Cornelia van Nijenroode ist eine wohlhabende Handelsfrau im niederländischen Orient. Ohne Mann bleiben ihr viele Türen verschlossen, und so heiratet sie kurzentschlossen den zwielichtigen Joan Bitter. Als sie bereits wenige Tage nach der Hochzeit erkennt, dass dieser Mann nur ihr Geld will, sucht sie die Scheidung. Zuneigung verwandelt sich in erbitterte Feindschaft und zum Entsetzen der feinen Kolonialgesellschaft wird der Ehestreit in aller Öffentlichkeit ausgetragen ... Leonard Blusse erzählt die wahre Geschichte einer Frau, die sich vor 300 Jahren gegen eine frauenfeindliche Gesellschaft zur Wehr setzt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2000Böser Mann! Böser Mann!
Krähvogelhochzeit: Holländische Eheleute hackten einander die Augen aus / Von Dirk Schümer
Die Geschichte einer unglücklichen Ehe zu erzählen setzt eine eigene Dramaturgie voraus, nicht unähnlich der Gefangenenliteratur: Zwei Menschen sitzen im Knast und versuchen alles Mögliche, um dort wieder herauszukommen.
Warum sie indes freiwillig miteinander ins Gefängnis gegangen sind, fällt unter das Genre der Liebesgeschichte. Das ist attraktiver; Geschichten des Scheiterns und des Verhängnisses werden nicht so gerne geschrieben. Ehescheidungen haben etwas furchtbar Bürokratisches, Erbsenzählerisches und darum Langweiliges: Wer kriegt die Kinder zu welcher Uhrzeit, wem gehört die Couchgarnitur, wie steht es mit Krankenkassenbeiträgen und Urlaubsgeld? Die in jeder Hinsicht bemerkenswerte Geschichte einer katastrophalen Ehe, die Leonard Blussé uns erzählt, bestätigt auf den ersten Blick die Erwartungen. Wir erleben ein endloses, unromantisches, am Ende unappetitliches Gezerre ums Wesentliche der Ehe: ums Geld.
Warum man diese triste Story ohne guten Ausgang überhaupt lesen sollte? Zeitpunkt und Ort der Unglücksehe sind außergewöhnlich. Das Buch erzählt vom Ehebund, den Cornelia van Nijenroode und Joan Bitter am 26. März des Jahres 1676 zu Batavia, der Hauptstadt von Niederländisch-Ostindien, schlossen. Nun mag es in der Historie Millionen von unglücklichen Ehen gegeben haben, doch sind wir wohl über kaum eine andere derart umfassend unterrichtet. Man kann nur staunen über die zahlreichen Zufälle, durch die uns unterschiedlichste Dokumente überliefert wurden, und über Blussés Meisterschaft, diese Quellen mit Leben zu erfüllen.
Um mit der Braut zu beginnen: Cornelia war die Tochter eines niederländischen Kolonialkaufmannes und einer Geisha. Nur während einer kurzen Phase von 1609 bis 1639 hatten die Japaner ihr Reich überhaupt für europäischen Handelsverkehr geöffnet, die Holländer auf dem Inselchen Hirado wurden dabei nach genauem Reglement von japanischen Lebedamen verwöhnt. Cornelia van Nijenroode war eines der vielen Kinder, die diesen Verbindungen entsprossen. Die Abschottung Japans kappte die Verbindungen zur mütterlichen Familie. Während sie mit ihrer Schwester als "Kind der ostindischen Compagnie" in Batavia aufwuchs, versuchten allerhand Verwandte und Verwalter, sich das ansehnliche Vermögen ihres Vaters unter den Nagel zu reißen.
