In Zeiten der Globalisierung können wir uns überall hinbewegen, von überall arbeiten, überall leben - gesetzt den Fall, wir haben die passende Hautfarbe, ausreichend Bildung und am wichtigsten: den richtigen Pass. Im Rahmen eines Austauschprogramms unterrichtete die weiße Birgit Weyhe aus Deutschland an einem US-College. Während einer Tagung amerikanischer Germanist_innen im Mittleren Westen wird sie mit dem Vorwurf der kulturellen Aneignung konfrontiert. Nutzt sie ihre Privilegien als weiße Autorin aus, wenn sie Geschichten über Schwarze Menschen erzählt?Sie lernt Priscilla Layne, eine afroamerikanische Germanistik-Professorin mit karibischen Wurzeln kennen. Sie ist ein "Oreo": zu weiß für die Schwarzen Mitschüler_innen und für die Weißen ist ihre Haut zu dunkel. Sie beschließt gegen alle und alles gleichzeitig zu rebellieren, indem sie sich in ihrer Jugend der Skinhead-Bewegung anschließt und zu einem Rude Girl wird.Aber wie soll Birgit Weyhe eine Lebensgeschichte wie diese erzählen? Welche Fehler gilt es zu vermeiden? Das erzählerische Konstrukt selbst wird zu einer eigenen Erzählebene in dieser Biografie.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Rezensentin Katja Nicodemus besucht Birgit Weyhe in deren Hamburger Atelier, um mit der Illustratorin über "kulturelle Aneignung" zu sprechen. Denn genau dieser Vorwurf wurde Weyhe, die unter anderen über das Schicksal von Vertragsarbeitern aus Mosambik in der DDR geschrieben hat, bei einer Tagung in den USA gemacht - und er traf sie hart, wie sie mitteilt. Daraus ist aber auch der aktuelle Comic entstanden, in dem Weyhe von sich, aber auch von der in Chicago geborenen Germanistin Priscilla Lane erzählt. Die meldete sich eines Tages bei der Zeichnerin, um sie für ihre Forschung zu interviewen, erfährt Nicodemus. In "Rude Girl" schildert Weyhe die Begegnung der beiden, widmet sich bald aber der Lebensgeschichte von Lane, deren Familie aus der Karibik stammt und der sowohl von Weißen als auch von Schwarzen immer wieder Rassismus entgegenschlug. Allein wie Weyhe das Gefühl des Außenseitertums sichtbar macht - sie zeichnet die Silhouette einer Kakerlake - findet die Rezensenten beeindruckend. Überhaupt ist es der Witz, der immer wieder in diesem dialogischen Familienporträt aufblitzt, der Nicodemus in den Bann schlägt. Nicht zuletzt bewundert sie den "Rhythmus der Empathie", der in diesem Werk den Takt vorgibt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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