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"Hokuspokus"* oder Latein als Sesam-öffne-dich
Sind wir wirklich alle Lateiner? Ja, behauptet Karl-Wilhelm Weeber, denn was wäre die deutsche Sprache ohne Latein? Und, noch
wichtiger: Was funktioniert im Deutschen eigentlich ohne Latein? "Voll krasse Sprache", sagt auch der Nichtlateiner und ahnt in
den seltensten Fällen, wie Recht er hat. Denn woher soll er wissen, dass "krass" sich vom Lateinischen "crassus" ableitet und
"fett" bedeutet? Anhand vieler Beispiele zeigt der Autor, wie lebendig das lateinische Erbe in der deutschen Sprache ist - in
Medizin, Naturwissenschaft und
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Produktbeschreibung
"Hokuspokus"* oder Latein als Sesam-öffne-dich

Sind wir wirklich alle Lateiner? Ja, behauptet Karl-Wilhelm Weeber, denn was wäre die deutsche Sprache ohne Latein? Und, noch

wichtiger: Was funktioniert im Deutschen eigentlich ohne Latein? "Voll krasse Sprache", sagt auch der Nichtlateiner und ahnt in

den seltensten Fällen, wie Recht er hat. Denn woher soll er wissen, dass "krass" sich vom Lateinischen "crassus" ableitet und

"fett" bedeutet? Anhand vieler Beispiele zeigt der Autor, wie lebendig das lateinische Erbe in der deutschen Sprache ist - in

Medizin, Naturwissenschaft und Philosophie, aber auch im Alltagsdeutsch. Geld stinkt nicht, die Daumen drücken, vor Neid platzen,

lachende Erben - deutsche Redewendungen entstanden vor 2000 Jahren, als noch kein Mensch Deutsch sprach. Aber das Lateinische ist

nicht nur in unserer Sprache quicklebendig, sondern hilft sie auch zu verstehen. Anders formuliert: Wer kein Latein kann, den

bestraft das Deutsche. Denn warum ist ein Konfirmand kein Konfirmant? Was unterscheidet den Simulanten vom Simulator? Was haben

alle deutschen Verben gemein, die auf -ieren enden? Ob Bits und Bytes - (fast alle) lateinische Wortwege führen in die moderne

Welt. Und nach Lektüre dieses fröhlichen Vademekums werden selbst neoliberale Latein- Gegner eingestehen, dass sie im Grunde

überzeugte "Latin lovers" sind.

*"Hokuspokus", volkssprachliche Verformung der Abendmahl-Formel "hoc est corpus", "dies ist der Leib".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.06.2006

Beug schon mal vor, Harry
Mit Oberinspektor Derrick in die lateinische Antike: Karl-Wilhelm Weeber lehrt "Romdeutsch"

Mit dem Lateinischen verhält es sich heute eigenartig. An den Schulen erscheint das Fach stabilisiert, was die Zahlen angeht. Die zutreffende Annahme, hier ließen sich durch exaktes Arbeiten an einer regelstarken Sprache Kompetenzen erwerben, die anderswo nicht mehr vermittelt werden, sowie das distinktive Prestige dürften die wichtigsten Gründe dafür sein. Es herrscht sogar Lehrermangel, dem man mit Nachschulungen für Pädagogen anderer Fächer beizukommen sucht. Den Absolventenzahlen der altphilologischen Universitätsinstitute wird aufgeholfen, indem man die Übersetzung ins Lateinische nicht mehr verlangt. Wen wundert es, wenn selbst in Lehrbüchern Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit zu finden sind?

Zwischen Schulbuchautoren und Lehrenden schwelt ein Streit darüber, wieviel Erlebnispädagogik der Lateinunterricht braucht oder verträgt. Was sich mittlerweile alles Latinum nennen darf, erfahren Historiker an der Universität, wenn sie Studierenden mit einem solchen einen leichten Originaltext zur Übersetzung vorlegen. Die bloße Wahrung einer äußeren Kontinuität genügt also nicht. Aber ohne sie wären alle Mühen vergeblich. Der Forderung, die Relevanz des Lateins auch für die heutige Zeit darzulegen, stellen sich Humanisten mit Fleiß und Phantasie. Zu ihnen gehört Karl-Wilhelm Weeber, Lehrer, Althistoriker, Lehrbeauftragter für Didaktik der Alten Sprachen, und seit vielen Jahren als Autor einer staunenmachenden Zahl von erfolgreichen Büchern zur antiken Kultur bekannt. Sein neuestes Werk versteht sich als Beitrag zu einer Tradition von Arbeiten, die das tägliche Latein in Lehn- und Fremdwörtern erschließen, entweder lexikalisch-vollständig oder essayistisch, indem die Wege und Umwege in die andere Sprache verfolgt und die kulturgeschichtlichen Zusammenhänge durch die Zeiten skizziert werden. Weeber sucht beide Möglichkeiten zu verbinden. Das Register weist mehr als dreitausend lateinische und deutsche Wörter aus, die in kurzen Unterkapiteln mit dem Bemühen um stilistische Variation und gelegentlichen Seitenhieben in Beziehung gesetzt werden; sogar ein Gespräch zwischen Günther Jauch und Caesar findet sich.

