Heitere und melancholische, erlebte und erfundene Geschichten, erzählt in dem Ton, den man bereits aus den letzten Büchern von Elke Heidenreich und Bernd Schroeder kennt und liebt. In ihnen treten auf: verwitwete Finanzbeamte, körnergefütterte Hühner, Nurejews Hund und eben - rudernde Hunde.
Auch als Hörbuch erhältlich
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2002Vaters gefürchtete gute Laune
Zweier ohne Steuermann: Elke Heidenreich und Bernd Schroeder
Rudernde Hunde hat die Welt noch nie gesehen. Nur Autorengespanne, die sich gegenseitig ergänzen und beflügeln, gemischte Doppel, die auch ohne Schlag- und Steuermann jede Bestseller-Regatta gewinnen. Elke Heidenreich und ihr Mann Bernd Schroeder - das Paar lebt getrennt, schreibt aber immer noch gemeinsam - haben die Bronzeskulptur "Rudernde Hunde" vor Jahren auf dem Pariser Flohmarkt erworben und jetzt auf das Cover ihres neuen Erzählbandes gehievt. Zwei Erzählungen führen das objet trouvé gar im Titel, und beide Male bringt die Nippesfigur Menschenpaare, die knurrend in seichten Alltagsgewässern herumpaddeln, aus dem Gleichtakt und ihr Lebensschifflein fast zum Kentern. In der von Elke Heidenreich apportierten Version der Geschichte läßt sich eine gelangweilte kynophile Ehefrau durch die Hundeplastik, das Geschenk eines überraschend aufgetauchten Jugendfreundes, an glücklichere, wildere Zeiten erinnern; ihr Mann Walter wittert Unrat.
In der zweiten Version ist es der Pokal "Rudernden Hunde" (die "Versinnbildlichung von Ehrgeiz und Besessenheit", wie Schroeder überflüssigerweise erklärt), mit dem ein ehemaliger Rudertrainer der DDR in den alten Wunden seiner Schützlinge bohrt: Harro und Hasso, Opfer ihrer Hundenamen und einer demütigenden Dressur, flohen einst Leine und Republik und sind daher wenig erbaut, als der alte Schleifer mit seinem beziehungsreichen Gastgeschenk wieder in ihr Leben tritt. Die unzertrennlichen Zwillinge, die es sich schon hinterm Ofen der Geschichte gemütlich gemacht haben, springen mehr nicht über jedes Stöckchen, und so kann nicht zusammenwachsen, was doch zusammengehört: Herrchen und Hund, Täter und Opfer. Der Erzähler schenkt die nunmehr herrenlose Plastik seiner Frau, die allerdings eine "völlig andere Geschichte" zu erzählen hat. "So sind die Frauen": Weder die deutsch-deutsche Sport- noch die bayrisch-rheinische Rudergemeinschaft lassen sich auf einen gemeinsamen Nenner bringen.
Es ist, als hätten die beiden Autoren in einer Rotwein-Laune gewettet, wer die Geschichte ihrer Partnerschaft besser um irgendein sinnig-groteskes Symbol herum erzählen könne. Vielleicht plädierte sie für rudernde Katzen, er für radfahrende Hunde, ehe man sich auf den trauten Mittelweg einigte. Die französischen Oulipolisten feuern sich gelegentlich mit solchen Gesellschaftsspielen an; sie zwingen ihr Schreiben unter das strenge Gesetz von Zahlen und Buchstaben, willkürlich gesetzten Regeln und selbstauferlegten Erschwernissen: In der Beschränkung, wenn das sprachliche Material dem Erzählfluß Widerstand leistet, zeigt sich erst der Meister. Heidenreichs und Schroeders Ehrgeiz zielte nicht ganz so hoch: Ihre Schmunzelgeschichten um Hunde, Katzen und komische Käuze laden allenfalls zum Schwanzwedeln und behaglichem Schnurren ein.
Tiere sind ohnehin die besseren, klügeren, geschickteren Menschen. Männer sind schwerhörige Eigenbrötler, Maulhelden, schwule Zahnärzte oder tolpatschige Galane, die schon am Aufbau eines Ikea-Regals scheitern und vollends an der Eroberung altjüngferlicher Bibliothekarinnen. Die Frauen sind vom Leben und von der Liebe auch gebeutelt, aber doch stärker und geselliger. Sie können Freundschaft mit der lästigen Nachbarin schließen, die ihren entflogenen Beo mit Beatles-Musik vom Dach locken will, und ihre Nesthäkchen verdrehen kaum die Augen, wenn Mutter ihr Flüggewerden mit emotionaler Erpressung unterbindet: "So, Kind, jetzt machen wir es uns wieder gemütlich."
