22,99 €
inkl. MwSt.

Versandfertig in über 4 Wochen
  • Gebundenes Buch

A stunningly original look at the forgotten Jewish political roots of contemporary international human rights, told through the moving stories of five key activists

Produktbeschreibung
A stunningly original look at the forgotten Jewish political roots of contemporary international human rights, told through the moving stories of five key activists
Autorenporträt
James Loeffler is associate professor of history and Jewish studies at the University of Virginia and former Robert A. Savitt Fellow at the Mandel Center for Advanced Holocaust Studies of the United States Holocaust Memorial Museum.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.09.2018

Nie wieder
Gewalt
James Loefflers Studie
über jüdische Rechtsgelehrte
Anfang 1948 schlug Rabbiner Maurice Perlzweig vom World Jewish Congress (WJC) Alarm. Angesichts nicht enden wollender Ausschreitungen sah die weltweit größte zionistische Organisation eine reale Gefahr, dass die jüdischen Minderheiten des Nahen Ostens und des Maghreb binnen weniger Jahre ausgelöscht würden. Allein in Libyen, wo gegen Kriegsende noch etwa 30 000 Juden lebten, hatten nach dem Ende der faschistischen Kolonialherrschaft und dem Einmarsch der Briten im Februar 1943 mehrere antisemitische Pogrome stattgefunden, denen Hunderte Menschen zum Opfer gefallen waren.
Für Perlzweig und andere Funktionäre des WJC stand fest, wer die ideologischen Urheber der Gewaltwellen waren. Um den Teilungsplan der Vereinten Nationen für Palästina vom November 1947 zu sabotieren, seien der Mufti von Jerusalem und seine Verbündeten von der Arabischen Liga dazu übergegangen, NS-ähnliche Verfolgungsmethoden im nordafrikanischen Raum zu implantieren. Und die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, die sich doch rühmten, soeben erst die fortschrittlichste Menschenrechtserklärung der jüngeren Geschichte verabschiedet zu haben, rührten keinen Finger, um die bedrohten jüdischen Gemeinden zu schützen.
Bis heute wird die öffentliche Wahrnehmung der Gründungsgeschichte der UN und ihrer menschenrechtlichen Institutionen von einem Geschichtsbild geprägt, dessen Fluchtpunkte die NS-Verfolgungspolitik und der Genozid an den europäischen Juden sind. Wie selbstverständlich wird davon ausgegangen, mit der UN-Menschenrechtserklärung 1948 habe die internationale Gemeinschaft sicherstellen wollen, dass sich derart radikale Gewalttaten niemals wiederholen dürften. Doch wie der amerikanische Historiker James Loeffler in seiner Studie zur Menschenrechtsarbeit jüdischer Völkerrechtler, Diplomaten und Rechtsaktivisten zeigt, bedarf diese Sichtweise mehr als nur einer Relativierung. Sie ist, so seine These, zumindest in Teilen historisch schlichtweg falsch.
Loefflers Geschichte der internationalen Menschenrechte ist eine andere als diejenige, die wir aus politik- und rechtwissenschaftlichen Handbüchern kennen. Konsequent aus der Perspektive seiner Protagonisten verfasst, beschreibt er etwa die Entstehung der UN-Menschenrechtserklärung vor dem Hintergrund des sich auflösenden britischen Kolonialreichs und der eskalierenden Spannungen im Nahen Osten. Auch den Umschwung in der amerikanischen Menschenrechtspolitik, der vielfach mit den Bricker Amendments der Fünfzigerjahre gleichgesetzt wird, in Wirklichkeit jedoch weitaus früher begann, arbeitet Loeffler anschaulich heraus.
Im Mittelpunkt der Studie stehen „kosmopolitische“ Völkerrechtler und Rechtsaktivisten, die zwar in Großbritannien und den USA lebten und arbeiteten, überwiegend jedoch jüdisch-osteuropäischer Herkunft waren. Zum Internationalen Recht hatten sie zumeist schon in den Zwanzigerjahren gefunden, als der Völkerbund den neu entstandenen Staaten Ostmitteleuropas ein Minderheitenschutzsystem verordnet hatte. Im Zweiten Weltkrieg zählten sie dann zu den Ersten, die diese Erfahrungen dazu nutzen wollten, um eine neue und stabilere Weltorganisation aufzubauen, gegründet auf den Prinzipien der Friedenssicherung und der Menschenrechte.
Während es kurz nach Inkrafttreten der menschenrechtsfreundlichen UN-Charta zeitweise so aussah, als könnte dieser Traum tatsächlich in Erfüllung gehen, stellte sich bald heraus, dass sich weder die Großmächte noch die ehemaligen Kolonien auf bindende Rechtsverpflichtungen festlegen mochten. Statt sich mit den berechtigten Forderungen der jüdischen Rechtsexperten auseinanderzusetzen, die Rechte staaten- und heimatloser Juden zu sichern, waren die entsprechenden UN-Gremien vor allem daran interessiert, die Arabische Liga nicht zu verärgern. Teilweise gab man dabei auch alten antisemitischen Reflexen nach. So schloss das britische Außenministerium den renommierten Völkerrechtler Hersch Lauterpacht mit der Begründung von den Verhandlungen für die UN-Menschenrechtserklärung aus, dieser sei ein „soeben aus Wien eingewanderter Jude“. Lauterpacht, der kurz nach dem Ersten Weltkrieg nach England gekommen war, war damals Lehrstuhlinhaber in Cambridge.
Doch auch die Hoffnungen, die sich mit der Gründung des Staates Israel verbanden, wurden schnell von der Realität eingeholt. Lauterpachts Vorschläge für eine menschenrechtliche Erweiterung der Unabhängigkeitserklärung wurden von Premierminister Ben-Gurion kurzerhand gestrichen. Somit erinnert Loefflers Studie zu den jüdischen „Kosmopoliten“ des Rechts auch daran, dass deren wichtiges Vermächtnis bis heute uneingelöst geblieben ist.
ANNETTE WEINKE
James Loeffler: Rooted Cosmopolitans. Jews and Human Rights in the Twentieth Century. Yale University Press, New Haven & London, 2018. 384 Seiten, ca. 20 Pfund.
Annette Weinke lehrt als Privatdozentin Neuere und Neueste Geschichte in Jena. Zuletzt erschien von ihr „Gewalt, Geschichte, Gerechtigkeit. Transnationale Debatten über deutsche staatliche Gewalt im 20. Jahrhundert“ (Wallstein, Göttingen).
Die Ideen der „Kosmopoliten“
trafen überall auf Widerstand –
bei der UN, und auch in Israel
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr