"Dieser Roman ist ein wunderbar reiches Stück Weltliteratur..."Frankfurter Allgemeine Zeitung"
1591, im Osmanischen Reich tobt der Bilderstreit um die Frage, ob die Welt aus der Sicht des Menschen, der Künstler an die Stelle Gottes gesetzt werden darf. Da wird bei der Arbeit an einem prachtvollen Bildband der Vergolder ermordet. Eines ist klar: der Mörder befindet sich unter den Künstlern - und sein Stil wird ihn verraten. Ein farbenprächtiges Märchen, ein spannender Krimi und eine leidenschaftliche Liebesgeschichte des Literaturnobelpreisträgers Orhan Pamuk.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
1591, im Osmanischen Reich tobt der Bilderstreit um die Frage, ob die Welt aus der Sicht des Menschen, der Künstler an die Stelle Gottes gesetzt werden darf. Da wird bei der Arbeit an einem prachtvollen Bildband der Vergolder ermordet. Eines ist klar: der Mörder befindet sich unter den Künstlern - und sein Stil wird ihn verraten. Ein farbenprächtiges Märchen, ein spannender Krimi und eine leidenschaftliche Liebesgeschichte des Literaturnobelpreisträgers Orhan Pamuk.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.09.2001Nicht gleichen sich der Sehende und der Blinde
Hinter diesem Mord steht eine Verschwörung wider den Islam: Orhan Pamuks großer Roman über das Abendland im Orient
Ein Toter, ein Ermordeter spricht aus der Tiefe des Brunnens, in den der Mörder seine Leiche geworfen hat: „Wer ist mein Mörder, gegen den ich eine solche Wut empfinde, und warum hat er mich auf diese gänzlich unerwartete Weise umgebracht? Versucht es herauszufinden! Die Welt ist voller gemeiner Mörder, die alle nichts taugen, der eine wie der andere, was soll’s, sagt ihr? Dann will ich euch sogleich warnen: Hinter meinem Tod steht eine widerwärtige Verschwörung gegen unseren Glauben, unsere Tradition und unsere Art, die Welt zu sehen. Öffnet eure Augen, erkundet, warum die Feinde des Islam, die Feinde jenes Lebens, an das ihr glaubt, mich umbrachten und eines Tage auch euch umbringen könnten.” Mit dieser Rede, dieser Klage voller Leidenschaft beginnt „Rot ist mein Name”, der neue Roman des türkischen Schriftstellers Orhan Pamuk (Hanser Verlag, München 2001, 58 Mark).
Die Türkei ist ein Erdbebenland, eine seismisch aktive Zone. Als vor zwei Jahren entlang der nord-anatolischen Verwerfung die Erde bebte und vierzigtausend Menschen starben, hat Orhan Pamuk, geboren 1952 in Istanbul, den eindrucksvollsten Augenzeugenbericht geliefert. „Wir gingen durch die Straßen”, schreibt er darin, „und merkten, dass die Katastrophe unsere Psyche – und unsere Geschichte – unwiederbringlich verändert hatte.” Pamuks Romane sind nach ihrem Gehalt und ihrer Gestalt genau auf jener Verwerfungslinie errichtet, die kulturell und seismologisch den ‚Osten‘ vom ‚Westen‘ trennt. Der Autor und seine Bücher legen Zeugnis ab von dem existentiell ungemütlichen, aber künstlerisch ergiebigen Zustand, mit einem Bein im Okzident und mit dem anderen im Orient zu stehen.
Das ist Pamuks Situation, und das ist augenscheinlich auch die Situation im Jahre 1591. Orhan Pamuk hat einen Gegenwartsroman aus dem 16. Jahrhundert geschrieben. Als wäre der kulturelle Untergrund des türkischen Erdbebens noch nicht genug gewesen, haben die jüngsten Ereignisse dem pamukschen Szenario eine beklemmende Aktualität verliehen. Und doch ist dieses Buch keine Prophetie: In einem politischen Klima, in dem globale Verwerfungen und Verschwörungen, Intrigen und Konter-Intrigen reale Gestalt annehmen, spricht Pamuks Roman von einer Geschichte, die Gegenwart ist. Er prophezeit nicht, sondern er spricht wahr.
Den Orthodoxen zum Fraß
Auf halber Strecke zwischen Erzurum und Venedig liegt, damals wie heute, Istanbul. Von Erzurum dringt der Ruf der Orthodoxie heran, von Venedig die Verlockungen der ‚fränkischen‘ Lebensart. Sind die Illustratoren, die auf Geheiß des Padischah an einem geheimen Buch der Bücher arbeiten, nicht auch Seismografen? In allem, was sie malen und nicht malen, ist Politik im Spiel. Der Mord an dem Vergolder Fein Effendi ist ein politischer Mord gewesen, ein bildpolitischer. „Dieser Mann”, wird sich sein Mörder erinnern, „hatte uns, die wir an jenem geheimen Buch für den Padischah arbeiten, tief gekränkt. Und hätte ich ihm nicht das Maul gestopft, dann hätte er womöglich den Oheim Effendi, sämtliche Illustratoren, ja selbst den Altmeister Osman zum Ketzer erklärt und den wütenden Anhängern des Hodschas aus Erzurum zum Fraß vorgeworfen.” Weil sich der Vergolder gegenüber ‚Fundamentalisten‘ über ketzerische Malweisen in der Schule von Oheim Effendi verbreitet hatte, musste er sterben. Der Mord an Fein Effendi ist nun aber nicht die Tat eines in seinen religiösen Gefühlen verletzten Orthodoxen. Der Mörder, auch das ist eine von Pamuks vielen Pointen, gehört – bildpolitisch gesehen – zu den Liberalen, den Anhängern der fränkischen oder venezianischen Schule.
Der Krieg der Malerschulen betrifft Fragen der Perspektive und des Stils. Aber sind diese Fragen nicht nur Deckfiguren eines grundsätzlicheren, unlösbaren Konflikts? Des Konflikts zwischen einer monotheistisch verpflichteten Kunst und einer jüngeren, die Gottes Stelle dem einzelnen Menschen übertragen hat, dem Individuum in der Vielzahl seiner Gesten und Gesichter? Und steckt dahinter nicht wiederum die Unversöhnlichkeit von Theokratie und Demokratie?
Ob der Miniaturmaler einen Stil haben dürfe oder nicht, ob nicht jeder Stil vor dem Anspruch vergehen müsse, die Welt so zu sehen, wie Allah sie sah – das sind Probleme, die in Gleichnissen und Kaffeehausgesprächen mit einem Höchstmaß an Hitzigkeit wieder und wieder erörtert werden. Dem süßen Gift der venezianischen Schule, dem Reichtum ihrer Perspektiven, der Schönheit ihrer Porträts, scheint zumindest 1591 die osmanische Kunst nicht widerstehen zu können. Hier wird die Inthronisation des ‚Lebens‘ als des einzigen Souveräns der Kunst vorweggenommen – die sich zweihundert Jahre später im Abendland zutrug. Wie viel Raffinesse der Kunst durch die Abkehr vom theologischen Kalkül abhanden kam, lässt sich aus manchen Spitzfindigkeiten in Pamuks Roman ermessen. Blindheit und Sehen, Dunkelheit und Licht, Bild und Nicht-Bild sind die komplementären Größen einer todgeweihten Ästhetik, die Gottesfurcht mit äußerstem Kunstverstand vereint.
