Spätestens mit dem Krieg der USA im Irak ist die bedeutende Rolle privater Sicherheitsfirmen im modernen Krieg deutlich geworden. Ist die Zeit der großen Armeen zu Ende, kehrt die der privaten "Unternehmer des Krieges" zurück?
Der Band untersucht das historische Spannungsverhältnis zwischen privaten Truppen, Söldnern, Condottieri und Kriegsherren einerseits und der Monopolisierung der bewaffneten Macht, des Krieges und der Kriegführung durch den Staat andererseits, von der Antike bis zur Gegenwart.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Der Band untersucht das historische Spannungsverhältnis zwischen privaten Truppen, Söldnern, Condottieri und Kriegsherren einerseits und der Monopolisierung der bewaffneten Macht, des Krieges und der Kriegführung durch den Staat andererseits, von der Antike bis zur Gegenwart.
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Süddeutsche ZeitungWallenstein und das Gewaltmonopol des Staates
Hochaktuell in Zeiten der Warlords und kommerziellen Krieger: Ein klug komponierter Aufsatzband zur Geschichte der Söldner, Condottieri und Privatarmeen
In Münster wurde einst der Westfälische Frieden geschlossen. Damit endete nicht nur der Dreißigjährige Krieg. Auch die blutigen Raubzüge plündernder Söldnerhaufen quer durch Deutschland fanden ein Ende. Umso mehr scheint es eine bittere Ironie der Geschichte, dass nun ausgerechnet ein privates Sicherheitsunternehmen in Telgte bei Münster mehr als hundert ehemalige Bundeswehrsoldaten in die Dienste eines Warlords in Somalia entsenden will. Die Empörung in Politik und Medien ist entsprechend groß. Doch sie zeigt zugleich, wie sehr Deutschland einer historischen Meistererzählung aufgesessen ist. Es geht um die Geschichte von der Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols und der Entwicklung des Krieges zu einer zwischenstaatlichen Angelegenheit. In Wirklichkeit scheint eben dies eine lediglich auf Europa konzentrierte Ausnahmeära im 19. und 20. Jahrhundert gewesen zu sein, addiert man die Befunde eines Sammelbandes zur Geschichte des Söldnerwesens.
Kapern im Auftrag der Staaten
Schon im Altertum waren Warlords und kriegerische Gruppen unterhalb staatlicher Organisation ein permanentes Problem. Sie bedrohten die städtischen Gemeinden und die sich herausbildenden Staaten. Obwohl die Römer ein staatliches Gewaltmonopol anstrebten, arbeiteten sie im Ersten Punischen Krieg mit privaten Kriegsunternehmern zusammen. Auch führte der römische Adel Krieg zur persönlichen Bereicherung und agierte damit in einer Grauzone zwischen privater und staatlicher Kriegführung. Unverzichtbar blieb jedoch die Sanktionierung dieser Kriegszüge durch den Staat. Ingesamt spricht daher der Münchner Historiker Martin Zimmermann von einer typologischen Vielfalt des Kriegswesens, die bis in die Gegenwart andauert.
Waren Söldner im Altertum keine Seltenheit, spielten sie in Europa nach dem Untergang Westroms erst wieder ab dem Spätmittelalter eine bedeutende Rolle. Aus den Unterschichten kommend, verdrängten sie die bis dahin dominanten Ritter. Regelrechte Söldnermärkte entstanden, vor allem in der Schweiz, in Süddeutschland und in Böhmen. Aber auch viele Adelige betätigten sich nun als Kriegsunternehmer, um ihren Reichtum zu steigern und Machtansprüche zu verfolgen. So überrascht es kaum, dass die Kölner Historikerin Anja Bröchler die spanische Eroberung Amerikas nicht als staatliches Unternehmen betrachtet. Meist handelten die Conquistadores auf eigene Faust und ließen sich ihre Kriegszüge aus privater Hand finanzieren.
