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Der Romantikforscher Klaus Günzel läßt in Texten und Bildern die Atmosphäre der Elbestadt zwischen dem ersten Aufenthalt Friedrich Schlegels in Dresden, im Mai 1792, und dem Tod Ludwig Richters, im Juni 1884, wiedererstehen - nahezu ein ganzes Jahrhundert, das Aufstieg, Blüte und Nachsommer, Metamorphosen, Akzentverschiebungen und Auflösungstendenzen der Romantik gesehen hat. In fünfzehn Kapiteln erzählt er von den großen schöpferischen Persönlichkeiten der Zeit, aber auch von den Residenzlern und den sogenannten "Kleinmeistern", die das Profil einer Epoche ganz erheblich mit bestimmen.

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Produktbeschreibung
Der Romantikforscher Klaus Günzel läßt in Texten und Bildern die Atmosphäre der Elbestadt zwischen dem ersten Aufenthalt Friedrich Schlegels in Dresden, im Mai 1792, und dem Tod Ludwig Richters, im Juni 1884, wiedererstehen - nahezu ein ganzes Jahrhundert, das Aufstieg, Blüte und Nachsommer, Metamorphosen, Akzentverschiebungen und Auflösungstendenzen der Romantik gesehen hat. In fünfzehn Kapiteln erzählt er von den großen schöpferischen Persönlichkeiten der Zeit, aber auch von den Residenzlern und den sogenannten "Kleinmeistern", die das Profil einer Epoche ganz erheblich mit bestimmen.
Autorenporträt
Klaus Günzel lebt als freier Autor in Zittau. Er hat sich mit zahlreichen Publikationen einen Namen als Kenner der deutschen Romantik und Kulturgeschichte der Goethezeit gemacht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.03.1997

In der Schlacht an dich gedacht
Werbeschrift für Nostalgiker: Klaus Günzel begegnet der Romantik in Dresden / Von Ernst Osterkamp

Dieses Buch, "mit Unterstützung des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst" auf gutem Papier schön gedruckt und mit vielen Abbildungen aufs trefflichste ausgestattet, wird gewiß von Freunden Dresdens und der Romantik oft und gern an Freunde Dresdens und der Romantik verschenkt werden. Es sind aber auch Freunde Dresdens und der Romantik vorstellbar, die es nicht geschenkt haben möchten.

Romantik in Dresden: Dies ist ein großes und nicht unkompliziertes Thema. Das liegt daran, daß Dresden anders als Jena oder Heidelberg nicht für einen engbegrenzten Zeitraum der Ort einer bestimmten romantischen Schule gewesen ist. Eine Vielzahl von bedeutenden Künstlern, die auf unterschiedlichste Weise mit dem Romantischen verbunden waren, hat kürzere oder längere Zeit in Dresden gelebt und in der Stadt entscheidende Anregungen für das eigene Werk erfahren: Dichter ebenso wie Maler und Musiker. Die grandiose Architektur des augusteischen Dresdens, die seit 1728, als zentrale Bestände der römischen Sammlungen Chigi und Albani angekauft werden konnten, bedeutendste Antikensammlung Deutschlands, die von Anton Raphael Mengs initiierte Sammlung von Gipsabgüssen antiker Skulpturen, eine in ganz Europa berühmte Gemäldegalerie, der 1753 mit dem Ankauf von Raffaels Sixtinischer Madonna ein besonderes Glanzstück hinzugefügt worden war, eine große musikalische Tradition in der Oper, nicht anders als in der geistlichen Musik, schließlich die landschaftliche Schönheit des Elbtals: all dies sicherte Dresden seinen exzeptionellen Rang als Kunststadt auch für jene künstlerischen Bewegungen, die sich vom 1755 in Dresden von Winckelmann theoretisch begründeten Klassizismus entschieden abzugrenzen suchten.