„Ich bin tot”, heißt das erste von 59 Kapiteln in „Rot ist mein Name”. Darin erzählt Fein Effendi vom Grunde eines Brunnens, wie ihm sein Mörder den Schädel zertrümmert hat. Ganz am Ende des Romans wird dann eben dieser Mörder zu Wort kommen, nachdem ihm ein rotes Schwert den Kopf vom Rumpf getrennt hat. Wer und was darf sich bei Orhan Pamuk nicht alles ‚Ich‘ nennen: Leichen und Torsi, Münzen, Hunde und Bäume, ein Satan, zwei Gottsucher und zwischendrin ein Mörder hinter vielerlei Masken. Zwanzig Ich-Erzähler, Menschen, Tiere, Dinge, Teufel, teilen sich in die mächtige Historie vom blutigen Istanbuler Bilderstreit des Jahres 1591. Einer von ihnen ist der Mörder – und Fein Effendi wird nicht sein einziges Opfer bleiben. ‚Rot‘ ist sein Name, soviel steht fest. Aber was soll das bedeuten? „Findet aus der Farbe meiner Worte heraus, wer ich bin”, heißt der Lockruf auf tausend falsche Fährten. Dabei kommt nach Lage der Dinge nur einer der drei Illustratoren aus Oheim Effendis Werkstatt als Täter infrage: war es Schmetterling, war es Storch oder war es vielleicht Olive? Fragen über Fragen, während einen Roman lang der Schnee auf Istanbul hinabfällt.
Von Pamuk, dem berühmtesten türkischen Schriftsteller seiner Generation, weiß man, dass er Rätsel liebt. „A profound sense of enigma and doubleness” bescheinigt ihm John Updike in seiner respektvollen Huldigung im „New Yorker”, und das gilt nicht erst für dieses Buch. Schon die vorangegangenen, kaum weniger ambitionierten Romane „Das schwarze Buch” und „Das neue Leben” verknüpften Elemente des Detektivromans und des gelehrten Traktats. Die Spurensuche erst gab dem Roman das Momentum, das er andernfalls in tausendundeiner schönen Abschweifung eingebüßt hätte. Aber warum sollte man den Zierrat, die Verschwendung, das Sichverschenken an allerlei Gleichnisse und Kaffeehausanekdoten für eine Schwäche halten? Es gibt zügige Abschnitte in Pamuks Romanen und andere, in denen die Zeit so still steht wie in der Miniaturmalerei vom Hofe Schah Abbas I.
Zum einen Teil ist Pamuks Roman ein west-östlicher, hoch politischer Bilder-Traktat, zum anderen ein turbulenter Detektivroman, und eine ziemlich herzzerreißende Liebesgeschichte außerdem. Was neben dem kompositorischen Verstand des Autors die drei Stränge zusammenhält, ist eine Farbe: Rot. „In rot getaucht” scheint dem Leser bisweilen der ganze Roman, und kaum eine Seite gibt es, auf der die Farbe nicht beim Namen genannt wäre: Rot, Farbe des Blutes, der Liebe und jener Bleiverbindung (minium oder ‚Mennigfarbe‘), die der Miniaturmalerei ihren Namen gegeben hat. Ein rotes Schwert wird den Mörder seiner gerechten Strafe zuführen und die zerrüttete Weltordnung wenigstens im häuslichen Rahmen wieder herstellen. Denn bei allen Ausflügen in die Theologie der Bilder, in die männlichen Welten des Krieges, des Verbrechens und der Malerei, beschwört Pamuks Roman das Glück im Kreise der Familie. Zwanzig Kapitel allein gehören zwei Figuren, zwölf davon dem nolens volens zum Detektiv bestellten Kara („schwarz” auf deutsch) und acht weitere einer Frau mit Namen Seküre. Nach zwölf Jahren ist Kara, auch er ein ehemaliger Illustrator, aus dem fernen Persien heimgekehrt nach Istanbul, das er verlassen hatte, weil seine Werbung um Seküre, die Tochter des Oheims Effendi und entfernte Verwandte, fehlgeschlagen war.
Den Liebenden zur Salbung
Nun wirbt er erneut um die ihre Hand, wohl wissend, dass ihr Mann seit einigen Jahren vermisst und sie seitdem vom Bruder des Vermissten aufs heftigste begehrt wird. Seküre willigt nach langem Zögern ein, doch will sie die Ehe nur unter der Auflage vollziehen, dass Kara den Mörder ihres Vaters zur Strecke bringt. Es wird Kara gelingen, und er wird seiner Frau den Erfolg seiner Mission mit den Worten melden, nun seien die Wunden ihres Vaters gesalbt. „Diese Worte”, lässt Pamuk Seküre mit großer Abgeklärtheit sagen, „verliehen nicht nur unserer Liebe, die sich in der engen Schlucht zwischen Leben und Tod, Verbot und Paradies, Hoffnungslosigkeit und Scham niederließ, ihre Farbe, sie bildeten auch den Vorwand für sie. Bis Kara, mein geliebter Ehemann, eines Morgens neben dem Brunnen umsank und am Herzschlag starb, liebten wir uns sechsundzwanzig Jahre lang jeden Mittag, während die Sonnenstrahlen durch die Ritzen des Fensterladens drangen und wir in den ersten Jahren auf das fröhliche Schwatzen von Sevket und Orhan horchten, und wir nannten es stets ‚die Wunden salben‘”. Auf solche Weise hätten ihre eifersüchtigen Söhne noch manches Jahr im Bett der Mutter schlafen können. Es ist ein eindringliches Bild der vaterlosen Symbiose von Mutter und Söhnen, das Pamuk zeichnet, ein Bild, in dem sich Eros und Erzählung ineinander verweben. Orhan heißt der eine der beiden Söhne, ein stiller, scheuer Junge. Ihm hat Seküre die ganze Geschichte erzählt, und er wird sie, hofft sie, aufschreiben – obwohl oder weil es keine Lüge gibt, „die er nicht spinnen würde, um seine Geschichte hübsch und glaubhaft zu gestalten.” So hat sich zuletzt der Wortmaler Orhan Pamuk im Buch der Miniaturen selbst verewigt und verborgen.
Benommen und gefesselt lässt Pamuks verwickelter, opulenter und unheimlicher Roman nach 59 Kapiteln und knapp sechshundert Seiten seinen Leser zurück; nicht nur den europäischen übrigens, sondern auch den türkischen. Über hunderttausend Exemplare sind von diesem Buch in der Türkei verkauft worden, eine Zahl, die angesichts des türkischen Buchmarkts sensationell anmutet. Es entspricht nicht den landläufigen Vorstellungen von der Türkei, wenn man hört, dass die türkische Regierung Orhan Pamuk, den Kritiker der Kurdenpolitik, den Verteidiger Salman Rushdies, den Diagnostiker der Geburtsfehler des Atatürk- Staats mit der höchsten kulturellen Auszeichnung des Landes ehren wollte – die Pamuk dann freilich ablehnte. Noch stehen der Aufnahme der Türkei in die Europäische Union schwerwiegende Gründe entgegen. Ihre Aufnahme in den Kosmos des europäischen Romans ist dank Orhan Pamuk vollzogen: Rot ist der Name, und groß ist dieses Buch.
CHRISTOPH BARTMANN
Glaubenskrieger mit Flamme und Schwert: Darstellung der Schlacht bei Haçova, Ende 16. Jahrhundert.
Abbildung: Topkapi Palace
Museum, Istanbul
Auf der Verwerfungslinie zwischen Orient und Okzident – beiden Seiten zugewandt: Berittener Bogenschütze.
Abbildung:
Topkapi Palace Museum, Istanbul
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Hinter diesem Mord steht eine Verschwörung wider den Islam: Orhan Pamuks großer Roman über das Abendland im Orient
Ein Toter, ein Ermordeter spricht aus der Tiefe des Brunnens, in den der Mörder seine Leiche geworfen hat: „Wer ist mein Mörder, gegen den ich eine solche Wut empfinde, und warum hat er mich auf diese gänzlich unerwartete Weise umgebracht? Versucht es herauszufinden! Die Welt ist voller gemeiner Mörder, die alle nichts taugen, der eine wie der andere, was soll’s, sagt ihr? Dann will ich euch sogleich warnen: Hinter meinem Tod steht eine widerwärtige Verschwörung gegen unseren Glauben, unsere Tradition und unsere Art, die Welt zu sehen. Öffnet eure Augen, erkundet, warum die Feinde des Islam, die Feinde jenes Lebens, an das ihr glaubt, mich umbrachten und eines Tage auch euch umbringen könnten.” Mit dieser Rede, dieser Klage voller Leidenschaft beginnt „Rot ist mein Name”, der neue Roman des türkischen Schriftstellers Orhan Pamuk (Hanser Verlag, München 2001, 58 Mark).