Hatte bereits Rom im Ersten Punischen Krieg den Kampf auf See privaten Kriegsunternehmern überlassen, entwickelte sich die Kaperei durch Private zu einem gängigen Mittel staatlicher Kriegführung seit dem Mittelalter. Im Auftrag gegnerischer Mächte griffen Korsaren feindliche und gelegentlich auch neutrale Schiffe an. Die Grenzen zur Piraterie waren dabei fließend. Jann Markus Witt vom Deutschen Marinebund weist darauf hin, dass erst 1907 ein internationales Abkommen die private Kaperei verbot – mit heute stark nachlassender Wirkung, wie die 455 Piraterievorfälle 2009 gezeigt haben.
Der Titel des Buches spiegelt sich bei Heinrich Lang wider. Nach seiner Analyse handelte es sich bei den italienischen Condottieri der Renaissance um eine sehr heterogene Gruppe von größtenteils regionaler Bedeutung. Als Kriegsunternehmer, die von staatlichen Aufträgen lebten, zeigten sie geschäftsbedingt kein Interesse daran, dass Italien zur Ruhe kam. Ihre Söldnerkollegen in Deutschland hingegen bezeichnet Reinhard Baumann nur bedingt als freie Kriegsunternehmer. Dazu seien sie zu stark mit ihren Landesherren und dem Kaiser verwoben gewesen.
Wie sehr die schwachen Staatsapparate im Kriegsfall aber auf die Gewaltunternehmer angewiesen waren, zeigte der Dreißigjährige Krieg. Als Söldnerführer wie Wallenstein auch noch damit liebäugelten, eine eigene Staatsmacht aufzubauen, kam es zum Konflikt mit dem Kaiser und den Landesherren. Zunächst gelang es nur punktuell, die Söldner unter Kontrolle zu bekommen. Sie blieben auch nach dem Westfälischen Frieden 1648 eine Herausforderung, da es für sie keine Verwendung gab. Eine Lösung lag in der Verstaatlichung der Armee. Sie markierte nach dem Urteil des Wiener Historikers Lothar Höbelt das Ende der Glanzzeit der Condottieri.
Im 18. Jahrhundert dienten Söldner zwar in staatlichen Armeen und waren damit einer strengen Hierarchie unterworfen. Probleme gab es dennoch, wie Marian Füssel und Martin Rink an der russischen und österreichischen Praxis im Siebenjährigen Krieg veranschaulichen. Wie die Kosaken im Dienste Russlands neigten die Panduren des Obersten Franz Freiherr von der Trenck mangels Bezahlung zu Plünderungszügen und Gräueltaten. Österreichs Führung stellte Trenck vor Gericht. Die Auslagerung militärischer Aufgaben war gescheitert. Die Guerillakämpfe gegen Napoleon ließen das staatliche Gewaltmonopol in Spanien und Italien für Jahrzehnte zerbrechen. Der Mainzer Historiker Ludolf Pelizaeus schildert, wie gering die Tendenz zu moderner Staatenbildung in der Spanisch sprechenden Welt jener Epoche war: In den neu gegründeten Staaten Lateinamerikas tobten Auseinandersetzungen zwischen Banden, Milizen und Privatarmeen. In Argentinien konnte sich der Staat erst Mitte des 19. Jahrhunderts durchsetzen. Mit dem Erscheinen der Resistenza in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs zerbrach auch in Norditalien die staatliche Ordnung. Christan Jansen von der TU Berlin beschreibt, wie der Partisanen-Mythos nach dem Krieg präsent blieb und eine ausgeprägte Ambivalenz gegenüber dem italienischen Staat schuf.
War bereits die spanische Eroberung Amerikas zum großen Teil das Werk privater Initiative gewesen, überließen auch Niederländer und Briten die koloniale Expansion lange Zeit privaten Gesellschaften, die im Auftrag des Staates, aber auf eigene Rechnung agierten. In Indien dienten britische Offiziere als Angestellte der East India Company. Dort stiegen gegen Ende des 18. Jahrhunderts Korruption und militärische Ineffizienz derart an, dass sich London gezwungen sah, zunehmend reguläre Truppen zu entsenden. Die East India Company, so Mike Kortmanns Fazit, konnte nicht wegen, sondern trotz ihrer Söldner Indien erobern.