Mutter wohnt in den "hübschen kleinen Häusern mit den netten Vorgärten", Vater bekommt "seine von uns allen gefürchtete gute Laune", und die Kinder haben auch ihre kleinen Beziehungskrisen. Die Menschen heißen Onkel Walter, Tante Leni, Herr Löhlein oder auch Hildchen; aber die Haustiere tragen noch putzigere Namen: Der Vogel heißt Ernst-August, der Igel Wilhelm Meister, der Hase Elvis, der Leguan Theo, die Hotelkatze, der "ruhige Pol in der Erscheinungen Flucht", Matilda, der Hund Willi. Anders als die menschlichen Hassos können ihre animalischen Vettern noch anthropomorph fühlen, denken und sprechen, ja sogar im Trachtenjanker durch den australischen Busch hoppeln wie das namenlose Känguruh oder heimlich Pirouetten tanzen wie Oblomov, der alte Hund des großen Nurejew. So erzählen uns die Autoren mit "roten Aufgeregtheitsbäckchen" Anekdötchen von süßen Tierchen und säuerlichen Pläsierchen, grimmigen Handwerkern und Gartennazis. Die neunzehn Geschichten sind nach den "Müsterchen" des "Weißt-du-noch-Gefühls" gestrickt, nostalgisch, ökologisch korrekt und fast buddhistisch gleichmütig: Selbst in der Gegenwart gibt es kein schlimmeres Unglück als die Schlachtung eines körnergefütterten Bio-Suppenhuhns oder das Pochen einer defekten Heizung.
In Fachkreisen nennt man diesen Ton wohl heiter-besinnlich, hintersinnig oder auch "melancholisch", und deshalb müssen die braven Karikaturen sich auch nicht zu Charakteren runden oder gar ein Stückchen Welt transportieren. Man weiß, "daß es überhaupt nicht darauf ankommt, ob Geschichten wahr sind. Gut erfunden müssen sie sein." Allerdings legt das Autorenduo seine mageren Pointen, neckischen Fallstricke und sentimentalen Köder so weiträumig aus, daß man nur zu bald weiß, wie der Hase Elvis läuft und warum Igel Wilhelm Meister schneller ins Ziel kam. Vielleicht sollten Hunde ihre Pfötchen doch lieber vom Ruder lassen und mal richtig Segel setzen.
MARTIN HALTER
Elke Heidenreich und Bernd Schroeder: "Rudernde Hunde". Geschichten. Hanser Verlag, München 2002. 208 S., geb., 15,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zweier ohne Steuermann: Elke Heidenreich und Bernd Schroeder
Rudernde Hunde hat die Welt noch nie gesehen. Nur Autorengespanne, die sich gegenseitig ergänzen und beflügeln, gemischte Doppel, die auch ohne Schlag- und Steuermann jede Bestseller-Regatta gewinnen. Elke Heidenreich und ihr Mann Bernd Schroeder - das Paar lebt getrennt, schreibt aber immer noch gemeinsam - haben die Bronzeskulptur "Rudernde Hunde" vor Jahren auf dem Pariser Flohmarkt erworben und jetzt auf das Cover ihres neuen Erzählbandes gehievt. Zwei Erzählungen führen das objet trouvé gar im Titel, und beide Male bringt die Nippesfigur Menschenpaare, die knurrend in seichten Alltagsgewässern herumpaddeln, aus dem Gleichtakt und ihr Lebensschifflein fast zum Kentern. In der von Elke Heidenreich apportierten Version der Geschichte läßt sich eine gelangweilte kynophile Ehefrau durch die Hundeplastik, das Geschenk eines überraschend aufgetauchten Jugendfreundes, an glücklichere, wildere Zeiten erinnern; ihr Mann Walter wittert Unrat.
In der zweiten Version ist es der Pokal "Rudernden Hunde" (die "Versinnbildlichung von Ehrgeiz und Besessenheit", wie Schroeder überflüssigerweise erklärt), mit dem ein ehemaliger Rudertrainer der DDR in den alten Wunden seiner Schützlinge bohrt: Harro und Hasso, Opfer ihrer Hundenamen und einer demütigenden Dressur, flohen einst Leine und Republik und sind daher wenig erbaut, als der alte Schleifer mit seinem beziehungsreichen Gastgeschenk wieder in ihr Leben tritt. Die unzertrennlichen Zwillinge, die es sich schon hinterm Ofen der Geschichte gemütlich gemacht haben, springen mehr nicht über jedes Stöckchen, und so kann nicht zusammenwachsen, was doch zusammengehört: Herrchen und Hund, Täter und Opfer. Der Erzähler schenkt die nunmehr herrenlose Plastik seiner Frau, die allerdings eine "völlig andere Geschichte" zu erzählen hat. "So sind die Frauen": Weder die deutsch-deutsche Sport- noch die bayrisch-rheinische Rudergemeinschaft lassen sich auf einen gemeinsamen Nenner bringen.