Die Türkei ist ein Erdbebenland, eine seismisch aktive Zone. Als vor zwei Jahren entlang der nord-anatolischen Verwerfung die Erde bebte und vierzigtausend Menschen starben, hat Orhan Pamuk, geboren 1952 in Istanbul, den eindrucksvollsten Augenzeugenbericht geliefert. „Wir gingen durch die Straßen”, schreibt er darin, „und merkten, dass die Katastrophe unsere Psyche – und unsere Geschichte – unwiederbringlich verändert hatte.” Pamuks Romane sind nach ihrem Gehalt und ihrer Gestalt genau auf jener Verwerfungslinie errichtet, die kulturell und seismologisch den ‚Osten‘ vom ‚Westen‘ trennt. Der Autor und seine Bücher legen Zeugnis ab von dem existentiell ungemütlichen, aber künstlerisch ergiebigen Zustand, mit einem Bein im Okzident und mit dem anderen im Orient zu stehen.
Das ist Pamuks Situation, und das ist augenscheinlich auch die Situation im Jahre 1591. Orhan Pamuk hat einen Gegenwartsroman aus dem 16. Jahrhundert geschrieben. Als wäre der kulturelle Untergrund des türkischen Erdbebens noch nicht genug gewesen, haben die jüngsten Ereignisse dem pamukschen Szenario eine beklemmende Aktualität verliehen. Und doch ist dieses Buch keine Prophetie: In einem politischen Klima, in dem globale Verwerfungen und Verschwörungen, Intrigen und Konter-Intrigen reale Gestalt annehmen, spricht Pamuks Roman von einer Geschichte, die Gegenwart ist. Er prophezeit nicht, sondern er spricht wahr.
Den Orthodoxen zum Fraß
Auf halber Strecke zwischen Erzurum und Venedig liegt, damals wie heute, Istanbul. Von Erzurum dringt der Ruf der Orthodoxie heran, von Venedig die Verlockungen der ‚fränkischen‘ Lebensart. Sind die Illustratoren, die auf Geheiß des Padischah an einem geheimen Buch der Bücher arbeiten, nicht auch Seismografen? In allem, was sie malen und nicht malen, ist Politik im Spiel. Der Mord an dem Vergolder Fein Effendi ist ein politischer Mord gewesen, ein bildpolitischer. „Dieser Mann”, wird sich sein Mörder erinnern, „hatte uns, die wir an jenem geheimen Buch für den Padischah arbeiten, tief gekränkt. Und hätte ich ihm nicht das Maul gestopft, dann hätte er womöglich den Oheim Effendi, sämtliche Illustratoren, ja selbst den Altmeister Osman zum Ketzer erklärt und den wütenden Anhängern des Hodschas aus Erzurum zum Fraß vorgeworfen.” Weil sich der Vergolder gegenüber ‚Fundamentalisten‘ über ketzerische Malweisen in der Schule von Oheim Effendi verbreitet hatte, musste er sterben. Der Mord an Fein Effendi ist nun aber nicht die Tat eines in seinen religiösen Gefühlen verletzten Orthodoxen. Der Mörder, auch das ist eine von Pamuks vielen Pointen, gehört – bildpolitisch gesehen – zu den Liberalen, den Anhängern der fränkischen oder venezianischen Schule.
Der Krieg der Malerschulen betrifft Fragen der Perspektive und des Stils. Aber sind diese Fragen nicht nur Deckfiguren eines grundsätzlicheren, unlösbaren Konflikts? Des Konflikts zwischen einer monotheistisch verpflichteten Kunst und einer jüngeren, die Gottes Stelle dem einzelnen Menschen übertragen hat, dem Individuum in der Vielzahl seiner Gesten und Gesichter? Und steckt dahinter nicht wiederum die Unversöhnlichkeit von Theokratie und Demokratie?
Ob der Miniaturmaler einen Stil haben dürfe oder nicht, ob nicht jeder Stil vor dem Anspruch vergehen müsse, die Welt so zu sehen, wie Allah sie sah – das sind Probleme, die in Gleichnissen und Kaffeehausgesprächen mit einem Höchstmaß an Hitzigkeit wieder und wieder erörtert werden. Dem süßen Gift der venezianischen Schule, dem Reichtum ihrer Perspektiven, der Schönheit ihrer Porträts, scheint zumindest 1591 die osmanische Kunst nicht widerstehen zu können. Hier wird die Inthronisation des ‚Lebens‘ als des einzigen Souveräns der Kunst vorweggenommen – die sich zweihundert Jahre später im Abendland zutrug. Wie viel Raffinesse der Kunst durch die Abkehr vom theologischen Kalkül abhanden kam, lässt sich aus manchen Spitzfindigkeiten in Pamuks Roman ermessen. Blindheit und Sehen, Dunkelheit und Licht, Bild und Nicht-Bild sind die komplementären Größen einer todgeweihten Ästhetik, die Gottesfurcht mit äußerstem Kunstverstand vereint.
„Ich bin tot”, heißt das erste von 59 Kapiteln in „Rot ist mein Name”. Darin erzählt Fein Effendi vom Grunde eines Brunnens, wie ihm sein Mörder den Schädel zertrümmert hat. Ganz am Ende des Romans wird dann eben dieser Mörder zu Wort kommen, nachdem ihm ein rotes Schwert den Kopf vom Rumpf getrennt hat. Wer und was darf sich bei Orhan Pamuk nicht alles ‚Ich‘ nennen: Leichen und Torsi, Münzen, Hunde und Bäume, ein Satan, zwei Gottsucher und zwischendrin ein Mörder hinter vielerlei Masken. Zwanzig Ich-Erzähler, Menschen, Tiere, Dinge, Teufel, teilen sich in die mächtige Historie vom blutigen Istanbuler Bilderstreit des Jahres 1591. Einer von ihnen ist der Mörder – und Fein Effendi wird nicht sein einziges Opfer bleiben. ‚Rot‘ ist sein Name, soviel steht fest. Aber was soll das bedeuten? „Findet aus der Farbe meiner Worte heraus, wer ich bin”, heißt der Lockruf auf tausend falsche Fährten. Dabei kommt nach Lage der Dinge nur einer der drei Illustratoren aus Oheim Effendis Werkstatt als Täter infrage: war es Schmetterling, war es Storch oder war es vielleicht Olive? Fragen über Fragen, während einen Roman lang der Schnee auf Istanbul hinabfällt.
Von Pamuk, dem berühmtesten türkischen Schriftsteller seiner Generation, weiß man, dass er Rätsel liebt. „A profound sense of enigma and doubleness” bescheinigt ihm John Updike in seiner respektvollen Huldigung im „New Yorker”, und das gilt nicht erst für dieses Buch. Schon die vorangegangenen, kaum weniger ambitionierten Romane „Das schwarze Buch” und „Das neue Leben” verknüpften Elemente des Detektivromans und des gelehrten Traktats. Die Spurensuche erst gab dem Roman das Momentum, das er andernfalls in tausendundeiner schönen Abschweifung eingebüßt hätte. Aber warum sollte man den Zierrat, die Verschwendung, das Sichverschenken an allerlei Gleichnisse und Kaffeehausanekdoten für eine Schwäche halten? Es gibt zügige Abschnitte in Pamuks Romanen und andere, in denen die Zeit so still steht wie in der Miniaturmalerei vom Hofe Schah Abbas I.