Gewöhnt an den europäischen Rassismus der Neuzeit, überrascht uns die rechtlich und gesellschaftlich sichere Stellung, die Mischlingskinder aus Japan in Batavia damals einnahmen. Ihre Herkunft hinderte Cornelia jedenfalls nicht an einer Ehe mit dem schwerreichen Kaufmann und Compagnie-Funktionär Pieter Knoll. Zusammen mit ihm ist die stolze Patrizierin inmitten ihres luxuriösen Haushaltes auf einem Gemälde verewigt, das heute im Amsterdamer Rijksmuseum hängt - der erste Zufall, der uns Gesicht und Charakter dieser Dame so plastisch überliefert. Doch der Sinologe Blussé konnte sogar in Japan Egodokumente von Cornelia aufstöbern: Briefe, mit denen sie trotz Handelssperre den Kontakt zur mütterlichen Familie aufrechterhielt. Und ihr Porträt in Holz, das sie - wegen eines Bilder-Importverbots - in einen Paravent schnitzen ließ, den man heute noch in Hirado bewundern kann. Bis jetzt wird das Andenken dieser Frau, die niemals nach Japan zurückkehrte, in ihrer Heimat wach gehalten: als Vorbild einer treuen Tochter. Diese Präsenz der Protagonisten noch nach Jahrhunderten macht das Buch, das davon erzählt, zu einem Meisterwerk des gegenwärtigen Historismus - Zeugnis unserer Kultur, die augenscheinlich nichts vergisst.
Denn auch der Gatte Joan Bitter hat bis heute zahlreiche Spuren hinterlassen. Der junge Advokat aus Arnheim war, allerdings in den Niederlanden, gleichfalls bereits einmal verheiratet und hatte wie Cornelia mehrere, sogar überlebende Kinder. Nachdem seine Frau auf der Überfahrt nach Ostindien gestorben war, suchte Bitter, Beamter im ostindischen Justizrat, sogleich nach Ersatz. Beide Partner waren um die vierzig, beide strebten weniger nach Leidenschaft und Romantik als nach gesellschaftlicher Anerkennung (die Witwe) und sozialer Sicherheit (der Witwer) durch die Ehe. Und Cornelia ließ sich - wie weitsichtige Millionärinnen von heute - ihre Rechte und Besitztümer in einem ausgeklügelten Ehevertrag garantieren. Insgesamt also keine üble Ausgangslage für eine sonnige zweite Lebenshälfte.
Indes waren hier zwei selbstbewusste und sture Partner aneinander geraten, die ihre Ehe bis zum Ende als Mittel zum Ruin des jeweils anderen betreiben wollten. Vor allem Joan Bitter ist hier schuldig, weil er schon vor der Ehe mit dem dicken Fisch protzte, den er an der Angel hatte, und weil er als verkrachter Jurist schon in den Flitterwochen daranging, sich des immensen Vermögens seiner Gemahlin zu bemächtigen. Naturgemäß gerieten die Eheleute gleich in Streit. Die juristischen Dokumente des sechzehn Jahre währenden Ehekriegs dienen dem Autor als einzigartige Quelle.
Wie schon in ihrer vorherigen Lebens- und Familienplanung wirken beide Parteien äußerst gegenwärtig; von der hermeneutisch nicht hintergehbaren Fremdheit der Historie ist wenig zu spüren, wenn wir Bitter als betrunkenen und prügelnden Gatten ins Schlafzimmer seiner Frau eindringen sehen, wenn wir die Winkelzüge nachzeichnen, mit denen Cornelia ihre Gelder bei Strohmännern zu parken versuchte, und wenn wir schließlich die Kommentare der lärmgeplagten Nachbarn darüber anhören müssen, wie satt sie die ewigen Streitereien hätten.
Zugegeben, Blussés ungemein detailreiche und farbige Schilderung, bei der er sorgsam den Aktenjargon eines Historikers meidet und regelrecht literarische Schilderungen einstreut, wird ein wenig ermüdend, wenn er immer wieder auf die Prozessakten zu sprechen kommt, mit denen man einander Gelder abforderte. Aber so war, so ist Ehekrieg nun einmal: Sie ließ ihn mit Hilfe mächtiger Freunde nach Holland ausweisen, weil er in seiner Gier Diamanten aus dem Ehevermögen nach Hause hatte schmuggeln wollen. Nachdem er jahrelang und schließlich mit Erfolg um seine Rückkehr prozessiert hatte, ließ er sie enteignen, weil sie Aktien vor ihm versteckt hatte. So ging es fort. Die einzige wirklich fremde Instanz war der Kirchenrat, der eine dauerhaft getrennte Ehe nicht dulden konnte, weil damit die calvinistische Abendmahlsgemeinschaft aller als beschmutzt galt - eine Praxis, die auch der Historiker Van Deursen aus den alten Niederlanden berichtet hatte.