Es ist, als hätten die beiden Autoren in einer Rotwein-Laune gewettet, wer die Geschichte ihrer Partnerschaft besser um irgendein sinnig-groteskes Symbol herum erzählen könne. Vielleicht plädierte sie für rudernde Katzen, er für radfahrende Hunde, ehe man sich auf den trauten Mittelweg einigte. Die französischen Oulipolisten feuern sich gelegentlich mit solchen Gesellschaftsspielen an; sie zwingen ihr Schreiben unter das strenge Gesetz von Zahlen und Buchstaben, willkürlich gesetzten Regeln und selbstauferlegten Erschwernissen: In der Beschränkung, wenn das sprachliche Material dem Erzählfluß Widerstand leistet, zeigt sich erst der Meister. Heidenreichs und Schroeders Ehrgeiz zielte nicht ganz so hoch: Ihre Schmunzelgeschichten um Hunde, Katzen und komische Käuze laden allenfalls zum Schwanzwedeln und behaglichem Schnurren ein.
Tiere sind ohnehin die besseren, klügeren, geschickteren Menschen. Männer sind schwerhörige Eigenbrötler, Maulhelden, schwule Zahnärzte oder tolpatschige Galane, die schon am Aufbau eines Ikea-Regals scheitern und vollends an der Eroberung altjüngferlicher Bibliothekarinnen. Die Frauen sind vom Leben und von der Liebe auch gebeutelt, aber doch stärker und geselliger. Sie können Freundschaft mit der lästigen Nachbarin schließen, die ihren entflogenen Beo mit Beatles-Musik vom Dach locken will, und ihre Nesthäkchen verdrehen kaum die Augen, wenn Mutter ihr Flüggewerden mit emotionaler Erpressung unterbindet: "So, Kind, jetzt machen wir es uns wieder gemütlich."
Mutter wohnt in den "hübschen kleinen Häusern mit den netten Vorgärten", Vater bekommt "seine von uns allen gefürchtete gute Laune", und die Kinder haben auch ihre kleinen Beziehungskrisen. Die Menschen heißen Onkel Walter, Tante Leni, Herr Löhlein oder auch Hildchen; aber die Haustiere tragen noch putzigere Namen: Der Vogel heißt Ernst-August, der Igel Wilhelm Meister, der Hase Elvis, der Leguan Theo, die Hotelkatze, der "ruhige Pol in der Erscheinungen Flucht", Matilda, der Hund Willi. Anders als die menschlichen Hassos können ihre animalischen Vettern noch anthropomorph fühlen, denken und sprechen, ja sogar im Trachtenjanker durch den australischen Busch hoppeln wie das namenlose Känguruh oder heimlich Pirouetten tanzen wie Oblomov, der alte Hund des großen Nurejew. So erzählen uns die Autoren mit "roten Aufgeregtheitsbäckchen" Anekdötchen von süßen Tierchen und säuerlichen Pläsierchen, grimmigen Handwerkern und Gartennazis. Die neunzehn Geschichten sind nach den "Müsterchen" des "Weißt-du-noch-Gefühls" gestrickt, nostalgisch, ökologisch korrekt und fast buddhistisch gleichmütig: Selbst in der Gegenwart gibt es kein schlimmeres Unglück als die Schlachtung eines körnergefütterten Bio-Suppenhuhns oder das Pochen einer defekten Heizung.
In Fachkreisen nennt man diesen Ton wohl heiter-besinnlich, hintersinnig oder auch "melancholisch", und deshalb müssen die braven Karikaturen sich auch nicht zu Charakteren runden oder gar ein Stückchen Welt transportieren. Man weiß, "daß es überhaupt nicht darauf ankommt, ob Geschichten wahr sind. Gut erfunden müssen sie sein." Allerdings legt das Autorenduo seine mageren Pointen, neckischen Fallstricke und sentimentalen Köder so weiträumig aus, daß man nur zu bald weiß, wie der Hase Elvis läuft und warum Igel Wilhelm Meister schneller ins Ziel kam. Vielleicht sollten Hunde ihre Pfötchen doch lieber vom Ruder lassen und mal richtig Segel setzen.