Zum einen Teil ist Pamuks Roman ein west-östlicher, hoch politischer Bilder-Traktat, zum anderen ein turbulenter Detektivroman, und eine ziemlich herzzerreißende Liebesgeschichte außerdem. Was neben dem kompositorischen Verstand des Autors die drei Stränge zusammenhält, ist eine Farbe: Rot. „In rot getaucht” scheint dem Leser bisweilen der ganze Roman, und kaum eine Seite gibt es, auf der die Farbe nicht beim Namen genannt wäre: Rot, Farbe des Blutes, der Liebe und jener Bleiverbindung (minium oder ‚Mennigfarbe‘), die der Miniaturmalerei ihren Namen gegeben hat. Ein rotes Schwert wird den Mörder seiner gerechten Strafe zuführen und die zerrüttete Weltordnung wenigstens im häuslichen Rahmen wieder herstellen. Denn bei allen Ausflügen in die Theologie der Bilder, in die männlichen Welten des Krieges, des Verbrechens und der Malerei, beschwört Pamuks Roman das Glück im Kreise der Familie. Zwanzig Kapitel allein gehören zwei Figuren, zwölf davon dem nolens volens zum Detektiv bestellten Kara („schwarz” auf deutsch) und acht weitere einer Frau mit Namen Seküre. Nach zwölf Jahren ist Kara, auch er ein ehemaliger Illustrator, aus dem fernen Persien heimgekehrt nach Istanbul, das er verlassen hatte, weil seine Werbung um Seküre, die Tochter des Oheims Effendi und entfernte Verwandte, fehlgeschlagen war.
Den Liebenden zur Salbung
Nun wirbt er erneut um die ihre Hand, wohl wissend, dass ihr Mann seit einigen Jahren vermisst und sie seitdem vom Bruder des Vermissten aufs heftigste begehrt wird. Seküre willigt nach langem Zögern ein, doch will sie die Ehe nur unter der Auflage vollziehen, dass Kara den Mörder ihres Vaters zur Strecke bringt. Es wird Kara gelingen, und er wird seiner Frau den Erfolg seiner Mission mit den Worten melden, nun seien die Wunden ihres Vaters gesalbt. „Diese Worte”, lässt Pamuk Seküre mit großer Abgeklärtheit sagen, „verliehen nicht nur unserer Liebe, die sich in der engen Schlucht zwischen Leben und Tod, Verbot und Paradies, Hoffnungslosigkeit und Scham niederließ, ihre Farbe, sie bildeten auch den Vorwand für sie. Bis Kara, mein geliebter Ehemann, eines Morgens neben dem Brunnen umsank und am Herzschlag starb, liebten wir uns sechsundzwanzig Jahre lang jeden Mittag, während die Sonnenstrahlen durch die Ritzen des Fensterladens drangen und wir in den ersten Jahren auf das fröhliche Schwatzen von Sevket und Orhan horchten, und wir nannten es stets ‚die Wunden salben‘”. Auf solche Weise hätten ihre eifersüchtigen Söhne noch manches Jahr im Bett der Mutter schlafen können. Es ist ein eindringliches Bild der vaterlosen Symbiose von Mutter und Söhnen, das Pamuk zeichnet, ein Bild, in dem sich Eros und Erzählung ineinander verweben. Orhan heißt der eine der beiden Söhne, ein stiller, scheuer Junge. Ihm hat Seküre die ganze Geschichte erzählt, und er wird sie, hofft sie, aufschreiben – obwohl oder weil es keine Lüge gibt, „die er nicht spinnen würde, um seine Geschichte hübsch und glaubhaft zu gestalten.” So hat sich zuletzt der Wortmaler Orhan Pamuk im Buch der Miniaturen selbst verewigt und verborgen.
Benommen und gefesselt lässt Pamuks verwickelter, opulenter und unheimlicher Roman nach 59 Kapiteln und knapp sechshundert Seiten seinen Leser zurück; nicht nur den europäischen übrigens, sondern auch den türkischen. Über hunderttausend Exemplare sind von diesem Buch in der Türkei verkauft worden, eine Zahl, die angesichts des türkischen Buchmarkts sensationell anmutet. Es entspricht nicht den landläufigen Vorstellungen von der Türkei, wenn man hört, dass die türkische Regierung Orhan Pamuk, den Kritiker der Kurdenpolitik, den Verteidiger Salman Rushdies, den Diagnostiker der Geburtsfehler des Atatürk- Staats mit der höchsten kulturellen Auszeichnung des Landes ehren wollte – die Pamuk dann freilich ablehnte. Noch stehen der Aufnahme der Türkei in die Europäische Union schwerwiegende Gründe entgegen. Ihre Aufnahme in den Kosmos des europäischen Romans ist dank Orhan Pamuk vollzogen: Rot ist der Name, und groß ist dieses Buch.
CHRISTOPH BARTMANN
Glaubenskrieger mit Flamme und Schwert: Darstellung der Schlacht bei Haçova, Ende 16. Jahrhundert.
Abbildung: Topkapi Palace
Museum, Istanbul
Auf der Verwerfungslinie zwischen Orient und Okzident – beiden Seiten zugewandt: Berittener Bogenschütze.
Abbildung:
Topkapi Palace Museum, Istanbul
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.11.2001Vom Himmel durch die Welt zur Hölle
Die heimliche Logik der Farbe: In seinem meisterhaften Roman "Mein Name ist Rot" fragt Orhan Pamuk, auf welcher Seite Allah steht · Von Ernst Osterkamp
Diesem Roman stehen drei Motti voran. Das erste: "Wenn ihr jemand erschlagen habt und über den Täter streitet . . ." Ein gutes Motto für einen Kriminalroman. Das zweite: "Nicht gleichen sich der Blinde und der Sehende." Ein treffliches Motto für einen Künstlerroman. Das dritte: "Allah ist Herr über Ost und West . . ." Ein theologischer Roman also auch - zumal alle drei Motti dem Koran entstammen. Mithin ein hochaktueller politischer Roman.
"Ein Roman ist ein Leben als Buch. Jedes Leben hat ein Motto", so hat Novalis gesagt. Und: "Das Motto ist das musikalische Thema." Der Leser dieses Romans, vor dessen Beginn gleich drei Themen angeschlagen werden, hat sich auf eine gewaltige Lebenspartitur mit vielen Stimmen einzustellen. Dies ist wörtlich zu nehmen, denn das Werk hat nicht weniger als einundzwanzig Erzähler: Mörder und Opfer, Tote und Lebende, Maler und gemalte Figuren, Liebende, Tod und Teufel. Sie treten auf wie die Figuren im mittelalterlichen Mysterienspiel, tragen ihren Teil der Geschichte vor, bis ein anderer das Wort ergreift, und warten dann stumm darauf, an späterer Stelle die Erzählung fortsetzen zu können: 59 Auftritte, ein Meisterwerk des polyperspektivischen Erzählens. Und auf die Perspektive kommt in diesem Roman alles an, denn sie ist sein Thema.
Die erste ist diejenige eines Toten, der seit vier Tagen auf dem Grund eines Brunnens liegt, in den ihn sein Mörder geworfen hat. Nun wartet er darauf, daß man ihn dort entdeckt, damit er beigesetzt werden und so seine Ruhe finden kann. Aber natürlich wartet er auch darauf, daß man seinen Mörder ausfindig macht. So beginnt der Roman als Kriminalgeschichte. "Mein Schädel, eingeschlagen von einem Stein, wurde beim Sturz in den Brunnen gänzlich zertrümmert, meine Stirn, meine Wangen wurden zerdrückt und waren hin, meine Knochen brachen, mein Mund füllte sich mit Blut." Derjenige, der hier spricht, wurde nicht aus Habgier oder Eifersucht ermordet. Er war ein Künstler, ein Buchmaler, berühmt als Ornamentierer und Vergolder, und dafür, daß er nun dort unten liegt, ist vor allem die Tatsache verantwortlich, daß er sich von seinem bisherigen künstlerischen Weg hat abbringen lassen, was ihm heftige Gewissensqualen bereitete. Der Kriminalroman ist also von der ersten Seite an auch ein Künstlerroman.