Warum wurden Kampfhahn und -henne nicht trotzdem geschieden? Ehebruch, die einzige Rechtfertigung für diesen Schritt, lag nicht vor, und so wurden Cornelia und Joan immer wieder aufeinander gehetzt, mussten einander aussperren oder vor dem Personal demütigen lassen, bis er sie auf offener Straße blutig prügelte und sie ihn ins Gefängnis werfen ließ; die beiden waren Stadtgespräch in Batavia. Sogar um das Vorrecht, wer die prunkvolle Familienkutsche benutzen durfte, wurde vor Gericht gefochten. Und selbst eine Klage gegen die Halbjapanerin wegen schwarzer Magie, heute würde man sagen: Voodoo-Zauber, wurde zugelassen. Die furchtbare Angelegenheit endete um 1692 lächerlich banal mit Cornelias Tod, über den - anders als noch über ihre kleinsten Alltagsdinge - keine Dokumente erhalten blieben.
Blussé bleibt nach all den Jahren ein unparteiischer Scheidungsrichter. Seine Cornelia bewundert er für ihre Widerspenstigkeit und den Standesdünkel der Millionärin, der ihr trotz der kolonialen Herkunft eine hautaine Ader verliehen haben muss. Andererseits kommt der Historiker nicht umhin, die begrenzten Chancen einer Frau bei der Verteidigung ihres Vermögens zu beschreiben: Wo Geschäftsfähigkeit allein dem Ehegatten vorbehalten war, blieben die juristischen Mittel einer reichen Gemahlin fast gleich null. Umso höher ist die Leistung zu veranschlagen, das große Vermögen anderthalb Jahrzehnte lang mit Hilfe von einflussreichen Freunden, treuen Kindern und teuren Anwälten einigermaßen sicher an die Erben weiterzuleiten.
Bitter, der als Mensch auch gegenüber anderen ein wahres Brechmittel sein konnte, der seit Jugendjahren immer wieder Beleidigungsprozesse vom Zaun brach, findet letztlich gleichfalls die Sympathie des Autors, weil er sich nach seiner endgültigen Abreise ins Vaterland plötzlich als treusorgender Großpapa entpuppte und in seinem Alterssitz Wijk bij Duurstede noch als greiser Rentier, der das gar nicht nötig hatte, die Pflichten des Bürgermeisters versah. Hier waren ihm noch fünfundzwanzig Jahre vergönnt, bis er schließlich hochbetagt starb. Fern von seiner Frau und ihrem Geld hatte sich auch der geldgierige Plagegeist von Batavia in einen echten Menschen verwandelt. Und echte Menschen in all ihrer Bosheit und Hilflosigkeit vorgeführt zu haben ist eines der größten Verdienste dieses Geschichtsbuches, das nebenbei auch zu den eindringlichsten Schilderungen kolonialen Alltags in deutscher Sprache gehört.
Letzte, für heutige Ehemüde vielleicht entscheidende Frage: Hat sich der das Leben verpestende Rosenkrieg wenigstens für einen der Beteiligten gelohnt? Die Antwort ist kurios: Vielleicht für beide. Cornelia wird sich zwar mehr als einmal verflucht haben: spät gefreit, früh gereut. Aber sie hätte als Witwe niemals Zugang zur Oberschicht von Batavia gehabt. Also hat sich ihr Kalkül irgendwie ausgezahlt, zumal sie das meiste Geld bis zum Ende nicht herausrücken musste. Und Bitter konnte sich und den Seinen einen geruhsamen Lebensabend daheim finanzieren. Dennoch wundert sich Blussé, dass offenbar auf beiden Seiten erheblich weniger übrig geblieben ist, als vorher im Topf war. Auch hier ist seine Folgerung staunenswert aktuell: Den Löwenanteil werden wohl die Anwälte kassiert haben.