Das Alter ego des Verfassers scheint Oberinspektor Derrick zu sein, dessen Darsteller Horst Tappert aus Wuppertal stammt und deshalb, so wird sinniert, an ebenjenem Gymnasium Latein gelernt haben könnte, dem Weeber heute vorsteht. Sein Buch ist eine vollgepackte Kiste, doch des Verfassers Bemühen, lebendig oder gar heiter zu sein, wirkt ebenso aus der Zeit gefallen wie der Habitus des späten Derrick. Das Wort "Pulle" etüber die Ampulle auf die Amphore zurückgeführt zu finden ist gewiß lehrreich. Für den allerdings, "der aus alter Amphoren-Tradition zur Unzeit die Pulle an den Mund setzt, kann die Amphoren-Ampel ziemlich lange Rotlicht zeigen". Witz und Metapher, kommt heraus, ihr seid umzingelt.

Ähnliches gilt für das Bemühen um Aktualität. Denn was hilft es, einen ehemaligen deutschen Außenminister zu benennen, der "Visa" für einen Singular hält und deshalb den Plural "Visas" bildet? Die Sünden wider das grammatische Geschlecht oder die Beugungen sowie unsinnig gesteigerte Superlative wie "optimieren" spießt ein Kapitel "Dummlatein auf Deutsch" auf, ohne das Satire-Potential zu nutzen.

Man möchte "Romdeutsch" wegen seiner Stärken gern viele Leser wünschen, die über den biederen Duktus hinwegsehen. Der Untertitel macht den Konstruktionsfehler des Ansatzes klar, und das peinliche Schlußkapitel über Seneca und das "endgeile Jugendlatein" bestätigt ihn: Was nutzt einem in seiner türkdeutschen Schwundsprache eingesperrten Jugendlichen das Wissen, daß sich "Asi", "kraß" und "poppen" auf lateinische Wurzeln zurückführen lassen? Wer kein Latein kann, den bestraft das Deutsche, so definiert Weeber das utilitaristische Bildungspotential der alten Sprache gegen die anvisierte Allianz aus neoliberalen Ökonomen und "eher freizeitorientierten studentischen Bildungsverweigerern". Schon richtig. Aber der Rundgang mit leichtem Gepäck auf verblaßten Spuren kann eine Tatsache nicht verdecken: Wenn man Latein auf die einzig sinnvolle Weise lehren und lernen will, nämlich mit hohem Anspruch, dann ist es richtig schwer. Dabei ebenso askesefördernd wie bereichernd. Und elitär, also positiv diskriminierend.

UWE WALTER

Karl-Wilhelm Weeber: "Romdeutsch". Warum wir alle lateinisch reden, ohne es zu wissen. Die Andere Bibliothek, Band 258. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 2006. 340 S., geb., 28,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Uwe Walter quält sich regelrecht, diesem Buch, das die lexikalischen und kulturgeschichtlichen Zusammenhänge unseres Alltagslateins erforscht, etwas Positives abzugewinnen. Allzu gern möchte er den Fleiß und das redliche Bemühen des humanistisch gebildeten Autors honorieren. Doch es gelingt ihm nicht so recht. Zu altbacken der Witz, zu wenig satirisch der Aktualitätsbezug Karl-Wilhelm Weebers. Dabei ist der Band vollgepackt mit Wortbeispielen, die den Bezug des Deutschen zum Latein herstellen, dabei findet der Rezensent auch den Ansatz, das "utilitaristische Bildungspontenzial" des Lateinischen gegen den Bildungsverlust ins Feld zu führen, sinnvoll. Leichtfertiges Anbiedern an die fast verlorene Klientel der Jugend und ihrer "türkdeutschen Schwundsprache" aber hält Walter für falsch: Latein sei nunmal schwer und "positiv diskriminierend".

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