Rue du pardon. Von Mahi Binebine.
Der Tanz des Lebens.
Mahi Binebine ist ein marokkanischer Schriftsteller. Seine Bücher sind von gesellschaftspolitischer Kritik geprägt.
Sein aktuelles Buch „Rue du pardon“, dessen Narrativ den Aufstieg aus der „Gosse“, den Zusammenhalt unter Frauen und die
Doppelmoral der marokkanischen Gesellschaft aufzeigt. Er verbindet das Leben zweier…mehrRue du pardon. Von Mahi Binebine.
Der Tanz des Lebens.
Mahi Binebine ist ein marokkanischer Schriftsteller. Seine Bücher sind von gesellschaftspolitischer Kritik geprägt.
Sein aktuelles Buch „Rue du pardon“, dessen Narrativ den Aufstieg aus der „Gosse“, den Zusammenhalt unter Frauen und die Doppelmoral der marokkanischen Gesellschaft aufzeigt. Er verbindet das Leben zweier aussergewöhnlicher Frauen, die sich in ihren Platz an der Sonne erkämpfen.
Ausgangsort ist eine bescheidene Gasse in einem bescheidenen Viertel von Marrakesch.
Die Erzählerin Hayat („das Leben“) mit ihren blonden Locken, die im Tratsch der schwarzhaarigen Nachbarschaft zu etwas Fremdartigem, Unmoralischem stilisiert werden, lebt in einer Atmosphäre der Düsternis mit einer schweigenden Mutter und einem übergriffigen, missbrauchenden Vater.
Sie entkommt dieser gewalttätigen Tristesse mit 14 Jahren und findet Unterschlupf bei einer Nachbarin, der berühmten Serghinia. Einer bauchtanzenden Künstlerin, die zu ihrer Familie, Freundin und Gönnerin wird. In ihrem „Nähstübchen“mit der schwarz-goldenen Singer-Maschine im Kreise vieler Frauen, die nähen und sticken, plaudern und tratschen, literweise Minztee trinken und sich mit Baklava füllen lernt sie das Lachen, die Zärtlichkeit und die Verbundenheit unter Frauen in einer dominierenden Männerwelt. kennen. Man könnte dies als feministische Aussage werten. Ich sehe darin eher Reminiszenzen an ein verblasstes Matriarchat.
Bei Serghinia, die zu ihrer Mamyta wird, lernt sie das Königreich des orientalischen Tanzes kennen, eine Welt des Körpers und der Sinnlichkeit. Der Körper als Instrument, das mit wilden Schwingungen alle Körperteile erfaßt. Isolierte Bewegungen zu einem fließenden, harmonischen Gesamtbild modellierend. Ein erotischer Tanz mit seinem archaischen Ursprung in Fruchtbar-keitsriten.
Der Tanz ist ein Meisterwerk, der jahrelange Übung und Lebenserfahrung erfordert. Kühle Technik wie sie in speziellen Bauchtanzkursen gelehrt werden, erreicht niemals das pralle Lebensgefühl und die mittanzenden Traditionen.
Unter Mamytas Obhut wird Hayat zu einer erwachsenen selbstbewussten jungen Frau, die sich aus dem Käfig ihrer Kindheit befreit. Sie wächst hinein in dieses tanzende Leben, das von den Reichen wie von den Armen bejubelt wird: da wechseln sich sexueller Frust und Leidenschaft, Verrufenheit und Anrüchigkeit bis hin zu kollektiver Hysterie ab.
Wichtig für jede Tänzerin und ihre Truppe sind die Männer, die ihnen den musikalischen Background, den rhythmischen Anstoß liefern. Und eine ganz wichtige Persönlichkeit in diesem aussergewöhnlichen „Familienroman“ ist Omar, Ex-Ehemann der großen Serghinia, der als Portier im Grand Palace-Hotel zu einer lebenden Legende wird. Er ist für Hayat der „Großvater“, ein zärtlicher, aufmerksamer, großherziger Großvater mit einer Adlernase und schalkvollen Augen.
Diese schillernde glitzernde Welt wird durch Boshaftigkeit und Neid und durch eine Unze Hyänenhirn, 1 Teelöffel spanische Fliege, eine Handvoll Couscous aus dem Mund eines Verstorbenen, der Milz einer Kröte, dem Auge eines Wiedehopfs und dem Ei eines Chamäleons und geriebenem Horn eines unfruchtbaren Ziegenbocks zerstört. Und nimmt nach dem Tod Mamytas und 10-jähriger Absence von Hayat einen neuen Weg. Wie Phönix aus der Asche geht sie den Weg des Triumphes bis in den Königspalast. Denn die Menschen brauchen Träume, Tanz und Musik. Und sie geht ihren Weg zurück in die Vergangenheit.
Binebines Roman ist eine Hymne an die Kunst, an die Leidenschaft und an die Freundschaft, ein Plädoyer für den Mut zur Freiheit. Er ist eine Ode an das sinnliche Leben, an den sinnlichen Tanz.
Er ist ein Pas de deux zweier Frauen, zweier Künstlerinnen, die sich selbst gefunden und in einer Männerwelt behauptet haben.Der Autor konfrontiert seine Leserschaft mit den Themen Männerwelt vs. Frauenwelt, Befreiung aus materiellem und mentalem Elend, Selbstfindung. Und das ist eben nicht nur exotisch, sondern im Hier un