Der fatale künstlerische Fehltritt bestand in einem Perspektivwechsel. Er hatte sich dazu überreden lassen, die Welt nicht mehr aus der Perspektive Gottes, sondern aus derjenigen des Menschen darzustellen, und das heißt: "sich gleichsam vor Allah zu erhöhen, sich selbst eine Bedeutung zu geben, sich in den Mittelpunkt der Welt zu stellen". Fragen der künstlerischen Perspektive sind also eminent theologische Fragen, und dies weit über die kalten Wintertage im Istanbul des Jahres 1591, in denen Orhan Pamuks Roman "Rot ist mein Name" spielt, hinaus. So ist dieser Kriminal- und Künstlerroman, ebenfalls von der ersten Seite an, zugleich ein theologischer Roman.
Und da die neue Weise, die Welt zu sehen und darzustellen, diejenige der christlichen Welt des Westens, der "fränkischen" und italienischen Meister ist, die die Welt aus der Perspektive des künstlerisch autonomen Subjekts darstellen, während in der Kunst der Osmanen die Aufgabe des Künstlers darin besteht, unter Absehung von allem Persönlichen und Zufälligen die Vollkommenheit der göttlichen Schöpfung wiederzugeben, handelt dieser Roman, der neben vielem anderen ein Hohelied auf die osmanische Buchmalerei ist, zugleich vom Konflikt zweier Kulturen. Damit gewinnt der Kriminalroman Züge einer politischen Allegorie, die aktueller kaum sein könnte. Schon immer war es eine Aufgabe des historischen Romans, Konflikte der Gegenwart im Spiegel einer abgeschlossenen Vergangenheit darzustellen, von der man immerhin weiß, wozu politische, kulturelle und historische Entscheidungen geführt haben.
Als politischer Roman erzählt das Buch von der Unaufhaltsamkeit des geschichtlichen Wandels, der sich über alle künstlerischen, politischen, religiösen Dogmen hinwegsetzt. Der Roman tut dies, indem er von einem künstlerischen Stilwandel erzählt. Denn dieses Hohelied auf ein Jahrhundert osmanischer Buchmalerei ist zugleich ein Abgesang auf eine Kunst, die unter dem aus dem Okzident kommenden künstlerischen Erneuerungsdruck zum Untergang verurteilt war. Im Wandel der Kunst bezeugt sich immer ein Wandel des Weltbilds: "Denn beginnt einer damit, ein Pferd auf andere Art und Weise zu malen, dann wird er auch bald die Welt auf andere Art und Weise sehen." So spricht der alte Meister der Istanbuler Hofwerkstatt als Hüter der Tradition. Darum sind Fragen der Perspektive genuin politische Fragen - und deshalb wissen auch diejenigen, die im Bewußtsein der Unaufhaltsamkeit der geschichtlichen Entwicklung die Perspektive des Okzidents in die Buchmalerei des Orients einführen wollen, daß sie sich auf ein gefährliches Spiel einlassen.
Dies gilt vor allem für den alten Diplomaten, der sich auf seinen Reisen nach Venedig von der Porträtkunst der Italiener hat faszinieren lassen und nun im Auftrag des Padischah ein illustriertes Prachtwerk fertigstellen läßt, das die osmanische Kunst auf die Höhe der westlichen Stilentwicklung bringen soll: "Denn wenn du jene Bilder einmal erblickst, möchtest auch du dich selbst so sehen und glauben, anders als jeder, unvergleichlich, ein besonderes und seltsames Wesen zu sein. Diese Möglichkeit schafft das neue Verfahren, das den Menschen so malt, wie das Auge ihn sieht, und nicht, wie der Verstand ihn erblickt. Eines Tages in der Zukunft wird jeder so malen wie sie. Alle Welt wird unter dem Begriff Bild das verstehen, was sie geschaffen haben!" Wenige Augenblicke nachdem er diese Sätze gesagt hat, ist der weise Erneuerer der Kunst tot, wobei sein Mörder sich eines für rote Tinte bestimmten mongolischen Fäßchens bedient hat. Rot ist die Grundfarbe in diesem mit farbenprächtig erzählten Bildern angefüllten Buch. Der Leser tut also gut daran, auf "die heimliche Logik der Farbe Rot im Bild" zu achten, auf die einer der Meisterillustratoren schon früh aufmerksam macht.
Rot ist freilich auch die Farbe der Liebe. Pamuks verwirrend schöner Roman erzählt deshalb, wie fast jeder gute Kriminalroman, zugleich eine wunderbare Liebesgeschichte. Es ist diejenige Karas, der vor zwölf Jahren Istanbul verlassen hat, weil sein Werben um die schöne Seküre, die Tochter seines Onkels, des schon erwähnten kunstbegeisterten Diplomaten, vergeblich geblieben war. Nun ist er nach Istanbul zurückgekehrt, wo die unverändert schöne Seküre mittlerweile als Witwe mit zwei kleinen Söhnen lebt. Wie Kara sich durch die Beteiligung am Buchprojekt seines Onkels dessen Vertrauen erwirbt, wie das Paar sich im Wechselspiel von Blicken und Briefen, von Schüchternheit und erotischer Dreistigkeit näherkommt, wie Seküre Kara an sich zu binden versucht, ohne attraktive Alternativen zunächst aufgeben zu wollen, wie Kara den Weg in Seküres Bett dadurch zu gewinnen hat, daß er den Mörder seines Onkels zur Strecke bringt: das alles wird auf eine Weise erzählt, die man vor dem Hintergrund der Thematik dieses Romans getrost altmeisterlich wird nennen dürfen. Auch hier gewinnt die Erzählung ihren Reiz aus dem Wechsel der Perspektiven: vom männlichen zum weiblichen Blick, vom Blick der Frau zurück in den des Mannes, wobei auf dieses Wechselspiel der Blicke wiederum von außen Blicke fallen: diejenigen des Onkels, der Söhne, einer Briefbotin.
Einen weiteren Reiz gewinnt die Liebesgeschichte darin, daß sie die Liebenden sich fortwährend in jenen Bildern spiegeln läßt, von denen erzählt wird; dadurch erhalten sie selbst die Qualität von lebenden Bildern, in denen das individuelle Geschick zur Jederzeitlichkeit und Allgemeingültigkeit gefunden hat: "Viel später, nachdem ich den Brief geöffnet und das Bild darin gesehen hatte, begriff ich, wie sehr dieser Augenblick - ich auf dem Pferd und sie am Fenster und zwischen uns, wenn auch etwas abseits, der melancholische Baum - jener wohl tausendfach gemalten Szene von Hüsrev unter Sirins Fenster glich und daß ich hell in Liebe entbrannt war, so wie es die Bilder jener Bücher zeigten, die wir so heiß und innig geliebt hatten." Kunstvoller kann ein Erzähler die Themen nicht miteinander verweben, als Orhan Pamuk es in diesem Roman tut.
Woran aber erkennt man den Mörder? Natürlich an seinem Stil. Denn der Mörder, das steht von Anbeginn fest, ist ein Künstler. Da er aber auch als Mörder ein Künstler ist, bereitet es große Mühe, ihn ausfindig zu machen. An der Suche beteiligt Pamuk den Leser auf ingeniöse Weise, wie sie so in der Geschichte der Kriminalerzählung wohl einmalig sein dürfte: indem er den Täter in doppelter Perspektive erzählen läßt, manchmal als am Geschehen beteiligte Figur, in der noch niemand den Mörder erkannt hat, und dann wiederum als der Mörder, der er ist.
