An einem Märztag erscheint eine Besucherin aus Europa in einer imposanten, verfallenden Festung im Herzen Indiens. Es ist die Rückkehr an einen Ort ihrer Kindheit. Von hier wurde einst das ehemalige Königreich von Samthar regiert. Das kleine Reich gibt es nicht mehr, wohl aber noch einen Maharaja, der über das Fort und die Menschen dieses extremen Landstrichs gebietet.
Die Ich-Erzählerin gerät von Tag zu Tag in ein immer dichteres Netz von ehemaligen Höflingen, Priestern, Wanderasketen, Verwandten und Dienern des Königs, bis hin zu einer geheimnisvollen Gestalt, die sich jede Nacht vor ihr Bettende legt und im Morgengrauen verschwunden ist. Eines Tages kommt ein Ehepaar zu Besuch, die Nichte des Maharajas, Ganga, und ihr Mann. Es ist ein Besuch aus einem ganz anderen Indien, dem der Technologie und Hochfinanz. Von Anbeginn entspinnt sich ein besonderes Verhältnis zwischen der Erzählerin und der schönen Ganga. Gemeinsam gehen die beiden Frauen in der Festung auf Spurensuche undkommen dem Geheimnis dieses entlegenen Ortes näher.
Mit einem feinen Gespür für die versteckten Gesetzmäßigkeiten des indischen Lebens und seiner Kultur enthüllt Anna Katharina Fröhlich das Wesen dieser Landschaft und ihrer Menschen. Und erzählt, komisch und nachdenklich zugleich, von dem wundersamen Zauber einer Welt, die, anders als unsere profane Stahl- und Betonwelt, von einer viel sinnlicheren, natürlicheren, gesellschaftlich und religiös komplexeren Wirklichkeit ist.
Die Ich-Erzählerin gerät von Tag zu Tag in ein immer dichteres Netz von ehemaligen Höflingen, Priestern, Wanderasketen, Verwandten und Dienern des Königs, bis hin zu einer geheimnisvollen Gestalt, die sich jede Nacht vor ihr Bettende legt und im Morgengrauen verschwunden ist. Eines Tages kommt ein Ehepaar zu Besuch, die Nichte des Maharajas, Ganga, und ihr Mann. Es ist ein Besuch aus einem ganz anderen Indien, dem der Technologie und Hochfinanz. Von Anbeginn entspinnt sich ein besonderes Verhältnis zwischen der Erzählerin und der schönen Ganga. Gemeinsam gehen die beiden Frauen in der Festung auf Spurensuche undkommen dem Geheimnis dieses entlegenen Ortes näher.
Mit einem feinen Gespür für die versteckten Gesetzmäßigkeiten des indischen Lebens und seiner Kultur enthüllt Anna Katharina Fröhlich das Wesen dieser Landschaft und ihrer Menschen. Und erzählt, komisch und nachdenklich zugleich, von dem wundersamen Zauber einer Welt, die, anders als unsere profane Stahl- und Betonwelt, von einer viel sinnlicheren, natürlicheren, gesellschaftlich und religiös komplexeren Wirklichkeit ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.09.2018Tage der Trägheit
Anna Katharina Fröhlichs Erinnerungsroman "Rückkehr nach Samthar" blickt zurück in die Zeit der indischen Maharadschas
Über das indische Leben zu schreiben, zumal in einem Roman, ist für Europäer nie leicht gewesen. Zu vielfältig und komplex, geschichtsträchtig und mythisch durchtränkt ist dieses Land. Darum kann man erfolgreiche Belletristik über Indien in deutscher Sprache an den Fingern abzählen. Meist klammern sich die mutigen Autoren, die es dennoch versuchen, an dokumentarische und journalistische Formate: Tagebücher, Reiseberichte, Erinnerungen und tun dies auch dann, wenn sie ihrem Werk einen fiktionalen Charakter geben. Man muss zu viel über Indien wissen, zu lange dort gelebt haben, vielleicht auch eine der indischen Sprache beherrschen, um authentisch indisches Leben nachzuempfinden. So handelt es sich meist verdeckt oder offen um die Perspektive einer deutschen Person, die auf die indische Umgebung reagiert. Das hat den Vorteil, dass sich die deutschen Leser mit dem Geschehen identifizieren können. Im vorliegenden Buch ist es nicht anders. Obwohl als "Roman" gekennzeichnet, ist es tatsächlich der kaum fiktionalisierte Bericht einer Reise an den Ort Samthar in Uttar Pradesh, rund 450 Kilometer südöstlich von Neu-Delhi.