In Dresden entstand mit Friedrich Schlegels großer Abhandlung "Über das Studium der griechischen Poesie" ein Programm der romantischen Ästhetik; in der Dresdner Galerie wurden im Gespräch zwischen den Brüdern Schlegel, Caroline, Novalis und Schelling zentrale Maximen der romantischen Kunstauffassung ausgebildet; in Dresden schrieb Heinrich von Kleist "Penthesilea", "Käthchen", "Hermannsschlacht" und einige seiner bedeutendsten Erzählungen; hier lebte und arbeitete von 1798 bis zu seinem Tode im Jahre 1840 Caspar David Friedrich, der größte Meister der romantischen Landschaft; hier entstanden von Webers "Freischütz" bis zu Wagners "Tannhäuser" die Hauptwerke der romantischen Oper. Die Dresdner Gemäldegalerie wurde zu einem zentralen Inspirationsraum romantischer Künstler, Raffaels Sixtinische Madonna zur Ikone romantischer Identitätsbildung.

Das spannungsvolle Wechselverhältnis von Dichtung, bildender Kunst, Musik und Theater in Dresden zum Ende des achtzehnten und in den ersten Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts ist erstaunlicherweise nie im Zusammenhang dargestellt worden. Um so gespannter nimmt man Klaus Günzels neues Buch zur Hand, das diese Lücke schließen will - erwartungsvoll auch deshalb, weil Günzel als Autor zahlreicher Lebensbilder von bedeutenden romantischen Autoren ein ausgewiesener Kenner der Materie ist. Die Enttäuschung freilich ist herb.

Günzel will ausdrücklich nicht für "Fachgelehrte und altgediente Kenner der Materie" schreiben und hat sich deshalb für "eine essayistische, bisweilen feuilletonistische Darstellungsweise" entschieden. Man sollte aber einen Text, der in sahniger Prosa Episode an Episode, Anekdote an Anekdote, Klischee an Klischee reiht, nicht feuilletonistisch oder gar essayistisch nennen.

Der großzügig bebilderte Text setzt ein mit dem ersten Besuch des "enthusiastisch gestimmten Jünglings" Goethe in Dresden im Jahre 1768 und endet mit dem Finale des "Parsifal" (1882) als dem "klingenden Schlußstein" all dessen, "was Wagner je mit dem ,deutschen Florenz' verbunden hat", und mit dem Tod Ludwig Richters im Jahre 1884. Fragt man danach, was all die Künstler und Autoren verbindet, so erhält man dies zur Antwort: "Es war, wenn man dies alles überhaupt auf einen Nenner bringen will, der Geist der Romantik, der sie gemeinsam anrührte und inspirierte, fast ein Jahrhundert lang." Wenn das so ist, kann der gemeinsame Nenner nur ein Klischee sein.

So zaubert Günzel aus der Mottenkiste der geistesgeschichtlichen Synthesen die Romantik als einen Passepartout-Begriff hervor, als habe es alle jüngeren Diskussionen um den Romantik- oder Biedermeier-Begriff nicht gegeben. Natürlich weiß er genau, daß "die deutsche Romantik nie eine homogene Bewegung" gewesen ist, und dennoch spricht er beherzt vom "Menschen- und Naturbild der deutschen Romantik", vom "romantischen Naturverständnis", vom "romantischen Menschen" oder gar vom "Lager der Romantik", denn dies dient der Bequemlichkeit des Autors. Der Leser aber gewinnt so von der Vielschichtigkeit und Komplexität, aber auch von der Widersprüchlichkeit der künstlerischen Entwürfe dieser Zeit keinerlei Vorstellung.

