Wie ein Blick in die Auslagen von Buchläden, in die Regale von Büchereien und in die virtuellen Weiten des „World Wide Web“ deutlich macht: Ernährungsthemen sind en vogue! Auch von akademischer Seite wird der Ernährung ein zunehmendes Interesse entgegengebracht. Tatsächlich ist unverkennbar: Das universitäre Jungpflänzchen „Ernährungswissenschaft“ hat sich in den letzten Jahren zu einem etablierten und angesehenen Wissenschaftsgebiet gemausert1. Parallel zu dieser Entwicklung ist die Zahl der Ernährungsstudien beständig angewachsen (Abb. 1-1). Die internationalen Ernährungs-Fachzeitschriften – gegenwärtig über 100 an der Zahl – platzen vor der Fülle neu heran geschleppter Daten; und Fachbücher zu ernährungswissenschaftlichen Themen gibt es en masse. Die in immer kürzerer Zeit sich vermehrenden Publikationen haben schließlich dazu geführt, dass die Halbwertszeit einzelner Veröffentlichungen immer geringer ausfällt. Was gestern noch als der letzte ernährungswissenschaftliche Schrei galt, dem haftet heute bereits das Verdikt „veraltet“ an. Unsere schnelllebige Zeit ist (sehn)süchtig nach einem Mehr an immer noch neueren (Ernährungs)Informationen. Aktuell ist, so das Diktum der Informationsgesellschaft, was neu ist. Und nur was neu ist, kann aktuell sein. Entsprechend schnell und schneller dreht sich das Karussell der Ernährungsforschung, laufen die Druckerpressen auf Hochtouren, um die Nachfrage an neuer Literatur zum Thema Ernährung zu befriedigen. Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, dass manche Veröffentlichungen, obwohl reich an Jahren, nicht tot zu kriegen sind. Sie trotzen den unsteten Winden der Ernährungsmoderne, die beständig eine Unzahl neuer und mitunter verwirrender Informationen heranwehen. Zu dieser Art von Publikationen zählen die Schriften des Ernährungsforschers und Hygienikers Werner Kollath (1892-1970). Insbesondere sein vielleicht populärstes Werk „Die Ordnung unserer Nahrung2“ besitzt mit seinen 67 Jahren eine bemerkenswert lange Halbwertszeit. Die nunmehr in der 17. Auflage erschienene Schrift erfreut sich nach wie vor einer großen Leserschaft. „Es gibt“, wie Prof. Claus Leitzmann attestiert, „wohl kein anderes Buch zum Thema Ernährung, das über so viele Jahre nichts an seiner Aktualität eingebüßt hat3.“Aktualität kann ein Werk auf verschiedene Weise besitzen. Zum einen in dem Sinne, dass seine Inhalte zeitgemäß und gegenwartsbezogen zu nennen sind; das Werk uns Heutigen also „etwas zu sagen“ hat, indem es zum Nachdenken einlädt und anregt. Das Wort „Aktualität“ impliziert zum anderen aber auch Wirksamkeit, wie das mittellateinische Wort „actualitas“ nahe legt. Ein Werk ist demzufolge aktuell zu nennen, wenn es einen Einfluss auf die Gegenwart ausübt.Dieses Buch ist von der Überzeugung getragen, dass die Arbeiten von Werner Kollath Wirksamkeit besitzen, indem sie zeitgemäße Fragen zur Ernährung und Ernährungsforschung stellen und mitunter auch beantworten. Ziel dieser Schrift soll es sein, einen kleinen Einblick in diese doppelte Aktualität der Arbeiten von Kollath zu vermitteln – jenseits einer unkritischen Glorifizierung derselben. Denn trotz (oder wegen) seiner Popularität sah und sieht sich das Werk Kollaths auch der Kritik ausgesetzt4. So bewegt sich das vorliegende Buch dialektisch zwischen den Ansprüchen der Kollathschen Lehre und ihren (selbstgesetzten) Grenzen. Ein solches Vorhaben eröffnet nicht nur Möglichkeiten unterschiedlicher Perspektiven, sondern zwingt auch zur thematischen und inhaltlichen Auswahl. Deshalb fokussiert das vorliegende Buch primär auf die ernährungswissenschaftlichen Arbeiten Kollaths, ohne die anderen Facetten seines Werkes negieren zu wollen.