Leonard Blussé: "Rosenkrieg". Ein Scheidungsdrama um Besitz, Macht und Freiheit im 17. Jahrhundert. Aus dem Niederländischen von Walter Kumpmann. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2000. 219 S., 14 Abb., 1 Karte, geb., 39,80 DM.
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Krähvogelhochzeit: Holländische Eheleute hackten einander die Augen aus / Von Dirk Schümer
Die Geschichte einer unglücklichen Ehe zu erzählen setzt eine eigene Dramaturgie voraus, nicht unähnlich der Gefangenenliteratur: Zwei Menschen sitzen im Knast und versuchen alles Mögliche, um dort wieder herauszukommen.
Warum sie indes freiwillig miteinander ins Gefängnis gegangen sind, fällt unter das Genre der Liebesgeschichte. Das ist attraktiver; Geschichten des Scheiterns und des Verhängnisses werden nicht so gerne geschrieben. Ehescheidungen haben etwas furchtbar Bürokratisches, Erbsenzählerisches und darum Langweiliges: Wer kriegt die Kinder zu welcher Uhrzeit, wem gehört die Couchgarnitur, wie steht es mit Krankenkassenbeiträgen und Urlaubsgeld? Die in jeder Hinsicht bemerkenswerte Geschichte einer katastrophalen Ehe, die Leonard Blussé uns erzählt, bestätigt auf den ersten Blick die Erwartungen. Wir erleben ein endloses, unromantisches, am Ende unappetitliches Gezerre ums Wesentliche der Ehe: ums Geld.
Warum man diese triste Story ohne guten Ausgang überhaupt lesen sollte? Zeitpunkt und Ort der Unglücksehe sind außergewöhnlich. Das Buch erzählt vom Ehebund, den Cornelia van Nijenroode und Joan Bitter am 26. März des Jahres 1676 zu Batavia, der Hauptstadt von Niederländisch-Ostindien, schlossen. Nun mag es in der Historie Millionen von unglücklichen Ehen gegeben haben, doch sind wir wohl über kaum eine andere derart umfassend unterrichtet. Man kann nur staunen über die zahlreichen Zufälle, durch die uns unterschiedlichste Dokumente überliefert wurden, und über Blussés Meisterschaft, diese Quellen mit Leben zu erfüllen.
Um mit der Braut zu beginnen: Cornelia war die Tochter eines niederländischen Kolonialkaufmannes und einer Geisha. Nur während einer kurzen Phase von 1609 bis 1639 hatten die Japaner ihr Reich überhaupt für europäischen Handelsverkehr geöffnet, die Holländer auf dem Inselchen Hirado wurden dabei nach genauem Reglement von japanischen Lebedamen verwöhnt. Cornelia van Nijenroode war eines der vielen Kinder, die diesen Verbindungen entsprossen. Die Abschottung Japans kappte die Verbindungen zur mütterlichen Familie. Während sie mit ihrer Schwester als "Kind der ostindischen Compagnie" in Batavia aufwuchs, versuchten allerhand Verwandte und Verwalter, sich das ansehnliche Vermögen ihres Vaters unter den Nagel zu reißen.
Gewöhnt an den europäischen Rassismus der Neuzeit, überrascht uns die rechtlich und gesellschaftlich sichere Stellung, die Mischlingskinder aus Japan in Batavia damals einnahmen. Ihre Herkunft hinderte Cornelia jedenfalls nicht an einer Ehe mit dem schwerreichen Kaufmann und Compagnie-Funktionär Pieter Knoll. Zusammen mit ihm ist die stolze Patrizierin inmitten ihres luxuriösen Haushaltes auf einem Gemälde verewigt, das heute im Amsterdamer Rijksmuseum hängt - der erste Zufall, der uns Gesicht und Charakter dieser Dame so plastisch überliefert. Doch der Sinologe Blussé konnte sogar in Japan Egodokumente von Cornelia aufstöbern: Briefe, mit denen sie trotz Handelssperre den Kontakt zur mütterlichen Familie aufrechterhielt. Und ihr Porträt in Holz, das sie - wegen eines Bilder-Importverbots - in einen Paravent schnitzen ließ, den man heute noch in Hirado bewundern kann. Bis jetzt wird das Andenken dieser Frau, die niemals nach Japan zurückkehrte, in ihrer Heimat wach gehalten: als Vorbild einer treuen Tochter. Diese Präsenz der Protagonisten noch nach Jahrhunderten macht das Buch, das davon erzählt, zu einem Meisterwerk des gegenwärtigen Historismus - Zeugnis unserer Kultur, die augenscheinlich nichts vergisst.