So steigt Dresden aus der Nacht, in der alle Katzen grau sind, als "eine Metropole der deutschen Romantik" empor. Und während Günzel auf der einen Seite zu Recht betont, es habe eine "Dresdner Romantik" als "genau fixierbare Schule" nie gegeben, so rühmt er auf der anderen doch Tieck und Ludwig Richter, Wagner und Schumann dafür, daß sie "alle Strahlungen der Dresdner Romantik aufgenommen" und "die Summe der Dresdner Romantik gezogen" hätten. Die von Gerhard Schulz 1983 in seiner Geschichte der deutschen Literatur von 1789 bis 1806 ausgesprochene Mahnung an die Literaturhistoriker, "Romantik" nur noch ohne Artikel zu verwenden - Günzel jedenfalls, der Schulz' Werk im Literaturverzeichnis aufführt, hat sie überhört. Und so kann er denn schreiben, "die Romantik" behielt über das "Ende der Kunstperiode" 1832 in Dresden "noch ein Refugium".

Das von Günzel ausgebreitete Material ist dem Leser in der Regel aus Günter Jäckels 1987 und 1989 noch in der DDR erschienenen informativen Anthologien "Dresden zur Goethezeit" und "Dresden zwischen Wiener Kongreß und Maiaufstand" gut bekannt. Es wird von einer Kunst der erzählerischen Vergegenwärtigung arrangiert, die Schiller den "jungen Feuerkopf aus dem Schwäbischen" und Wilhelmine Schröder-Devrient eine "leidenschaftliche Blondine und enragierte Sängerin" nennt. Dutzendfach kehrt die Floskel vom "deutschen Florenz" wieder. Im Kapitel über Carl Maria von Weber erfährt der Leser, schräg gegenüber von dessen Wohnung habe Tieck gewohnt, im Kapitel über Tieck, schräg gegenüber von dessen Wohnung habe der Hofkapellmeister Weber gewohnt. Von E. T. A Hoffmann teilt Günzel uns mit, er hätte 1813 auf dem Schlachtfeld von Dresden dem zehnjährigen Ludwig Richter begegnen können, und von dem zehnjährigen Ludwig Richter erfahren wir, daß er 1813 auf dem Schlachtfeld vor den Toren Dresdens E.T.A. Hoffmann getroffen haben könnte. Gut zu wissen!

Wenn Günzel erzählt, Novalis' Jugendfreund Dietrich von Miltitz sei erst im Greisenalter aus preußischen Diensten auf sein Schloß Siebeneichen zurückgekehrt, so erinnert ihn das an ein berühmtes Wort des Novalis: "Wo gehn wir denn hin? - Immer nach Hause." Und mit gleicher Unbekümmertheit zitiert er dies Wort bei der Betrachtung von Caspar David Friedrichs Gemälde "Der Abendstern", ohne hier wie dort zu bemerken, auf welche Trivialisierung und Sentimentalisierung frühromantischer Poesie dies hinausläuft. Den Gipfel zartfühlender Zitierkunst aber erreicht Günzel, wenn er dem Leser mitteilt, Carl Gustav Carus habe Raffaels Sixtinische Madonna in Beziehung zum letzten Vers des "Faust II" gesetzt, um dann so fortzufahren: "Das ,ewig Weibliche' begann aber aus seinem [Carus'] Lebenskreis zu schwinden. Es starben seine Frau und die Lieblingstochter Marianne, die ihn versorgt hatte." Hätte uns ein gütiges Lektorat nicht vor dergleichen bewahren können?

Günzel läßt Wackenroder und Tieck 1796 in Dresden "Botticellis" bewundern, die erst in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts erworben wurden; Rumohrs berühmtes Buch "Geist der Kochkunst" heißt hier "Vademekum der Kochkunst", und daß er Elisa von der Recke 1789 in Körners Weinberg mit dem preußischen Gesandten Graf von Geßler "flirten" läßt, zeigt, daß er vom heutigen Publikumsgeschmack viel, von Elisa von der Recke aber wenig versteht. Was bleibt? Eine insgesamt durchaus hübsche touristische Werbeschrift für Dresden-Nostalgiker. Die erhoffte Monographie über Romantik in Dresden ist dies nicht.

Klaus Günzel: "Romantik in Dresden". Gestalten und Begegnungen. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1997.

320 S., zahlr. Abb., geb., 54,- DM.

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