Zaryzin, 1918Gagarin spielte um sein Leben. Genauer gesagt, um die Zeit, die ihm noch zu leben blieb. Denn der weisse Offizier hatte es deutlich ausgedrückt: «Gewinne ich, wirst du erhängt. Gewinnst du, dann hast du dir den Erschiessungstod verdient.» Er hatte dabei gelächelt wie ein Grossvater, der seinem Kleinkind Schokolade anbietet. Doch Gagarin wollte weder das eine noch das andere. Er wollte leben. Leben, um zu kämpfen. Kämpfen, um der morschen Vergangenheit den Garaus zu machen und über Sinnlosigkeit und Chaos zu triumphieren. Sterben, vielleicht, aber mit der Waffe in der Hand. Er hätte alles gegeben, um nicht mit stierem Blick und schicksalsergeben wie ein Opferlamm abgeschlachtet zu werden! Gagarin hatte das Jugendheim der Komsomol vor ein paar Wochen verlassen müssen, weil die Frontsituation den Einsatz der allerletzten Kräfte erforderte. Dann war er, wie viele andere, mit einem Gewehr in die Strassen Zaryzins geschickt worden, um die Besetzung der Stadt durch die Weissgardisten zu verhindern. Das Kommando führte ein von Moskau abkommandierter Kommissar, ein schwarzhaariger, wortkarger Mann mit einem gewaltigen Schnurrbart, den alle nur «Koba » nannten. Kaum hatte dieser nach ein paar Tagen Freiwillige für eine Aufklärungspatrouille hinter den feindlichen Linien gesucht, als sich Gagarin auch sofort gemeldet hatte. Koba hatte ihn abschätzend angeschaut, ihm väterlich die Hand auf die Stoffmütze gelegt und, sich zu den anderen wendend, verkündet: «Die Revolution macht selbst Kinder zu Helden!»