Die Autorin hat diesen Ort vor 35 Jahren zum ersten Mal besucht und kehrt nun in ihre eigene Vergangenheit zurück, gleichzeitig aber trifft sie auf die indische Vergangenheit. Denn ihr Besuch gilt dem ehemaligen Königshaus von Samthar, dessen Familie in einem weitläufigen, immer mehr zerfallenden Fort wohnt. Der Maharadscha trägt noch die Insignien der royalen Macht, liebt noch deren Attitüde, weil die Umgebung weiterhin kriecherisch-diensteifrig darauf reagiert. Sein Sohn ist geistig behindert, was bedeutet, dass selbst diese Attrappen der Macht mit dem Tod des Maharadscha einstürzen werden. Offensichtlich fehlen die Vision und die Kraft, Besitz und Prestige in die indische Moderne nützlich und sinnvoll hinüberzuführen. Einmal heißt es bissig, dass das Fort (wie andere solche alten Besitztümer) wohl in Zukunft in ein Heritage Hotel umgebaut werde. Das Leben im Fort ist rückwärtsgewandt, es zelebriert seinen Verfall.
Genau und teilnahmsvoll beschreibt Anna Katharina Fröhlich dieses Leben bis in Einzelheiten. Mit Melancholie und Wohlwollen schaut sie zu, denn dieses Fort gehört zu ihrer eigenen Lebensgeschichte. Im ersten Teil ihres Romans kommt sie immer wieder auf die drei Vater-Figuren zu sprechen, die ihr Leben beeinflussten: ihren leiblichen Vater und ihre beiden Stiefväter, also die beiden Ehemänner ihrer exzentrischen Mutter. Der zweite war Thomas Ross, ehemals Korrespondent dieser Zeitung mit Sitz in Delhi und selbst Buchautor (dem auch dieses Buch gewidmet ist). Das Verhältnis der Autorin zu Indien ist also in der Familie von früh auf angelegt.
Anna Katharina Fröhlichs früherer Indien-Roman "Kream Korner", der 2011 in die nähere Auswahl für den Preis der Leipziger Buchmesse kam, bewegte sich in dem Milieu der märchenhaft reichen Großstadtinder Neu-Delhis, also dem neuen, aufsteigenden Geldadel des Landes. Dieses Leben zeigte sie als ebenso langweilig abgehoben wie fern von jener Wirklichkeit, in der ein Großteil der Bevölkerung lebt. Diese Kür wiederholt die Autorin nun, indem sie den traditionellen, aber entmachteten und untergehenden Adel in Samthar beschreibt.
Ihrem Thema kommt die Autorin nahe durch sehr persönliche Beschreibungen der Schlüsselfiguren des Forts: des Maharadscha und seiner ergebenen Dienerschaft, einiger Gäste aus dem das Fort umgebenen Dorf und aus der Großstadt. Sie kommen zusammen, pflegen ihre jeweils liebgewonnene bizarre Exzentrik, verbringen ihre Tage träge mit Tratsch und Alkohol. Diese weder geistes- noch sinnsprühenden Lebensabläufe untersucht die Autorin, indem sie ihnen die Sprüche der altindischen Schriften, insbesondere des altindischen Gesetzbuches "Manusmriti" und des Epos "Mahabharata" entgegenhält. Gelegentlich weist sie auf Parallelen zum griechischen Götterolymp hin. Durch die Lektüre bemüht sie sich, ihrer Situation im Fort Sinn abzugewinnen und gerade bei der Beschreibung der mythischen Zusammenhänge gerät sie in faszinierte Erzähllaune und umgarnt damit ihre Leser, wobei auch die getragen-geschmeidige Sprache dazu beträgt. Das uralte Personal europäischer Orientphantasie tritt dann auf - die Wanderasketen, die Schlangenbeschwörer, die schleimenden Höflinge, die Tänzer und Tänzerinnen und Tempelpriester. Dennoch steht auf der letzten Buchseite das lapidare Fazit, nämlich dass sie gewiss sei, "nie wiederzukehren".
MARTIN KÄMPCHEN
Anna Katharina Fröhlich: "Rückkehr nach Samthar". Roman.
