-Erzähler schließlich zu erkennen gibt, im Körper eines Wespen massakrierenden Mädchens; mal scheint er sich im Geist eines Ungeborenen zu inkarnieren. Mal treibt das listige Biest sein Unwesen an der Seite eines Kriegskrüppels; dann wieder scheint es selbst bedroht von einem kegelnden Blutmonster, das es auf die Rasselbande abgesehen hat. So fühlt man sich von diesem Buch abwechselnd verführt und betrogen - verführt von der überbordenden Imagination seines Autors, betrogen von den unerfüllten Versprechen seiner Suggestionen.
Im Planquadrat der Neuen Siedlung wird der alte Braukeller zum magischen Zentrum - aber wovon eigentlich? Von einem schwülen Sommernachtstraum? Oder ist alles nur eine kühne Behauptung oder reine Einbildung? Es ist schade, dass Georg Klein mit beeindruckend heißem Atem Bücher schreibt, die einen am Ende seltsam kalt lassen. Das notorisch Symbolische maskiert einen großen Bluff; der magisch-realistische Showdown verrutscht ins Splatter-Genre. Am Ende schreibt Klein etwas vom "kleinen" und vom "großen Imker". Das bezieht sich sicher auf die ausgelaufene Wabe vom Anfang. Oder auf Nietzsche.
Roberto Bolaño schrieb einmal über Kafka, dieser habe begriffen, "dass Reisen, Sexualität und Bücher Wege sind, die nirgendwohin führen, auf die man sich aber dennoch begeben muss, um sich zu verirren und wiederzufinden". Oder um überhaupt etwas zu finden, "vielleicht eine Methode, mit etwas Glück: das Neue, das, was immer schon da war".
Bei aller Bewunderung für den Sprachkünstler und Weltenkonstrukteur Georg Klein, man birgt von seiner unterirdischen Reise nur wenig, das dem Tageslicht standhielte. In diesem Sinne und, um es mit dem Worten des Autors selbst zu sagen: "Was ihm da in den Augen blaut, könnte das Übermaß an Hellsicht sein, aus dem sich irgendwann betrügerischer, mit Glück vor allem selbstbetrügerischer, mit übergroßem Ausnahmeglück sogar ein künstlerischer Mehrwert schlagen ließe."
Georg Klein: "Roman unserer Kindheit". Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2010. 448 S., geb., 22,95 [Euro].
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Nicht nachfragen, lieber Leser, sonst holt dich der Wespenmann: Der schwarze Magier Georg Klein verhext eine Ruhrpott-Kindheit in einen düsteren, bluttriefenden Sommernachtstraum.
Von Katharina Teutsch
Georg Klein hat gesammelt und verdichtet, was an Mythos und Metapher, an Mann und Maus, an Signifikat und Signifikant zu haben war. Er hat das, was die Kritik an seinen Büchern bisher euphorisch liebte oder beleidigt verschmähte, noch einmal aufgerufen im intimen Kosmos einer Kindheitserinnerung. Und dann hat er es gären, zischen und blubbern lassen und es seinen Lesern überlassen, in die braunrote Brühe aus Staub, Blut und Gebein hinabzusteigen.
In "Libidissi" (1998), Kleins erster Romanveröffentlichung nach langen Jahren des Schreibens für die Schublade, ging es um eine fiktive Stadt, angesiedelt zwischen Orient und Okzident; geschrieben wurde abwechselnd aus der Perspektive des Geheimagenten Spaik und seiner schmierigen Verfolger, eine sprachlich faszinierende Kreuzung aus Agentengeschichte und urbaner Utopie. In rascher Folge legte der Autor seither insgesamt fünf Bücher vor. Georg Klein wurde zur literaturbetrieblichen Spätentdeckung des letzten Jahrzehnts.
Handlungsort des neuen Romans ist eine Siedlung am Rande von Oberhausen. Etwa dreißig Kinder tummeln sich Anfang der sechziger Jahre zwischen dem "erbsengrünen", dem "kanariengelben", dem "türkisen" und dem verfluchten "knochenbleichen weißen Block". Acht von ihnen wird der Leser im Laufe der Geschichte näher kennenlernen: "den Schniefer", "den Wolfskopf", "die Schicke Sybille", "die kleine Schwester der Schicken Sybille", "den Ami-Michi", "die Witzigen Zwillinge" und "den Großen Bruder".
Der Grundriss des Romans weist zwei dezent voneinander geschiedene Hälften auf, er zerfällt in eine Tag- und eine Nachtseite, in Schwarz und in Weiß, in eine profane Ober- und eine numinose Unterwelt. Dieser bei Klein nicht neuen manichäischen Logik folgen die Kapitelüberschriften mit den Variationen Sonnen- und Regentag einerseits und Sommernacht andererseits.
Georg Klein beginnt seine Geschichte mit der Schilderung eines Fahrradunfalls. Der Fuß ist dem "Großen Bruder" in die Speichen geraten. Es schmerzt und pocht. Blut tropft vom Bein, und es ist, als liefe dem Verletzten "eine Wabe seiner Seele aus". Bereits auf den ersten Seiten wird die binnenklimatische Wende mit einem im Wortsinn "einschneidenden" Ereignis angezeigt. Nachdem die Sommertage sich überwiegend im Freien abspielten, lockt die Sommernacht ihre Akteure auf das Terrain einer alten Brauerei, in Stollen, Schächte und geheime Gänge, für die Klein seit je ein morbides Interesse hegt. Ein Kritiker meinte vor Jahren, er fühle sich bei der Klein-Lektüre weniger an Kafka erinnert als an Enid Blyton. "Fünf Freunde geraten in Schwierigkeiten" oder "Fünf Freunde wittern ein Geheimnis" wären auch hier würdige Vorbilder gewesen. Werden sich im düsteren "Bärenkeller" auch die Kinderseelen verdunkeln?
