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Produktdetails
  • Herder Spektrum
  • Verlag: Herder, Freiburg
  • Abmessung: 189mm x 120mm x 17mm
  • Gewicht: 204g
  • ISBN-13: 9783451045998
  • ISBN-10: 3451045990
  • Artikelnr.: 24177611
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.03.1998

Unternehmer, Politiker, Mittler und Mäzen
Alphons Horten zieht die Bilanz eines ereignisreichen Lebens

Alphons Horten: Rückblick auf ein Jahrhundert. Erinnerungen eines Zeitzeugen. Verlag Herder, Freiburg 1997, 224 Seiten, 19,80 DM.

Exemplarisch ist dieser Lebensbericht in vielerlei Beziehung: als persönliches Schicksal in einem Jahrhundert mit ungewöhnlich vielen Höhen und Tiefen, als Studie über privates und berufliches Leben in der Vor- und Nachkriegszeit, als Beispiel zweier unternehmerischer Aufbauleistungen und als stille Demonstration, daß sich Unternehmersein und gesellschaftspolitisches Engagement durchaus vertragen. Alphons Horten (nicht zu verwechseln mit seinem Vetter Helmut Horten, dem Kaufhaus-Gründer) ist nicht nur Kaufmann und Unternehmer, Manager und Verbandsgründer gewesen, sondern auch (Sozial-)Politiker und Bundestagsabgeordneter, Schatzmeister in einem der Landesverbände seiner Partei, der CDU, und Mitglied vieler Gremien in Politik und Wirtschaft, die in seinem Bericht eine eher schemenhafte Rolle spielen. Außerdem ist er - für manche wohl überraschend - auch ein einflußreicher päpstlicher Berater gewesen.

Der engagierte Katholik Horten mit einer lebenslangen Verbindung zu den Benediktinern, bei denen er (in Kloster Ettal) schon zur Schule gegangen war, hätte in seinen späteren Jahren in Bonn von der Sozialisation her eher zur politischen Linie Konrad Adenauers und Hans Globkes gepaßt als zu der Ludwig Erhards. Das Buch offenbart, warum es anders gewesen ist: Horten hat sowohl aus Überzeugung als auch aus beruflicher Erfahrung hinter der Idee des Wettbewerbs, der Öffnung der Märkte nach außen und der Verteilung von wirtschaftlicher Macht im Inneren gestanden. Kurzum, er war ein genuiner Anhänger der Marktwirtschaft, der seinen philosophischen Neigungen gemäß die großen Apostel des Neoliberalismus nach 1945 gründlich studiert hatte. Adenauer hat ihn gleichwohl oft als Berater herangezogen, und mit Globke ist er befreundet gewesen.

Die ersten unternehmerischen Erfahrungen hatte Horten Ende der zwanziger Jahre bei den damals gerade neuerstandenen "Ersten Deutschen Knäckebrotwerken" gesammelt. Zusammen mit Wilhelm Kraft, dem Gründer, hatte er diesem bis dahin in Deutschland unbekannten Produkt zu einem großen Erfolg am Markt verholfen - mit wachsender Bedeutung noch in den dreißiger Jahren. Am Ende des Krieges standen er und seine Familie vor dem Nichts. Die Knäckebrotfabrik war ein "Volkseigener Betrieb" geworden, die Güter und Produktionsstätten der engeren Familie, auch im Osten gelegen, gingen ebenfalls verloren. Horten mußte privat und beruflich neu anfangen. Wieder war es ein Markenprodukt, das er zum Erfolg führte: die bekannten "Weck-Gläser". Der Autor macht von der unternehmerischen Leistung, die dahintersteckt, von den technischen und finanziellen Schwierigkeiten eines Neubeginns auf der grünen Wiese, von der Rückeroberung verlorener Märkte, von der Suche nach neuen Techniken und Produkten (Glasbausteine zum Beispiel), vom ganzen Erfolg dieses von ihm geleiteten Unternehmens wenig Aufhebens. Der Produktionsort war Bonn - genauer Duisdorf, und aus diesem Standort erklärt sich bei einem politisch interessierten Menschen wie Horten zwanglos, daß er bald engen Kontakt zur hohen Politik fand. Sein Haus in Godesberg ist darüber hinaus viele Jahre lang so etwas wie ein politischer Salon gewesen - ein ungewöhnlich offenes Haus mit vielen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Medien. Horten wurde 1965 Bundestagsabgeordneter der CDU und erlebte mit großer Ernüchterung, wie er schreibt, die unsäglichen Hürden und Windungen des parlamentarischen Betriebs, die Blockaden und die faulen Kompromisse, die man eingehen muß, um Übleres zu vermeiden.

Er wehrte sich auf seine Art, gründete den Bund Katholischer Unternehmer, der damals viele politische Initiativen ergriff, war führend an der Gründung des Wirtschaftsrats der CDU mitbeteiligt, engagierte sich in der Sozialpolitik und - mit großem Erfolg - bei Aktionen zur Popularisierung der Sozialen Marktwirtschaft an der Seite Ludwig Erhards.

Horten schreibt offen über die Vergeblichkeit seiner Bemühungen, die CDU - seine Partei - zu einer Sozialpolitik zu bewegen, die sich nicht in Wohltaten erschöpft, sondern auch Selbsthilfe und Eigenverantwortung stärkt, zum Beispiel durch eine Selbstbeteiligung an den Kosten der sozialen Krankenversicherung. Vollends hat es ihn desillusioniert, daß selbst Franz Josef Strauß und der damals führende liberale Finanzwissenschaftler Günther Schmölders nicht dafür zu gewinnen gewesen sind, die neue Ausbildungsförderung für Studenten (Bafög) an periodische Leistungskontrollen zu binden. Er, der katholische Sozialpolitiker, hat lange um die Durchsetzung seiner Ansichten gekämpft - doch die Fraktion hat ihn schon im zuständigen Arbeitskreis abblitzen lassen.

Horten läßt durchblicken, daß er nicht allzu traurig gewesen ist, als seine dritte Bundestagskandidatur 1972 an 300 fehlenden Stimmen im Wahlkreis gescheitert war. Er hat in den späteren Jahren seine Rolle in Bonn auch so gespielt - als ein gefragter Berater, als großzügiger Mäzen, als Mitgründer vieler Institutionen, darunter der Ludwig-Erhard-Stiftung, als Initiator des Berliner Wissenschaftszentrums und als Mittler in vielen politischen Konflikten.

Hortens Buch ist gut lesbar; es ist pünktlich zu seinem 90. Geburtstag im November vergangenen Jahres erschienen. Faszinierend ist nicht nur die außerordentliche Gedächtnisleistung des betagten Autors, sondern auch der scharfe Blick für das Wesentliche einer Entwicklung, die Toleranz des Urteils, die fast spielerische Einbindung der jeweiligen politischen und sozialen Umfelder in die eigene Biographie und die noble Zurückhaltung, wenn es um die eigene Lebensleistung oder die vielen Ehrungen geht, die ihm zuteil geworden sind. So erfährt der Leser auch nur aus einer Nebenbemerkung, daß Papst Johannes Paul II. dem Ehepaar Horten 1996 zur diamantenen Hochzeit mit einem Handschreiben gratuliert hat. Das wird gewiß nicht jedem katholischen Laien zuteil, und sei er noch so prominent. FRITZ ULLRICH FACK

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