Denn auch der Gatte Joan Bitter hat bis heute zahlreiche Spuren hinterlassen. Der junge Advokat aus Arnheim war, allerdings in den Niederlanden, gleichfalls bereits einmal verheiratet und hatte wie Cornelia mehrere, sogar überlebende Kinder. Nachdem seine Frau auf der Überfahrt nach Ostindien gestorben war, suchte Bitter, Beamter im ostindischen Justizrat, sogleich nach Ersatz. Beide Partner waren um die vierzig, beide strebten weniger nach Leidenschaft und Romantik als nach gesellschaftlicher Anerkennung (die Witwe) und sozialer Sicherheit (der Witwer) durch die Ehe. Und Cornelia ließ sich - wie weitsichtige Millionärinnen von heute - ihre Rechte und Besitztümer in einem ausgeklügelten Ehevertrag garantieren. Insgesamt also keine üble Ausgangslage für eine sonnige zweite Lebenshälfte.
Indes waren hier zwei selbstbewusste und sture Partner aneinander geraten, die ihre Ehe bis zum Ende als Mittel zum Ruin des jeweils anderen betreiben wollten. Vor allem Joan Bitter ist hier schuldig, weil er schon vor der Ehe mit dem dicken Fisch protzte, den er an der Angel hatte, und weil er als verkrachter Jurist schon in den Flitterwochen daranging, sich des immensen Vermögens seiner Gemahlin zu bemächtigen. Naturgemäß gerieten die Eheleute gleich in Streit. Die juristischen Dokumente des sechzehn Jahre währenden Ehekriegs dienen dem Autor als einzigartige Quelle.
Wie schon in ihrer vorherigen Lebens- und Familienplanung wirken beide Parteien äußerst gegenwärtig; von der hermeneutisch nicht hintergehbaren Fremdheit der Historie ist wenig zu spüren, wenn wir Bitter als betrunkenen und prügelnden Gatten ins Schlafzimmer seiner Frau eindringen sehen, wenn wir die Winkelzüge nachzeichnen, mit denen Cornelia ihre Gelder bei Strohmännern zu parken versuchte, und wenn wir schließlich die Kommentare der lärmgeplagten Nachbarn darüber anhören müssen, wie satt sie die ewigen Streitereien hätten.
Zugegeben, Blussés ungemein detailreiche und farbige Schilderung, bei der er sorgsam den Aktenjargon eines Historikers meidet und regelrecht literarische Schilderungen einstreut, wird ein wenig ermüdend, wenn er immer wieder auf die Prozessakten zu sprechen kommt, mit denen man einander Gelder abforderte. Aber so war, so ist Ehekrieg nun einmal: Sie ließ ihn mit Hilfe mächtiger Freunde nach Holland ausweisen, weil er in seiner Gier Diamanten aus dem Ehevermögen nach Hause hatte schmuggeln wollen. Nachdem er jahrelang und schließlich mit Erfolg um seine Rückkehr prozessiert hatte, ließ er sie enteignen, weil sie Aktien vor ihm versteckt hatte. So ging es fort. Die einzige wirklich fremde Instanz war der Kirchenrat, der eine dauerhaft getrennte Ehe nicht dulden konnte, weil damit die calvinistische Abendmahlsgemeinschaft aller als beschmutzt galt - eine Praxis, die auch der Historiker Van Deursen aus den alten Niederlanden berichtet hatte.