Während der Alltag der Siedlung von einem rhetorischen Zauber umhüllt und von einem göttlich entrückten Ich-Erzähler beiläufig geschildert wird, entwickelt sich die eigentliche Handlung auf einer höheren Ebene. Die Mäuse prophezeien es, der "Kiki-Mann", ihr taubstummer Bote, stottert es heraus: Eines der Siedlungskinder soll ermordet werden. Von wem? Weshalb? Und wann? Und was haben der seltsame "Mann ohne Gesicht", der "Fehlharmoniker" und der "Kommandant Silber" damit zu schaffen - Kriegsveteranen allesamt, Gestalten einer ominösen Zwischenwelt?
Klein ist unerbittlich. Nichts wird aufgeklärt, nichts soll aufgeklärt werden. Der Roman arbeitet mit erhöhtem Aufwand an der Verunsicherung des Lesers, der mit Suspense-Techniken und unterirdischen Stinke-Labyrinthen bei der Stange gehalten wird. Klein lässt seinem Andeutungsextremismus freien Lauf: Es gibt ein reliquienartig blutendes Architekturmodell zu tun, eine fremdzüngelnde Sterbende, eine gefledderte Leiche und immer wieder bedrohliche Tiere: Mäuse, Asseln, Vögel.
Mal spukt der böse Dämon, als der sich der göttliche Ich-Erzähler schließlich zu erkennen gibt, im Körper eines Wespen massakrierenden Mädchens; mal scheint er sich im Geist eines Ungeborenen zu inkarnieren. Mal treibt das listige Biest sein Unwesen an der Seite eines Kriegskrüppels; dann wieder scheint es selbst bedroht von einem kegelnden Blutmonster, das es auf die Rasselbande abgesehen hat. So fühlt man sich von diesem Buch abwechselnd verführt und betrogen - verführt von der überbordenden Imagination seines Autors, betrogen von den unerfüllten Versprechen seiner Suggestionen.
Im Planquadrat der Neuen Siedlung wird der alte Braukeller zum magischen Zentrum - aber wovon eigentlich? Von einem schwülen Sommernachtstraum? Oder ist alles nur eine kühne Behauptung oder reine Einbildung? Es ist schade, dass Georg Klein mit beeindruckend heißem Atem Bücher schreibt, die einen am Ende seltsam kalt lassen. Das notorisch Symbolische maskiert einen großen Bluff; der magisch-realistische Showdown verrutscht ins Splatter-Genre. Am Ende schreibt Klein etwas vom "kleinen" und vom "großen Imker". Das bezieht sich sicher auf die ausgelaufene Wabe vom Anfang. Oder auf Nietzsche.
Roberto Bolaño schrieb einmal über Kafka, dieser habe begriffen, "dass Reisen, Sexualität und Bücher Wege sind, die nirgendwohin führen, auf die man sich aber dennoch begeben muss, um sich zu verirren und wiederzufinden". Oder um überhaupt etwas zu finden, "vielleicht eine Methode, mit etwas Glück: das Neue, das, was immer schon da war".
Bei aller Bewunderung für den Sprachkünstler und Weltenkonstrukteur Georg Klein, man birgt von seiner unterirdischen Reise nur wenig, das dem Tageslicht standhielte. In diesem Sinne und, um es mit dem Worten des Autors selbst zu sagen: "Was ihm da in den Augen blaut, könnte das Übermaß an Hellsicht sein, aus dem sich irgendwann betrügerischer, mit Glück vor allem selbstbetrügerischer, mit übergroßem Ausnahmeglück sogar ein künstlerischer Mehrwert schlagen ließe."
Georg Klein: "Roman unserer Kindheit". Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2010. 448 S., geb., 22,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Höchst fasziniert ist Christopher Schmidt von Georg Kleins jüngstem Roman, den er ohne einen Hauch von Zweifel als dessen "bestes Buch" preist. Tief taucht der Autor darin ein in die magische Welt der Kindheit, die, wie der Rezensent schreibt, so allgemeingültig ist wie die "Mythen und Märchen". Der Roman handelt von einem Kindermörder, der in Gestalt eines Bären von einer Kinderbande in einer Provinzstadt der 60er Jahre gejagt wird, lässt der Rezensent wissen. Die schier endlosen Sommerferien werden uns dabei so "abgründig" vor Augen geführt, als hätte David Lynch ein Remake vom "Es geschah am helllichten Tag" aus den 50er Jahren vorgelegt, so Schmidt weiter. Der Kinderbande wird eine Gruppe von Kriegsversehrten gegenübergestellt, deren Kriegserlebnisse mit den Gewalterfahrungen der Kinder seltsam korrespondieren und deren Schilderung der Rezensent als ein Glanzstück dieses Romans bejubelt. Und der Roman überzeugt den Rezensenten mit seiner abgründigen Erzähllust, seinem feinen Netz an Verweisen und Verbindungslinien, seiner "schalkhaften Dämonie" und seiner seltsamen Traumlogik als die "wahre Geschichte unserer Kindheit".s
© Perlentaucher Medien GmbH
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