Mord und Stil: wie hängt das hier zusammen? Stil ist jene persönliche Handschrift des Künstlers, an der man im Kunstwerk dessen Urheber erkennt. Da an der persischen und osmanischen Buchillustration zumeist mehrere Künstler zusammenwirken, um gemeinsam ein Kunstwerk hervorzubringen, besteht die wahre Meisterschaft gerade darin, keinen persönlichen Stil zu haben. Deshalb kommt dem Mörder immer dann, wenn er nachts an den Ort seiner Tat zurückkehrt, unweigerlich das künstlerische Stilproblem in den Sinn, denn es mag ja sein, daß er in irgendeinem Detail seine Signatur hinterlassen hat. Und doch wird auch der zum Mörder gewordene Meisterillustrator, der einen Stil zu haben für schlimmer hält, als ein Mörder zu sein, schließlich an seinem Stil erkannt. Denn der künstlerische Wandel, dem er sich widersetzt, hat auch ihn längst erfaßt.
Und Allah? Auf welcher Seite steht er: auf derjenigen der sich dem Westen öffnenden Neuerer oder auf der der Traditionalisten? Dies ist auch im Roman eine lebenswichtige Frage, denn längst haben sich hier in den Streit um die Bilder religiöse Fanatiker eingemengt, die die Erneuerer der Kunst der Ketzerei bezichtigen und die Massen gegen sie aufhetzen. Wenden wir uns also an die metaphysischen Letztinstanzen: zunächst an Satan, dem Pamuk eigens das Wort erteilt, um ihn sich als entschiedenen künstlerischen Traditionalisten bekennen zu lassen. Denn dem Teufel ist die Neigung der "fränkischen" Maler zum Porträt und zum künstlerischen Individualstil schon deshalb ein Greuel, weil er sich weigert, den Menschen zu verehren; die Traditionalisten haben in ihm also einen Bundesgenossen. Das heißt aber keineswegs, daß Allah in diesem Roman auf seiten der nach Westen gewandten Erneuerer stünde. In einem erzählerischen Bravourstück führt Pamuk den Leser mit Karas Onkel, den sein Mörder am Ende eines langen Kunstgesprächs erschlagen hatte, vor den Thron Allahs, wo der Tote voller Sorge gesteht, er habe Allahs Welt "nach den Methoden der Ungläubigen" malen lassen. Allahs Antwort besteht in einem einzigen Satz: "Der Osten wie der Westen, beide sind mein." Dies entspricht, wir erinnern uns, dem dritten Motto des Romans. Tatsächlich ist mit diesem Satz alles gesagt: Vor Gottes Ewigkeitsblick sind alle kulturellen Gegensätze zwischen West und Ost bedeutungslos, denn seine Liebe schließt die geistige Welt des Ostens wie die des Westens ein.
So führt der große türkische Erzähler Orhan Pamuk in seinem 1998 im Original erschienenen großen Roman den Leser vom Himmel durch die Welt zur Hölle und durch ein buntes historisches Panorama, das sich vom ärmlichen Teehaus bis zum Palast des Padischah erstreckt. Und wie Allah wirft der historische Erzähler einen ordnenden Versöhnungsblick auf seine von Widersprüchen zerrissene Welt, in der Fragen der Perspektive über Leben und Tod entscheiden: "Allahs ist der Osten wie der Westen. Allah bewahre uns vor dem Wunsch, rein und unvermischt zu sein." Dieser Roman ist ein wunderbar reiches Stück Weltliteratur. Ingrid Iren hat ihn in ein angenehm lesbares Deutsch gebracht.
Orhan Pamuk: "Rot ist mein Name". Roman. Aus dem Türkischen übersetzt von Ingrid Iren. Carl Hanser Verlag, München 2001. 560 S., geb., 54,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die heimliche Logik der Farbe: In seinem meisterhaften Roman "Mein Name ist Rot" fragt Orhan Pamuk, auf welcher Seite Allah steht · Von Ernst Osterkamp
Diesem Roman stehen drei Motti voran. Das erste: "Wenn ihr jemand erschlagen habt und über den Täter streitet . . ." Ein gutes Motto für einen Kriminalroman. Das zweite: "Nicht gleichen sich der Blinde und der Sehende." Ein treffliches Motto für einen Künstlerroman. Das dritte: "Allah ist Herr über Ost und West . . ." Ein theologischer Roman also auch - zumal alle drei Motti dem Koran entstammen. Mithin ein hochaktueller politischer Roman.
"Ein Roman ist ein Leben als Buch. Jedes Leben hat ein Motto", so hat Novalis gesagt. Und: "Das Motto ist das musikalische Thema." Der Leser dieses Romans, vor dessen Beginn gleich drei Themen angeschlagen werden, hat sich auf eine gewaltige Lebenspartitur mit vielen Stimmen einzustellen. Dies ist wörtlich zu nehmen, denn das Werk hat nicht weniger als einundzwanzig Erzähler: Mörder und Opfer, Tote und Lebende, Maler und gemalte Figuren, Liebende, Tod und Teufel. Sie treten auf wie die Figuren im mittelalterlichen Mysterienspiel, tragen ihren Teil der Geschichte vor, bis ein anderer das Wort ergreift, und warten dann stumm darauf, an späterer Stelle die Erzählung fortsetzen zu können: 59 Auftritte, ein Meisterwerk des polyperspektivischen Erzählens. Und auf die Perspektive kommt in diesem Roman alles an, denn sie ist sein Thema.
Die erste ist diejenige eines Toten, der seit vier Tagen auf dem Grund eines Brunnens liegt, in den ihn sein Mörder geworfen hat. Nun wartet er darauf, daß man ihn dort entdeckt, damit er beigesetzt werden und so seine Ruhe finden kann. Aber natürlich wartet er auch darauf, daß man seinen Mörder ausfindig macht. So beginnt der Roman als Kriminalgeschichte. "Mein Schädel, eingeschlagen von einem Stein, wurde beim Sturz in den Brunnen gänzlich zertrümmert, meine Stirn, meine Wangen wurden zerdrückt und waren hin, meine Knochen brachen, mein Mund füllte sich mit Blut." Derjenige, der hier spricht, wurde nicht aus Habgier oder Eifersucht ermordet. Er war ein Künstler, ein Buchmaler, berühmt als Ornamentierer und Vergolder, und dafür, daß er nun dort unten liegt, ist vor allem die Tatsache verantwortlich, daß er sich von seinem bisherigen künstlerischen Weg hat abbringen lassen, was ihm heftige Gewissensqualen bereitete. Der Kriminalroman ist also von der ersten Seite an auch ein Künstlerroman.
Der fatale künstlerische Fehltritt bestand in einem Perspektivwechsel. Er hatte sich dazu überreden lassen, die Welt nicht mehr aus der Perspektive Gottes, sondern aus derjenigen des Menschen darzustellen, und das heißt: "sich gleichsam vor Allah zu erhöhen, sich selbst eine Bedeutung zu geben, sich in den Mittelpunkt der Welt zu stellen". Fragen der künstlerischen Perspektive sind also eminent theologische Fragen, und dies weit über die kalten Wintertage im Istanbul des Jahres 1591, in denen Orhan Pamuks Roman "Rot ist mein Name" spielt, hinaus. So ist dieser Kriminal- und Künstlerroman, ebenfalls von der ersten Seite an, zugleich ein theologischer Roman.
Und da die neue Weise, die Welt zu sehen und darzustellen, diejenige der christlichen Welt des Westens, der "fränkischen" und italienischen Meister ist, die die Welt aus der Perspektive des künstlerisch autonomen Subjekts darstellen, während in der Kunst der Osmanen die Aufgabe des Künstlers darin besteht, unter Absehung von allem Persönlichen und Zufälligen die Vollkommenheit der göttlichen Schöpfung wiederzugeben, handelt dieser Roman, der neben vielem anderen ein Hohelied auf die osmanische Buchmalerei ist, zugleich vom Konflikt zweier Kulturen. Damit gewinnt der Kriminalroman Züge einer politischen Allegorie, die aktueller kaum sein könnte. Schon immer war es eine Aufgabe des historischen Romans, Konflikte der Gegenwart im Spiegel einer abgeschlossenen Vergangenheit darzustellen, von der man immerhin weiß, wozu politische, kulturelle und historische Entscheidungen geführt haben.