Bismarck und die Privatarmeen
Auch Bismarck überließ nach britischem Vorbild privaten Unternehmungen den Aufbau deutscher Schutzgebiete in Afrika. Das Reich sollte dadurch Kosten und militärischen Aufwand sparen. Doch die beteiligten Gesellschaften und ihre Privatarmeen scheiterten. Daher wurde Deutsch-Ostafrika 1891 zur Reichskolonie erklärt und mit einer regulären Schutztruppe ausgestattet, die sich allerdings grausamer einheimischer Hilfstruppen bediente. Tanja Bührer von der Universität Bern berichtet, wie bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges der Kommandant der Schutztruppe gegen den Gouverneur putschte, um auf eigene Faust loszuschlagen. Das Ergebnis war der völlige Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in Deutsch-Ostafrika.
Seit dem Ersten Weltkrieg haben Privatarmeen in Irland, seit dem Zweiten Weltkrieg im spanischen Baskenland und auf Korsika das Gewaltmonopol des Staates in Europa in Frage gestellt. Es folgte die Renaissance westlicher Söldner in Afrika, darunter ehemalige französische Fremdenlegionäre, aber auch Belgier, Deutsche und Südafrikaner. Die Hannoveraner Sozialwissenschaftlerin Andrea Schneiker porträtiert die südafrikanische Sicherheitsfirma „Executive Outcomes“, auf deren angeblichen Erfolg gegen Rebellen in Sierra Leone die heutige Söldner-Lobby gerne verweist. Zwar gewann „Executive Outcomes“ für die Regierung den Bürgerkrieg in den neunziger Jahren. Aber der Einsatz der Söldner schwächte diese zugleich, da die Privilegien für die Südafrikaner zu Unzufriedenheit unter den Regierungssoldaten führten. Nach dem Abzug von „Executive Outcomes“ brach das Regime rasch zusammen.
Diese Geschichte ist keine Ausnahme. Marc von Boemcken vom Bonn International Center for Conversion stellt eine globale Kommerzialisierung von Gewalt fest. Der internationale Terrorismus ruft privatisierte Gegengewalt hervor. Wach- und Sicherheitsdienste in den Metropolen und militärisch agierende Unternehmen an der Peripherie degradieren Sicherheit zur Ware. So unterscheidet von Boemckens Kollege Herbert Wulf zwischen zwei Formen der Privatisierung von Gewalt: Einerseits von unten durch Terroristen, Banden und Guerillas; andererseits von oben durch Auslagerung von staatlichen Aufgaben an Sicherheitsfirmen. Nach Auskunft des Congressional Research Service in Washington sind „private military contractors“ für rund die Hälfte der Aufbauoperationen des Pentagon im Irak und in Afghanistan zuständig. Durch die militärischen Interventionen des Westens gelangt das Söldnertum zu neuer Blüte. THOMAS SPECKMANN
STIG FÖRSTER / CHRISTIAN JANSEN / GÜNTHER KRONENBITTER (Hrsg.): Rückkehr der Condottieri? Krieg und Militär zwischen staatlichem Monopol und Privatisierung: Von der Antike bis zur Gegenwart. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2010. 326 Seiten, 38 Euro.