C. H. Beck Verlag, München 2018. 270 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Anna Katharina Fröhlichs Erinnerungsroman "Rückkehr nach Samthar" blickt zurück in die Zeit der indischen Maharadschas
Über das indische Leben zu schreiben, zumal in einem Roman, ist für Europäer nie leicht gewesen. Zu vielfältig und komplex, geschichtsträchtig und mythisch durchtränkt ist dieses Land. Darum kann man erfolgreiche Belletristik über Indien in deutscher Sprache an den Fingern abzählen. Meist klammern sich die mutigen Autoren, die es dennoch versuchen, an dokumentarische und journalistische Formate: Tagebücher, Reiseberichte, Erinnerungen und tun dies auch dann, wenn sie ihrem Werk einen fiktionalen Charakter geben. Man muss zu viel über Indien wissen, zu lange dort gelebt haben, vielleicht auch eine der indischen Sprache beherrschen, um authentisch indisches Leben nachzuempfinden. So handelt es sich meist verdeckt oder offen um die Perspektive einer deutschen Person, die auf die indische Umgebung reagiert. Das hat den Vorteil, dass sich die deutschen Leser mit dem Geschehen identifizieren können. Im vorliegenden Buch ist es nicht anders. Obwohl als "Roman" gekennzeichnet, ist es tatsächlich der kaum fiktionalisierte Bericht einer Reise an den Ort Samthar in Uttar Pradesh, rund 450 Kilometer südöstlich von Neu-Delhi.
Die Autorin hat diesen Ort vor 35 Jahren zum ersten Mal besucht und kehrt nun in ihre eigene Vergangenheit zurück, gleichzeitig aber trifft sie auf die indische Vergangenheit. Denn ihr Besuch gilt dem ehemaligen Königshaus von Samthar, dessen Familie in einem weitläufigen, immer mehr zerfallenden Fort wohnt. Der Maharadscha trägt noch die Insignien der royalen Macht, liebt noch deren Attitüde, weil die Umgebung weiterhin kriecherisch-diensteifrig darauf reagiert. Sein Sohn ist geistig behindert, was bedeutet, dass selbst diese Attrappen der Macht mit dem Tod des Maharadscha einstürzen werden. Offensichtlich fehlen die Vision und die Kraft, Besitz und Prestige in die indische Moderne nützlich und sinnvoll hinüberzuführen. Einmal heißt es bissig, dass das Fort (wie andere solche alten Besitztümer) wohl in Zukunft in ein Heritage Hotel umgebaut werde. Das Leben im Fort ist rückwärtsgewandt, es zelebriert seinen Verfall.
Genau und teilnahmsvoll beschreibt Anna Katharina Fröhlich dieses Leben bis in Einzelheiten. Mit Melancholie und Wohlwollen schaut sie zu, denn dieses Fort gehört zu ihrer eigenen Lebensgeschichte. Im ersten Teil ihres Romans kommt sie immer wieder auf die drei Vater-Figuren zu sprechen, die ihr Leben beeinflussten: ihren leiblichen Vater und ihre beiden Stiefväter, also die beiden Ehemänner ihrer exzentrischen Mutter. Der zweite war Thomas Ross, ehemals Korrespondent dieser Zeitung mit Sitz in Delhi und selbst Buchautor (dem auch dieses Buch gewidmet ist). Das Verhältnis der Autorin zu Indien ist also in der Familie von früh auf angelegt.
Anna Katharina Fröhlichs früherer Indien-Roman "Kream Korner", der 2011 in die nähere Auswahl für den Preis der Leipziger Buchmesse kam, bewegte sich in dem Milieu der märchenhaft reichen Großstadtinder Neu-Delhis, also dem neuen, aufsteigenden Geldadel des Landes. Dieses Leben zeigte sie als ebenso langweilig abgehoben wie fern von jener Wirklichkeit, in der ein Großteil der Bevölkerung lebt. Diese Kür wiederholt die Autorin nun, indem sie den traditionellen, aber entmachteten und untergehenden Adel in Samthar beschreibt.