MARTIN HALTER
Elke Heidenreich und Bernd Schroeder: "Rudernde Hunde". Geschichten. Hanser Verlag, München 2002. 208 S., geb., 15,90 [Euro].
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.09.2002 DAS HÖRBUCH
Unbehagen
Schmunzel- und Schalkgeschichten
von Heidenreich und Schroeder
Spießer besitzen Schrankwände; Ernst August ist ein lustiger Name für einen Vogel; schwule Tierärzte gackern; sabbernde Hunde sind zwar eklig, aber doch auch ulkig; viel Likör trinken ist komisch – mit solcherart Glaubenssätzen produzieren Elke Heidenreich und Bernd Schroeder „heitere” und „melancholische” Geschichten, die sie sowohl erlebt haben wollen als auch sich auszudenken für brotnötig halten. Nun erscheinen parallel zum neuen gedruckten Werk die „Rudernden Hunde” auch als Hörbuch. Müsste der Rezensent das Genre benennen, in welchem sich das schreibende Paar betätigt, hieße es Verschmitzte Schmunzel- und Schalkgeschichten, also so etwas wie Buttercremetorte mit Schlagsahne.
Die Autoren bereiten langatmig den kleinen Clou ihrer Geschichtchen vor, der dem Hörer schon nach wenigen Sätzen klar ist. Bekäme der Rezensent solche „kleinen Geschehnisse des Alltags” (Brrr!) von schreibenden Arbeitern oder Senioren vorgetragen, würde er die peinliche Berührung höflich und natürlich maskieren.
Die Stimme von Elke Heidenreich trifft vielleicht andere Nerven als das niederbayerische Lispeln ihres Lebensgefährten. Und es ist womöglich richtig, dass niemand das Schriftgut Elke Heidenreichs besser zu Gehör bringen kann als die Autorin selbst, doch ein Hörbuch daraus zu machen bestand ebenso wenig Erfordernis, wie die Vorurteile und hochmütigen Meinungen und Zeugnisse intellektueller Betulichkeit dieser rheinischen Humoristen überhaupt ans Licht zu bringen.
MARTIN Z. SCHRÖDER
ELKE HEIDENREICH und BERND SCHROEDER: Rudernde Hunde. Geschichten. Gelesen von den Autoren. Random House Audio 2002. 2 CDs, 147 Minuten,19,50 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Unbehagen
Schmunzel- und Schalkgeschichten
von Heidenreich und Schroeder
Spießer besitzen Schrankwände; Ernst August ist ein lustiger Name für einen Vogel; schwule Tierärzte gackern; sabbernde Hunde sind zwar eklig, aber doch auch ulkig; viel Likör trinken ist komisch – mit solcherart Glaubenssätzen produzieren Elke Heidenreich und Bernd Schroeder „heitere” und „melancholische” Geschichten, die sie sowohl erlebt haben wollen als auch sich auszudenken für brotnötig halten. Nun erscheinen parallel zum neuen gedruckten Werk die „Rudernden Hunde” auch als Hörbuch. Müsste der Rezensent das Genre benennen, in welchem sich das schreibende Paar betätigt, hieße es Verschmitzte Schmunzel- und Schalkgeschichten, also so etwas wie Buttercremetorte mit Schlagsahne.
Die Autoren bereiten langatmig den kleinen Clou ihrer Geschichtchen vor, der dem Hörer schon nach wenigen Sätzen klar ist. Bekäme der Rezensent solche „kleinen Geschehnisse des Alltags” (Brrr!) von schreibenden Arbeitern oder Senioren vorgetragen, würde er die peinliche Berührung höflich und natürlich maskieren.
Die Stimme von Elke Heidenreich trifft vielleicht andere Nerven als das niederbayerische Lispeln ihres Lebensgefährten. Und es ist womöglich richtig, dass niemand das Schriftgut Elke Heidenreichs besser zu Gehör bringen kann als die Autorin selbst, doch ein Hörbuch daraus zu machen bestand ebenso wenig Erfordernis, wie die Vorurteile und hochmütigen Meinungen und Zeugnisse intellektueller Betulichkeit dieser rheinischen Humoristen überhaupt ans Licht zu bringen.
MARTIN Z. SCHRÖDER
ELKE HEIDENREICH und BERND SCHROEDER: Rudernde Hunde. Geschichten. Gelesen von den Autoren. Random House Audio 2002. 2 CDs, 147 Minuten,19,50 Euro.
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