Söldnerführer im Einsatz: Wallenstein Foto:Bridgeman Art / Getty Images
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Hochaktuell in Zeiten der Warlords und kommerziellen Krieger: Ein klug komponierter Aufsatzband zur Geschichte der Söldner, Condottieri und Privatarmeen
In Münster wurde einst der Westfälische Frieden geschlossen. Damit endete nicht nur der Dreißigjährige Krieg. Auch die blutigen Raubzüge plündernder Söldnerhaufen quer durch Deutschland fanden ein Ende. Umso mehr scheint es eine bittere Ironie der Geschichte, dass nun ausgerechnet ein privates Sicherheitsunternehmen in Telgte bei Münster mehr als hundert ehemalige Bundeswehrsoldaten in die Dienste eines Warlords in Somalia entsenden will. Die Empörung in Politik und Medien ist entsprechend groß. Doch sie zeigt zugleich, wie sehr Deutschland einer historischen Meistererzählung aufgesessen ist. Es geht um die Geschichte von der Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols und der Entwicklung des Krieges zu einer zwischenstaatlichen Angelegenheit. In Wirklichkeit scheint eben dies eine lediglich auf Europa konzentrierte Ausnahmeära im 19. und 20. Jahrhundert gewesen zu sein, addiert man die Befunde eines Sammelbandes zur Geschichte des Söldnerwesens.
Kapern im Auftrag der Staaten
Schon im Altertum waren Warlords und kriegerische Gruppen unterhalb staatlicher Organisation ein permanentes Problem. Sie bedrohten die städtischen Gemeinden und die sich herausbildenden Staaten. Obwohl die Römer ein staatliches Gewaltmonopol anstrebten, arbeiteten sie im Ersten Punischen Krieg mit privaten Kriegsunternehmern zusammen. Auch führte der römische Adel Krieg zur persönlichen Bereicherung und agierte damit in einer Grauzone zwischen privater und staatlicher Kriegführung. Unverzichtbar blieb jedoch die Sanktionierung dieser Kriegszüge durch den Staat. Ingesamt spricht daher der Münchner Historiker Martin Zimmermann von einer typologischen Vielfalt des Kriegswesens, die bis in die Gegenwart andauert.
Waren Söldner im Altertum keine Seltenheit, spielten sie in Europa nach dem Untergang Westroms erst wieder ab dem Spätmittelalter eine bedeutende Rolle. Aus den Unterschichten kommend, verdrängten sie die bis dahin dominanten Ritter. Regelrechte Söldnermärkte entstanden, vor allem in der Schweiz, in Süddeutschland und in Böhmen. Aber auch viele Adelige betätigten sich nun als Kriegsunternehmer, um ihren Reichtum zu steigern und Machtansprüche zu verfolgen. So überrascht es kaum, dass die Kölner Historikerin Anja Bröchler die spanische Eroberung Amerikas nicht als staatliches Unternehmen betrachtet. Meist handelten die Conquistadores auf eigene Faust und ließen sich ihre Kriegszüge aus privater Hand finanzieren.
Hatte bereits Rom im Ersten Punischen Krieg den Kampf auf See privaten Kriegsunternehmern überlassen, entwickelte sich die Kaperei durch Private zu einem gängigen Mittel staatlicher Kriegführung seit dem Mittelalter. Im Auftrag gegnerischer Mächte griffen Korsaren feindliche und gelegentlich auch neutrale Schiffe an. Die Grenzen zur Piraterie waren dabei fließend. Jann Markus Witt vom Deutschen Marinebund weist darauf hin, dass erst 1907 ein internationales Abkommen die private Kaperei verbot – mit heute stark nachlassender Wirkung, wie die 455 Piraterievorfälle 2009 gezeigt haben.
Der Titel des Buches spiegelt sich bei Heinrich Lang wider. Nach seiner Analyse handelte es sich bei den italienischen Condottieri der Renaissance um eine sehr heterogene Gruppe von größtenteils regionaler Bedeutung. Als Kriegsunternehmer, die von staatlichen Aufträgen lebten, zeigten sie geschäftsbedingt kein Interesse daran, dass Italien zur Ruhe kam. Ihre Söldnerkollegen in Deutschland hingegen bezeichnet Reinhard Baumann nur bedingt als freie Kriegsunternehmer. Dazu seien sie zu stark mit ihren Landesherren und dem Kaiser verwoben gewesen.