Ihrem Thema kommt die Autorin nahe durch sehr persönliche Beschreibungen der Schlüsselfiguren des Forts: des Maharadscha und seiner ergebenen Dienerschaft, einiger Gäste aus dem das Fort umgebenen Dorf und aus der Großstadt. Sie kommen zusammen, pflegen ihre jeweils liebgewonnene bizarre Exzentrik, verbringen ihre Tage träge mit Tratsch und Alkohol. Diese weder geistes- noch sinnsprühenden Lebensabläufe untersucht die Autorin, indem sie ihnen die Sprüche der altindischen Schriften, insbesondere des altindischen Gesetzbuches "Manusmriti" und des Epos "Mahabharata" entgegenhält. Gelegentlich weist sie auf Parallelen zum griechischen Götterolymp hin. Durch die Lektüre bemüht sie sich, ihrer Situation im Fort Sinn abzugewinnen und gerade bei der Beschreibung der mythischen Zusammenhänge gerät sie in faszinierte Erzähllaune und umgarnt damit ihre Leser, wobei auch die getragen-geschmeidige Sprache dazu beträgt. Das uralte Personal europäischer Orientphantasie tritt dann auf - die Wanderasketen, die Schlangenbeschwörer, die schleimenden Höflinge, die Tänzer und Tänzerinnen und Tempelpriester. Dennoch steht auf der letzten Buchseite das lapidare Fazit, nämlich dass sie gewiss sei, "nie wiederzukehren".
MARTIN KÄMPCHEN
Anna Katharina Fröhlich: "Rückkehr nach Samthar". Roman.
C. H. Beck Verlag, München 2018. 270 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Paul Jandl kann das sprachliche Theater von Anna Katharina Fröhlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Zentrum dieses Textes die Leere gähnt. Zwar gähnt sie mit abgespreiztem Finger, wie Jandl den manierierten Stil der Autorin umschreibt, doch das ändert für den Rezensenten nichts daran, dass er sich mit diesem Selbstporträt der Autorin als junges Mädchen und noch einmal als reife Frau vor indischer Szenerie gehörig langweilt. Wohlfeile Indienkenntnisse und Exotismen lassen ihn kalt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Anna Katharina Fröhlich pflegt einen tollen, maniristischen Stil, bei dem jede Formulierung nicht nur Freude bereitet, sondern auch einen neuen Blick auf die Wirklichkeit eröffnet."
SWR Fernsehen, Ijoma Mangold
"Komische, poetische Parallelmontage zwischen dem Frankfurt der Achtziger und dem Palast eines Maharadschas."
Die ZEIT, Ijoma Mangold
"Sehnsuchtsroman, der von verlorener Schönheit erfüllt."
BUNTE, Claus Dreckmann
"Genau und teilnahmsvoll beschreibt Anna Katharina Fröhlich dieses Leben."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Martin Kämpchen
"Lakonisch gewitzter, wirklich vergnüglicher und individueller Ton."
Frankfurter Rundschau, Judith von Sternburg
"(Ein) anekdotisch-essayistisch grundierter Reisebericht, der vermischt ist mit Erinnerungen an eine Kindheitsreise und weiteren Details aus dem Leben der Autorin (...) (eine) charmante Geschichte."
Kristina Maidt-Zinke, Süddeutsche Zeitung, 27. Juli 2018
"Ein Roman, der hinter jedem Satzwinkel eine Überraschung zu verstecken scheint, eine Wendung ins Unerwartete, in dem das Komische und das Traurige stets eng verwoben sind."
Cornelia Geißler, Berliner Zeitung, 16. Juli 2018
SWR Fernsehen, Ijoma Mangold
"Komische, poetische Parallelmontage zwischen dem Frankfurt der Achtziger und dem Palast eines Maharadschas."
Die ZEIT, Ijoma Mangold
"Sehnsuchtsroman, der von verlorener Schönheit erfüllt."
BUNTE, Claus Dreckmann
"Genau und teilnahmsvoll beschreibt Anna Katharina Fröhlich dieses Leben."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Martin Kämpchen
"Lakonisch gewitzter, wirklich vergnüglicher und individueller Ton."
Frankfurter Rundschau, Judith von Sternburg
"(Ein) anekdotisch-essayistisch grundierter Reisebericht, der vermischt ist mit Erinnerungen an eine Kindheitsreise und weiteren Details aus dem Leben der Autorin (...) (eine) charmante Geschichte."
Kristina Maidt-Zinke, Süddeutsche Zeitung, 27. Juli 2018
"Ein Roman, der hinter jedem Satzwinkel eine Überraschung zu verstecken scheint, eine Wendung ins Unerwartete, in dem das Komische und das Traurige stets eng verwoben sind."
Cornelia Geißler, Berliner Zeitung, 16. Juli 2018