Warum wurden Kampfhahn und -henne nicht trotzdem geschieden? Ehebruch, die einzige Rechtfertigung für diesen Schritt, lag nicht vor, und so wurden Cornelia und Joan immer wieder aufeinander gehetzt, mussten einander aussperren oder vor dem Personal demütigen lassen, bis er sie auf offener Straße blutig prügelte und sie ihn ins Gefängnis werfen ließ; die beiden waren Stadtgespräch in Batavia. Sogar um das Vorrecht, wer die prunkvolle Familienkutsche benutzen durfte, wurde vor Gericht gefochten. Und selbst eine Klage gegen die Halbjapanerin wegen schwarzer Magie, heute würde man sagen: Voodoo-Zauber, wurde zugelassen. Die furchtbare Angelegenheit endete um 1692 lächerlich banal mit Cornelias Tod, über den - anders als noch über ihre kleinsten Alltagsdinge - keine Dokumente erhalten blieben.
Blussé bleibt nach all den Jahren ein unparteiischer Scheidungsrichter. Seine Cornelia bewundert er für ihre Widerspenstigkeit und den Standesdünkel der Millionärin, der ihr trotz der kolonialen Herkunft eine hautaine Ader verliehen haben muss. Andererseits kommt der Historiker nicht umhin, die begrenzten Chancen einer Frau bei der Verteidigung ihres Vermögens zu beschreiben: Wo Geschäftsfähigkeit allein dem Ehegatten vorbehalten war, blieben die juristischen Mittel einer reichen Gemahlin fast gleich null. Umso höher ist die Leistung zu veranschlagen, das große Vermögen anderthalb Jahrzehnte lang mit Hilfe von einflussreichen Freunden, treuen Kindern und teuren Anwälten einigermaßen sicher an die Erben weiterzuleiten.
Bitter, der als Mensch auch gegenüber anderen ein wahres Brechmittel sein konnte, der seit Jugendjahren immer wieder Beleidigungsprozesse vom Zaun brach, findet letztlich gleichfalls die Sympathie des Autors, weil er sich nach seiner endgültigen Abreise ins Vaterland plötzlich als treusorgender Großpapa entpuppte und in seinem Alterssitz Wijk bij Duurstede noch als greiser Rentier, der das gar nicht nötig hatte, die Pflichten des Bürgermeisters versah. Hier waren ihm noch fünfundzwanzig Jahre vergönnt, bis er schließlich hochbetagt starb. Fern von seiner Frau und ihrem Geld hatte sich auch der geldgierige Plagegeist von Batavia in einen echten Menschen verwandelt. Und echte Menschen in all ihrer Bosheit und Hilflosigkeit vorgeführt zu haben ist eines der größten Verdienste dieses Geschichtsbuches, das nebenbei auch zu den eindringlichsten Schilderungen kolonialen Alltags in deutscher Sprache gehört.
Letzte, für heutige Ehemüde vielleicht entscheidende Frage: Hat sich der das Leben verpestende Rosenkrieg wenigstens für einen der Beteiligten gelohnt? Die Antwort ist kurios: Vielleicht für beide. Cornelia wird sich zwar mehr als einmal verflucht haben: spät gefreit, früh gereut. Aber sie hätte als Witwe niemals Zugang zur Oberschicht von Batavia gehabt. Also hat sich ihr Kalkül irgendwie ausgezahlt, zumal sie das meiste Geld bis zum Ende nicht herausrücken musste. Und Bitter konnte sich und den Seinen einen geruhsamen Lebensabend daheim finanzieren. Dennoch wundert sich Blussé, dass offenbar auf beiden Seiten erheblich weniger übrig geblieben ist, als vorher im Topf war. Auch hier ist seine Folgerung staunenswert aktuell: Den Löwenanteil werden wohl die Anwälte kassiert haben.
Leonard Blussé: "Rosenkrieg". Ein Scheidungsdrama um Besitz, Macht und Freiheit im 17. Jahrhundert. Aus dem Niederländischen von Walter Kumpmann. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2000. 219 S., 14 Abb., 1 Karte, geb., 39,80 DM.
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"Sollte der Autor ein Filmskript zum Buch schreiben, hat er den Oscar sicher." (Historisch Nieuwsblad)