Wie sehr die schwachen Staatsapparate im Kriegsfall aber auf die Gewaltunternehmer angewiesen waren, zeigte der Dreißigjährige Krieg. Als Söldnerführer wie Wallenstein auch noch damit liebäugelten, eine eigene Staatsmacht aufzubauen, kam es zum Konflikt mit dem Kaiser und den Landesherren. Zunächst gelang es nur punktuell, die Söldner unter Kontrolle zu bekommen. Sie blieben auch nach dem Westfälischen Frieden 1648 eine Herausforderung, da es für sie keine Verwendung gab. Eine Lösung lag in der Verstaatlichung der Armee. Sie markierte nach dem Urteil des Wiener Historikers Lothar Höbelt das Ende der Glanzzeit der Condottieri.
Im 18. Jahrhundert dienten Söldner zwar in staatlichen Armeen und waren damit einer strengen Hierarchie unterworfen. Probleme gab es dennoch, wie Marian Füssel und Martin Rink an der russischen und österreichischen Praxis im Siebenjährigen Krieg veranschaulichen. Wie die Kosaken im Dienste Russlands neigten die Panduren des Obersten Franz Freiherr von der Trenck mangels Bezahlung zu Plünderungszügen und Gräueltaten. Österreichs Führung stellte Trenck vor Gericht. Die Auslagerung militärischer Aufgaben war gescheitert. Die Guerillakämpfe gegen Napoleon ließen das staatliche Gewaltmonopol in Spanien und Italien für Jahrzehnte zerbrechen. Der Mainzer Historiker Ludolf Pelizaeus schildert, wie gering die Tendenz zu moderner Staatenbildung in der Spanisch sprechenden Welt jener Epoche war: In den neu gegründeten Staaten Lateinamerikas tobten Auseinandersetzungen zwischen Banden, Milizen und Privatarmeen. In Argentinien konnte sich der Staat erst Mitte des 19. Jahrhunderts durchsetzen. Mit dem Erscheinen der Resistenza in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs zerbrach auch in Norditalien die staatliche Ordnung. Christan Jansen von der TU Berlin beschreibt, wie der Partisanen-Mythos nach dem Krieg präsent blieb und eine ausgeprägte Ambivalenz gegenüber dem italienischen Staat schuf.
War bereits die spanische Eroberung Amerikas zum großen Teil das Werk privater Initiative gewesen, überließen auch Niederländer und Briten die koloniale Expansion lange Zeit privaten Gesellschaften, die im Auftrag des Staates, aber auf eigene Rechnung agierten. In Indien dienten britische Offiziere als Angestellte der East India Company. Dort stiegen gegen Ende des 18. Jahrhunderts Korruption und militärische Ineffizienz derart an, dass sich London gezwungen sah, zunehmend reguläre Truppen zu entsenden. Die East India Company, so Mike Kortmanns Fazit, konnte nicht wegen, sondern trotz ihrer Söldner Indien erobern.
Bismarck und die Privatarmeen
Auch Bismarck überließ nach britischem Vorbild privaten Unternehmungen den Aufbau deutscher Schutzgebiete in Afrika. Das Reich sollte dadurch Kosten und militärischen Aufwand sparen. Doch die beteiligten Gesellschaften und ihre Privatarmeen scheiterten. Daher wurde Deutsch-Ostafrika 1891 zur Reichskolonie erklärt und mit einer regulären Schutztruppe ausgestattet, die sich allerdings grausamer einheimischer Hilfstruppen bediente. Tanja Bührer von der Universität Bern berichtet, wie bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges der Kommandant der Schutztruppe gegen den Gouverneur putschte, um auf eigene Faust loszuschlagen. Das Ergebnis war der völlige Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in Deutsch-Ostafrika.