Als politischer Roman erzählt das Buch von der Unaufhaltsamkeit des geschichtlichen Wandels, der sich über alle künstlerischen, politischen, religiösen Dogmen hinwegsetzt. Der Roman tut dies, indem er von einem künstlerischen Stilwandel erzählt. Denn dieses Hohelied auf ein Jahrhundert osmanischer Buchmalerei ist zugleich ein Abgesang auf eine Kunst, die unter dem aus dem Okzident kommenden künstlerischen Erneuerungsdruck zum Untergang verurteilt war. Im Wandel der Kunst bezeugt sich immer ein Wandel des Weltbilds: "Denn beginnt einer damit, ein Pferd auf andere Art und Weise zu malen, dann wird er auch bald die Welt auf andere Art und Weise sehen." So spricht der alte Meister der Istanbuler Hofwerkstatt als Hüter der Tradition. Darum sind Fragen der Perspektive genuin politische Fragen - und deshalb wissen auch diejenigen, die im Bewußtsein der Unaufhaltsamkeit der geschichtlichen Entwicklung die Perspektive des Okzidents in die Buchmalerei des Orients einführen wollen, daß sie sich auf ein gefährliches Spiel einlassen.
Dies gilt vor allem für den alten Diplomaten, der sich auf seinen Reisen nach Venedig von der Porträtkunst der Italiener hat faszinieren lassen und nun im Auftrag des Padischah ein illustriertes Prachtwerk fertigstellen läßt, das die osmanische Kunst auf die Höhe der westlichen Stilentwicklung bringen soll: "Denn wenn du jene Bilder einmal erblickst, möchtest auch du dich selbst so sehen und glauben, anders als jeder, unvergleichlich, ein besonderes und seltsames Wesen zu sein. Diese Möglichkeit schafft das neue Verfahren, das den Menschen so malt, wie das Auge ihn sieht, und nicht, wie der Verstand ihn erblickt. Eines Tages in der Zukunft wird jeder so malen wie sie. Alle Welt wird unter dem Begriff Bild das verstehen, was sie geschaffen haben!" Wenige Augenblicke nachdem er diese Sätze gesagt hat, ist der weise Erneuerer der Kunst tot, wobei sein Mörder sich eines für rote Tinte bestimmten mongolischen Fäßchens bedient hat. Rot ist die Grundfarbe in diesem mit farbenprächtig erzählten Bildern angefüllten Buch. Der Leser tut also gut daran, auf "die heimliche Logik der Farbe Rot im Bild" zu achten, auf die einer der Meisterillustratoren schon früh aufmerksam macht.
Rot ist freilich auch die Farbe der Liebe. Pamuks verwirrend schöner Roman erzählt deshalb, wie fast jeder gute Kriminalroman, zugleich eine wunderbare Liebesgeschichte. Es ist diejenige Karas, der vor zwölf Jahren Istanbul verlassen hat, weil sein Werben um die schöne Seküre, die Tochter seines Onkels, des schon erwähnten kunstbegeisterten Diplomaten, vergeblich geblieben war. Nun ist er nach Istanbul zurückgekehrt, wo die unverändert schöne Seküre mittlerweile als Witwe mit zwei kleinen Söhnen lebt. Wie Kara sich durch die Beteiligung am Buchprojekt seines Onkels dessen Vertrauen erwirbt, wie das Paar sich im Wechselspiel von Blicken und Briefen, von Schüchternheit und erotischer Dreistigkeit näherkommt, wie Seküre Kara an sich zu binden versucht, ohne attraktive Alternativen zunächst aufgeben zu wollen, wie Kara den Weg in Seküres Bett dadurch zu gewinnen hat, daß er den Mörder seines Onkels zur Strecke bringt: das alles wird auf eine Weise erzählt, die man vor dem Hintergrund der Thematik dieses Romans getrost altmeisterlich wird nennen dürfen. Auch hier gewinnt die Erzählung ihren Reiz aus dem Wechsel der Perspektiven: vom männlichen zum weiblichen Blick, vom Blick der Frau zurück in den des Mannes, wobei auf dieses Wechselspiel der Blicke wiederum von außen Blicke fallen: diejenigen des Onkels, der Söhne, einer Briefbotin.
Einen weiteren Reiz gewinnt die Liebesgeschichte darin, daß sie die Liebenden sich fortwährend in jenen Bildern spiegeln läßt, von denen erzählt wird; dadurch erhalten sie selbst die Qualität von lebenden Bildern, in denen das individuelle Geschick zur Jederzeitlichkeit und Allgemeingültigkeit gefunden hat: "Viel später, nachdem ich den Brief geöffnet und das Bild darin gesehen hatte, begriff ich, wie sehr dieser Augenblick - ich auf dem Pferd und sie am Fenster und zwischen uns, wenn auch etwas abseits, der melancholische Baum - jener wohl tausendfach gemalten Szene von Hüsrev unter Sirins Fenster glich und daß ich hell in Liebe entbrannt war, so wie es die Bilder jener Bücher zeigten, die wir so heiß und innig geliebt hatten." Kunstvoller kann ein Erzähler die Themen nicht miteinander verweben, als Orhan Pamuk es in diesem Roman tut.
Woran aber erkennt man den Mörder? Natürlich an seinem Stil. Denn der Mörder, das steht von Anbeginn fest, ist ein Künstler. Da er aber auch als Mörder ein Künstler ist, bereitet es große Mühe, ihn ausfindig zu machen. An der Suche beteiligt Pamuk den Leser auf ingeniöse Weise, wie sie so in der Geschichte der Kriminalerzählung wohl einmalig sein dürfte: indem er den Täter in doppelter Perspektive erzählen läßt, manchmal als am Geschehen beteiligte Figur, in der noch niemand den Mörder erkannt hat, und dann wiederum als der Mörder, der er ist.
Mord und Stil: wie hängt das hier zusammen? Stil ist jene persönliche Handschrift des Künstlers, an der man im Kunstwerk dessen Urheber erkennt. Da an der persischen und osmanischen Buchillustration zumeist mehrere Künstler zusammenwirken, um gemeinsam ein Kunstwerk hervorzubringen, besteht die wahre Meisterschaft gerade darin, keinen persönlichen Stil zu haben. Deshalb kommt dem Mörder immer dann, wenn er nachts an den Ort seiner Tat zurückkehrt, unweigerlich das künstlerische Stilproblem in den Sinn, denn es mag ja sein, daß er in irgendeinem Detail seine Signatur hinterlassen hat. Und doch wird auch der zum Mörder gewordene Meisterillustrator, der einen Stil zu haben für schlimmer hält, als ein Mörder zu sein, schließlich an seinem Stil erkannt. Denn der künstlerische Wandel, dem er sich widersetzt, hat auch ihn längst erfaßt.
Und Allah? Auf welcher Seite steht er: auf derjenigen der sich dem Westen öffnenden Neuerer oder auf der der Traditionalisten? Dies ist auch im Roman eine lebenswichtige Frage, denn längst haben sich hier in den Streit um die Bilder religiöse Fanatiker eingemengt, die die Erneuerer der Kunst der Ketzerei bezichtigen und die Massen gegen sie aufhetzen. Wenden wir uns also an die metaphysischen Letztinstanzen: zunächst an Satan, dem Pamuk eigens das Wort erteilt, um ihn sich als entschiedenen künstlerischen Traditionalisten bekennen zu lassen. Denn dem Teufel ist die Neigung der "fränkischen" Maler zum Porträt und zum künstlerischen Individualstil schon deshalb ein Greuel, weil er sich weigert, den Menschen zu verehren; die Traditionalisten haben in ihm also einen Bundesgenossen. Das heißt aber keineswegs, daß Allah in diesem Roman auf seiten der nach Westen gewandten Erneuerer stünde. In einem erzählerischen Bravourstück führt Pamuk den Leser mit Karas Onkel, den sein Mörder am Ende eines langen Kunstgesprächs erschlagen hatte, vor den Thron Allahs, wo der Tote voller Sorge gesteht, er habe Allahs Welt "nach den Methoden der Ungläubigen" malen lassen. Allahs Antwort besteht in einem einzigen Satz: "Der Osten wie der Westen, beide sind mein." Dies entspricht, wir erinnern uns, dem dritten Motto des Romans. Tatsächlich ist mit diesem Satz alles gesagt: Vor Gottes Ewigkeitsblick sind alle kulturellen Gegensätze zwischen West und Ost bedeutungslos, denn seine Liebe schließt die geistige Welt des Ostens wie die des Westens ein.
