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Produktdetails
  • Verlag: Econ
  • Seitenzahl: 316
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 596g
  • ISBN-13: 9783430159517
  • ISBN-10: 3430159512
  • Artikelnr.: 24329194
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.1999

Ein trostbedürftiger Kanzler, ein müder Hund und ein stiller Fotograf

Er sieht etwas behäbig aus, hat den Stock, der zur Bewegung mahnt, demonstrativ weit weggesteckt und blickt ähnlich unwirsch in die Welt wie sein gut genährter Hund. Der Mann am Strand, jeder kennt ihn, ist Willy Brandt, der sich über Weihnachten 1972 auf Fuerteventura von den Strapazen des Wahlkampfes erholte. Seine Familie begleitete ihn, außerdem ein Pulk von Sicherheitsbeamten, Journalisten waren anfangs nicht dabei. Henri Nannen, der Chef des "Stern", war jedoch versessen auf einen Bericht über das Privatleben seines politischen Idols. Also wurden drei "Stern"-Mitarbeiter, darunter der Fotograf Robert Lebeck, auf Brandts Spur gesetzt. Der Kanzler war wenig erfreut, daß man ihn aufgespürt hatte, willigte aber wohl oder übel in den Handel ein, sich täglich zehn Minuten lang fotografieren zu lassen, um für den Rest des Tages seine Ruhe zu haben. Am zweiten Tag, erinnert sich Lebeck, "durfte ich ihn am Strand mit Kanzlerhund Bastian fotografieren, einem monströsen Faltenvieh, das phlegmatisch neben ihm hertrottete wie ein Mondkalb auf LSD. Herrchen schien kaum fröhlicher. Der Bundeskanzler war unglaublich muffig, seit er begonnen hatte, sich das Rauchen abzugewöhnen. Einen Monat lang hielt er das jetzt schon durch, dafür aß und trank er zuviel und schien in Gedanken meist ganz weit weg." Man merkt Lebecks Text an, daß er auf Brandt nicht allzu gut zu sprechen ist, und man kann Brandt ansehen, daß ihm das Fotografiertwerden eher lästig war. Trotzdem ist das Foto völlig frei vom Drang zu karikaturistischer Überzeichnung. Lebeck nimmt die abstruse Gruppe von Kanzler, Hund und Stock so kommentarlos auf, als sei sie ein Denkmal. Der Kanzler seinerseits strengt sich an, kein Spielverderber zu sein, er beherrscht sich, der Griff zum Hundefreund verrät freilich, wie trostbedürftig er sich fühlt. Die Aufnahme ist ohne Sympathie entstanden, aber ebenso frei von Voyeurismus. Sie ist das Ergebnis eines Stillhalteabkommens zwischen zwei Profis. Beide tun, was von ihnen verlangt wird. Zum siebzigsten Geburtstag Lebecks ist jetzt ein opulenter Bildband erschienen, der die lange und erfolgreiche Karriere des Reporters nacherleben läßt. Man begegnet noch einmal den berühmtesten Lebeck-Fotos wie dem "Degenraub" (Ein Kongolese schwenkt triumphierend den Degen, den er dem belgischen König Baudouin entrissen hat), dem "Gebet der Schwestern" (Jackie Kennedy und Lee Radziwill in einer New Yorker Kirche, vermeintlich unbeobachtet, am Sarg von Robert Kennedy) oder dem "Kanzlerspion" (Günter Guillaume gibt Rut Brandt im Ferienhaus Feuer). Es sind Symbolbilder gerade deshalb, weil sie hinter die politische Kulisse blicken, wo nichts für die Kamera inszeniert ist. Lebeck hat sich oft über das Glück gewundert, das ihm Aufnahmen solcher Qualität bescherte und über dieses Lebensrätsel ein aus Erzählung und Reflexion klug gemischtes Erinnerungsbuch geschrieben. Darin findet sich die Charakterisierung des von Nichtraucherqualen heimgesuchten Willy Brandt, die das Foto erst zum Sprechen bringt. Beide Bände ergänzen sich vorzüglich. (Robert Lebeck: "Vis-à-vis". Herausgegeben von Tete Böttger, Vorwort von Hans-Michael Koetzle. Steidl Verlag, Göttingen 1999. 264 S., 280 Fotos, geb., 78 DM. Robert Lebeck (mit Harald Willenbrock): "Rückblenden. Erinnerungen eines Fotojournalisten". Econ Verlag, München 1999. 320 S., 61 Abb., geb., 48 DM.)

W.W.

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