Seit dem Ersten Weltkrieg haben Privatarmeen in Irland, seit dem Zweiten Weltkrieg im spanischen Baskenland und auf Korsika das Gewaltmonopol des Staates in Europa in Frage gestellt. Es folgte die Renaissance westlicher Söldner in Afrika, darunter ehemalige französische Fremdenlegionäre, aber auch Belgier, Deutsche und Südafrikaner. Die Hannoveraner Sozialwissenschaftlerin Andrea Schneiker porträtiert die südafrikanische Sicherheitsfirma „Executive Outcomes“, auf deren angeblichen Erfolg gegen Rebellen in Sierra Leone die heutige Söldner-Lobby gerne verweist. Zwar gewann „Executive Outcomes“ für die Regierung den Bürgerkrieg in den neunziger Jahren. Aber der Einsatz der Söldner schwächte diese zugleich, da die Privilegien für die Südafrikaner zu Unzufriedenheit unter den Regierungssoldaten führten. Nach dem Abzug von „Executive Outcomes“ brach das Regime rasch zusammen.
Diese Geschichte ist keine Ausnahme. Marc von Boemcken vom Bonn International Center for Conversion stellt eine globale Kommerzialisierung von Gewalt fest. Der internationale Terrorismus ruft privatisierte Gegengewalt hervor. Wach- und Sicherheitsdienste in den Metropolen und militärisch agierende Unternehmen an der Peripherie degradieren Sicherheit zur Ware. So unterscheidet von Boemckens Kollege Herbert Wulf zwischen zwei Formen der Privatisierung von Gewalt: Einerseits von unten durch Terroristen, Banden und Guerillas; andererseits von oben durch Auslagerung von staatlichen Aufgaben an Sicherheitsfirmen. Nach Auskunft des Congressional Research Service in Washington sind „private military contractors“ für rund die Hälfte der Aufbauoperationen des Pentagon im Irak und in Afghanistan zuständig. Durch die militärischen Interventionen des Westens gelangt das Söldnertum zu neuer Blüte. THOMAS SPECKMANN
STIG FÖRSTER / CHRISTIAN JANSEN / GÜNTHER KRONENBITTER (Hrsg.): Rückkehr der Condottieri? Krieg und Militär zwischen staatlichem Monopol und Privatisierung: Von der Antike bis zur Gegenwart. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2010. 326 Seiten, 38 Euro.
Söldnerführer im Einsatz: Wallenstein Foto:Bridgeman Art / Getty Images
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Wer in den kleinen Ort Telgte bei Münster schaut, meint Rezensent Thomas Speckmann, wird die Aktualität der Thematik erkennen, welcher sich der Sammelband "Rückkehr der Condottieri" widmet. In Telgte denkt ein privates Sicherheitsunternehmen darüber nach, hundert ehemalige Bundeswehrsoldaten in die Dienste eines Warlords nach Somalia zu entsenden. Die Annahme eines staatlichen Gewaltmonopols sei offensichtlich ein Irrtum, so der Rezensent, der von diesem Punkt aus der Geschichte des Söldnerwesens in verschiedenen Aufsätzen nachgeht. Er erfährt, dass Warlords bereits im alten Rom für die Kriegsführung eingesetzt wurden, aber zugleich auch als Bedrohung empfunden wurden. Vor allem der Kampf auf See sei überwiegend von privaten Kriegsunternehmen geführt worden. Auch die spanische Eroberung Amerikas sei größtenteils durch private Initiativen geschehen; später habe in den neu gegründeten Staaten Lateinamerikas Krieg zwischen Banden, Milizen und Privatarmeen geherrscht. Und obwohl 1907 private Kaperei verboten wurde, hätten die 455 Vorfälle des vergangenen Jahres die Brisanz des Themas gezeigt. Jenseits des historischen Überblicks kläre der "klug komponierte" Band aber auch über die modernen Formen der globalen Kommerzialisierung von Gewalt auf: gerade der internationale Terrorismus rufe viel privatisierte Gegengewalt hervor.
© Perlentaucher Medien GmbH
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