So führt der große türkische Erzähler Orhan Pamuk in seinem 1998 im Original erschienenen großen Roman den Leser vom Himmel durch die Welt zur Hölle und durch ein buntes historisches Panorama, das sich vom ärmlichen Teehaus bis zum Palast des Padischah erstreckt. Und wie Allah wirft der historische Erzähler einen ordnenden Versöhnungsblick auf seine von Widersprüchen zerrissene Welt, in der Fragen der Perspektive über Leben und Tod entscheiden: "Allahs ist der Osten wie der Westen. Allah bewahre uns vor dem Wunsch, rein und unvermischt zu sein." Dieser Roman ist ein wunderbar reiches Stück Weltliteratur. Ingrid Iren hat ihn in ein angenehm lesbares Deutsch gebracht.
Orhan Pamuk: "Rot ist mein Name". Roman. Aus dem Türkischen übersetzt von Ingrid Iren. Carl Hanser Verlag, München 2001. 560 S., geb., 54,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
""Ein wunderbar reiches Stück Weltliteratur", jubelt ein begeisterter Ernst Osterkamp über dies "verwirrend schöne" Buch. Ein Kriminalroman, der von der ersten Seite an auch ein Künstlerroman sei - und "ein Hohelied auf die osmanische Buchmalerei", Abgesang auf eine Kunst, die unter dem "aus dem Okzident kommenden künstlerischen Erneuerungsdruck" zum Untergang verurteilt gewesen sei. Es gehe also auch um den Konflikt zweier Kulturen. Und die Frage, ob Allah über Ost und West gleichermaßen herrscht. Dadurch gewinnt der Roman in Osterkamps Augen auch Züge einer politischen Allegorie, "die aktueller nicht sein könnte". Der Leser habe sich auf eine "gewaltige Lebenspartitur mit vielen Stimmen" einzustellen. "59 Auftritte", nicht weniger als einundzwanzig Erzähler habe das Werk. "Mörder und Opfer, Tote und Lebende, Maler und gemalte Figuren, Liebende, Tod und Teufel". Das Buch sei ein "Meisterwerk des polyperspektivischen Erzählens". Der Rezensent führt durch ein schillerndes historisches Panorama, das im Istanbul des Jahres 1591 angesiedelt ist und sich vom "ärmlichen Teehaus bis zum Palast des Padischah" erstreckt. Nebenbei sei das Buch auch noch eine wunderbare Liebesgeschichte, meint der Rezensent und lobt die Übersetzerin, die es in "angenehm lesbares Deutsch" gebracht habe.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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"Noch stehen der Aufnahme der Türkei in die EU einige schwerwiegende Gründe entgegen. Ihre Aufnahme in den Kosmos des europäischen Romans ist dank Orhan Pamuk vollzogen: Rot ist der Name, und groß ist dieses Buch." Christoph Bartmann, Süddeutsche Zeitung, 25.09.01
"Orhan Pamuk blickt tief in die Seelen der Menschen und entdeckt mit großer Begeisterung die schwarzen Flecken und erschreckenden Abgründe. ... Pamuk bewegt sich virtuos wie ein Seiltänzer zwischen den Kulturen." Susanne Schanda, Neue Zürcher Zeitung, 1./2.12.01
"Alles gerät in Bewegung, und Pamuk verwirbelt geschickt rhythmisiert Legende und Action, Krimi und Herzenserguss, Intrige und Kunstkritik. Unter der Hand inszeniert sein Roman mit dem anfänglichen Brudermord unter Illustratoren, dem Vatermord am Oheim und dem unvergesslichen Verrat der Illustratoren der "Söhne", durch Meister Osman, den "Vater", einige Urszenen der Menscheitsgeschichte. Orhan Pamuks ost-westlicher Diwan hat gewaltige Ausmaße. Auf ihm ist vorzüglich ruhen, gleichermaßen genießend und denken." Jörg Plath, Stuttgarter Zeitung, 09.10.01
"Der in Instabul lebende Orhan Pamuk entblättert den mit Elementen des Detektivroman durchsetzten Bilderstreit der Gelehrten in einem ornamentalen Reigen aus Fabeln und Parabeln." Sabine Vogel, Berliner Zeitung, 09.10.01
"Ein wunderbares Buch" Daniel Cohn-Bendit, DRS Literaturclub
"Entstanden ist ein prachtvoller, ost-westlicher Diwan: Weltliteratur aus der Türkei." Jörg Plath, Tagesspiegel, 16.12.01
"Pamuks Offenheit für Politik gibt seinen Romanen zusätzlich Leben." Hans-Peter Kunisch, Die Zeit, 06.12.01
"Dieser Roman ist ein erzählerisches Bravourstück, ein wunderbar reiches Stück Weltliteratur." Ernst Osterkamp, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.11.01
"Man wird nicht müde, Pamuk zu lesen, denn wieder hat er ein sprachliches Kunstwerk geschaffen, schildert in tausendundein Farben ein Intrigenspiel um Liebe und Tod, um Tradition und Aufbruch in die Moderne, das in vergangenen osmanischen Zeiten handelt und doch auf das Heute abzielt." Monika Carbe, Neue Zürcher Zeitung, 09.10.01
"Orhan Pamuk blickt tief in die Seelen der Menschen und entdeckt mit großer Begeisterung die schwarzen Flecken und erschreckenden Abgründe. ... Pamuk bewegt sich virtuos wie ein Seiltänzer zwischen den Kulturen." Susanne Schanda, Neue Zürcher Zeitung, 1./2.12.01
"Alles gerät in Bewegung, und Pamuk verwirbelt geschickt rhythmisiert Legende und Action, Krimi und Herzenserguss, Intrige und Kunstkritik. Unter der Hand inszeniert sein Roman mit dem anfänglichen Brudermord unter Illustratoren, dem Vatermord am Oheim und dem unvergesslichen Verrat der Illustratoren der "Söhne", durch Meister Osman, den "Vater", einige Urszenen der Menscheitsgeschichte. Orhan Pamuks ost-westlicher Diwan hat gewaltige Ausmaße. Auf ihm ist vorzüglich ruhen, gleichermaßen genießend und denken." Jörg Plath, Stuttgarter Zeitung, 09.10.01
"Der in Instabul lebende Orhan Pamuk entblättert den mit Elementen des Detektivroman durchsetzten Bilderstreit der Gelehrten in einem ornamentalen Reigen aus Fabeln und Parabeln." Sabine Vogel, Berliner Zeitung, 09.10.01
"Ein wunderbares Buch" Daniel Cohn-Bendit, DRS Literaturclub
"Entstanden ist ein prachtvoller, ost-westlicher Diwan: Weltliteratur aus der Türkei." Jörg Plath, Tagesspiegel, 16.12.01
"Pamuks Offenheit für Politik gibt seinen Romanen zusätzlich Leben." Hans-Peter Kunisch, Die Zeit, 06.12.01
"Dieser Roman ist ein erzählerisches Bravourstück, ein wunderbar reiches Stück Weltliteratur." Ernst Osterkamp, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.11.01
"Man wird nicht müde, Pamuk zu lesen, denn wieder hat er ein sprachliches Kunstwerk geschaffen, schildert in tausendundein Farben ein Intrigenspiel um Liebe und Tod, um Tradition und Aufbruch in die Moderne, das in vergangenen osmanischen Zeiten handelt und doch auf das Heute abzielt." Monika Carbe, Neue Zürcher Zeitung, 09.10.01