Selbst wohlwollende Betrachter und auch die Autorin dieser fleißig verfassten Biographie müssen zugestehen, dass eine Beschäftigung mit Leben und Werk Guardinis heute bestenfalls nur altmodisch anmutet.
Für philosophisch theologische Grenzgänger sind Guardinis Bücher 'Der Herr', 'Vom Sinn der
Schwermut' und 'Die Annahme seiner selbst' trotz manchmal archaischer Sprache immer noch lesenswert. Als…mehrSelbst wohlwollende Betrachter und auch die Autorin dieser fleißig verfassten Biographie müssen zugestehen, dass eine Beschäftigung mit Leben und Werk Guardinis heute bestenfalls nur altmodisch anmutet.
Für philosophisch theologische Grenzgänger sind Guardinis Bücher 'Der Herr', 'Vom Sinn der Schwermut' und 'Die Annahme seiner selbst' trotz manchmal archaischer Sprache immer noch lesenswert. Als schon zu sehr zeitbezogen sind sicherlich die Bücher über Augustinus, Hölderlin, Dante und Pascal einzuordnen, deren Verwendung in philosophischen Seminararbeiten heutigen Professoren ein Schmunzeln hervorruft. Endgültig ad acta sollte man den eigentlichen Klassiker 'Vom Geist der Liturgie' legen, der als einstige Programmschrift für die liturgische Bewegung in der Mitte des 20. Jahrhundert Guardini bekannt machte. Zur heutigen Diskussion über die tridentinische Messe kann 'Vom Geist der Liturgie' heute nichts mehr beitragen.
Lohnt sich dennoch die Lektüre dieser Biographie die reichlich genau, mitunter überflüssig detailreich ist? Ist es wirklich wichtig zu erfahren, dass z.B. Guardini es fast unmöglich war, in Bettwäsche aus gelber Kunstseide zu nächtigen? Gelegentlich beschleicht den Leser das Gefühl voyeuristischer Komplizenschaft, gerade wenn es auch um die psychosomatischen Beschwerden von Guardini geht. Auch die ellenlangen Ausführungen wer wen getroffen oder Briefe geschrieben hat sind ehrlicherweise nicht interessant, weil der Bekanntenkreis Guardinis nicht gerade die erste Garde der deutschen Geistkultur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war. Die Schilderung der Quickborn-Bewegung und Burg Rothenfels sind - positiv ausgedrückt - mit dieser Biographie umfassenst und endgültig dokumentiert. In der Breite in der diese Bewegungen geschildert werden ist auch etwas Entlarvendes. Während die Weimarer Republik untergeht, üben sich katholisch Jugendbewegte auf Burg Rothenfels in Diskussionen, Tänzen, Sprechgesängen etc. Diese Kritik auch an Guardini sieht die Autorin durchaus, so dass diese Biographie auch nicht als unkritisch bezeichnet werden kann.
Insgesamt also: Für Interessierte ist das Buch nicht ohne Reiz.