Man stelle sich den Schriftsteller vor als einen Gärtner, glücklich in der Sorge um seine Schützlinge - den kümmerlichen Papyrus, die erkahlende Zypresse, die auffahrende Palme, all die unterschiedlichen Gesellen, die sich über die Jahre in seinem Garten eingefunden haben. Und man stelle sich das Gedächtnis vor als einen solchen südlichen Garten: von scheuen Tieren besucht, mit Steinen und Unkraut durchsetzt, von Austrocknung bedroht, und dann, ein Tropfen Wasser, ein Stichwort, und er erblüht in ungeahnter Pracht. Ich habe keins, behauptet Cees Nooteboom gern, wenn es um sein Gedächtnis geht, und im nächsten Moment sieht man ihn wieder begeistert jäten, harken, fegen, gießen, hegen, entlausen und sägen: "Wer keine Vergangenheit hat, muß sich eine schaffen." Die Leichten Geschichten zeigen Nooteboom als Arbeiter im Garten der Erinnerung. Erste Reisen, ein Labyrinth aus Gassen und eine Haschpfeife in irgendeiner Oase, längst geteerte Schotterpisten, alte Nachbarn auf Menorca, jugendliche Exzesse und was an Weisheit oder Rückenschmerzen davon übrig ist, all die Szenen und Erlebnisse, die im Gedächtnis so zufällig wie zwingend Niederschlag gefunden haben, sind hier versammelt zu einem Strauß sehr heiterer, sehr persönlicher Geschichten, mehrheitlich die Ernte des letzten, ausgesprochen fruchtbaren Jahres. Der belgische Maler Jan Vanriet steuert zum Gärtner ohne Garten ausdrucksstarke Vignetten bei.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.02.2008Fernweh
Als Leser von Reisegeschichten schwankt man häufig zwischen Neid, Fernweh und dem unangenehmen Gefühl, trotz aller Schwärmerei unbeteiligt zu bleiben. Alle drei Empfindungen könnten auftauchen, wenn ein Schriftsteller von seinen Sommern berichtet, die er seit Jahrzehnten auf Menorca verbringt. Es zeugt von großem schreiberischem Geschick, dass bei Cees Nooteboom nur das Fernweh ab und zu auftaucht. Im ersten Teil hat er Geschichten aus dem Inselalltag aufgeschrieben: die selbstgepflanzten Palmen im Garten, die Katze, die den ganzen Winter über allein ist, und die Nachbarn, deren Sprache klingt wie "Blumentopfscherben, die man in einen Zinkeimer wirft". Dank seines lockeren Stils ist das unvergleichlich charmant. Die beiden anderen Teile handeln von Nootebooms zahlreichen Reisen und von denen, die er anhand seines Tagebuchs nachvollzieht. Da liest ein Mann von Mitte siebzig seine Aufzeichnungen als junger Kerl und findet sein junges Ich eher amüsant in dessen unbedingtem Willen, ernst genommen zu werden. An vieles erinnert er sich nicht mehr, von anderem kann er kaum glauben, dass er es damals nicht notiert hat. So entsteht eine feine ironische Distanz, die die Berichte zu etwas Besonderem macht. (Cees Nooteboom: "Roter Regen". Erzählungen. Aus dem Niederländischen übersetzt von Helga van Beuningen. Zeichnungen von Jan Vanriet. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 240 S., geb., 19,80 [Euro].) bähr
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Als Leser von Reisegeschichten schwankt man häufig zwischen Neid, Fernweh und dem unangenehmen Gefühl, trotz aller Schwärmerei unbeteiligt zu bleiben. Alle drei Empfindungen könnten auftauchen, wenn ein Schriftsteller von seinen Sommern berichtet, die er seit Jahrzehnten auf Menorca verbringt. Es zeugt von großem schreiberischem Geschick, dass bei Cees Nooteboom nur das Fernweh ab und zu auftaucht. Im ersten Teil hat er Geschichten aus dem Inselalltag aufgeschrieben: die selbstgepflanzten Palmen im Garten, die Katze, die den ganzen Winter über allein ist, und die Nachbarn, deren Sprache klingt wie "Blumentopfscherben, die man in einen Zinkeimer wirft". Dank seines lockeren Stils ist das unvergleichlich charmant. Die beiden anderen Teile handeln von Nootebooms zahlreichen Reisen und von denen, die er anhand seines Tagebuchs nachvollzieht. Da liest ein Mann von Mitte siebzig seine Aufzeichnungen als junger Kerl und findet sein junges Ich eher amüsant in dessen unbedingtem Willen, ernst genommen zu werden. An vieles erinnert er sich nicht mehr, von anderem kann er kaum glauben, dass er es damals nicht notiert hat. So entsteht eine feine ironische Distanz, die die Berichte zu etwas Besonderem macht. (Cees Nooteboom: "Roter Regen". Erzählungen. Aus dem Niederländischen übersetzt von Helga van Beuningen. Zeichnungen von Jan Vanriet. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 240 S., geb., 19,80 [Euro].) bähr
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Entspannten Lesegenuss hat diese Textsammlung Rezensentin Kristina Maidt-Zinke verschafft. Es handelt sich ihren Informationen zufolge um eine Mischung aus "charmanten Gelegenheitsarbeiten", angenehm weisen Erinnerungstexten, sowie dem allerersten Reisetagebuch des damals siebzehnjährigen Radtouristen Cees Nooteboom. Kleine Texte über eher randständige Fragen des Lebens, die ihre Kraft der Rezensentin zufolge gerade aus dem "lockeren Plauderton" nehmen, in dem sie verfasst worden sind. Der titelgebende rote Regen hat sich, wie Maidt-Zinnke schreibt, auf Menorca über das nooteboomsche Ferienhaus aus Backstein ergossen und einen Proust'schen Madeleine-Erinnerungseffekt beim Autor ausgelöst, dem sie sich, wie auch den anderen Streifzügen der Erinnerung in diesem Band, gerne angeschlossen hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Kaum eine Landschaft, die nicht schon der junge Autor uns erschlossen hat in einer eigenen, prosapoetischen Sprache, in schönen, oft verblüffenden, (ein)leuchtenden Bildern.« Dieter Hildebrandt DIE ZEIT
»Cees Nooteboom war in der Welt so viel und so hellwach unterwegs und hat davon so viel berichtet, dass man den Dichter fast als einen Reiseschriftsteller verkennen konnte. Kaum eine Landschaft, die nicht schon der junge Autor uns erschlossen hat in einer eigenen, prosapoetischen Sprache, in schönen, oft verblüffenden, (ein)leuchtenden Bildern. Aber er hat auf seinen Wegen auch immer den nach innen gesucht und in mancher Ferne nicht nur Abenteuer und fremde Schicksale gefunden, sondern auch sich selbst. Von silchen Orten und solchen Selbstbegegnungen handeln die in diesem neuen Band versammelten Geschichten. Die schönsten bezeugen den Versuch eines alten Mannes, Freundschaft zu schließen mit dem, der er als junger Mann war, vergangene und gegenwärtige Identität zusammenzubringen.«