Emily, Trendforscherin und Erzählerin dieses bestechend klugen Romans, entschlüsselt die kulturellen Codes der Gegenwart, um der Zukunft auf die Spur zu kommen. Dabei erscheint ihre eigene Zukunft im rezessionsgeplagten New York nur wenig verheißungsvoll. Eine Chance, ihre literarischen Ambitionen zu verfolgen und zugleich einer prekären finanziellen Lage zu entkommen, bietet ihr schließlich das Start-up eXe. Die Firma hat sich der ominösen Aufgabe verschrieben, das Internet mit einer neuen Bedeutungsschicht zu überziehen, und heuert Emily als Markenstrategin an. Kurzerhand macht sie ihren Job zur künstlerischen Praxis und sieht sich gleichzeitig mit den Widersprüchen einer bizarren Unternehmenskultur konfrontiert, in der neue Arbeitsformen auf alte Machtverhältnisse treffen.
Rückläufiger Merkur ist der Künstlerroman der New Economy, in der Arbeit und Privatleben, kreative Selbstverwirklichung und kommerzieller Erfolg, Kunstprojekt und Marketingkampagne untrennbar miteinander verwoben sind. Mit Scharfsinn und feiner Ironie erkundet Emily Segals Roman das komplizierte Verhältnis zwischen Selbstbehauptung und Mitläufertum im sinnentleerten Kapitalismus des frühen 21. Jahrhunderts.
Rückläufiger Merkur ist der Künstlerroman der New Economy, in der Arbeit und Privatleben, kreative Selbstverwirklichung und kommerzieller Erfolg, Kunstprojekt und Marketingkampagne untrennbar miteinander verwoben sind. Mit Scharfsinn und feiner Ironie erkundet Emily Segals Roman das komplizierte Verhältnis zwischen Selbstbehauptung und Mitläufertum im sinnentleerten Kapitalismus des frühen 21. Jahrhunderts.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.07.2022Lieber was mit Geld
als mit Kunst
Seit die Erkenntnis alt und unattraktiv wurde, dass Werber, Tech-Gründer und solche Speerspitzen des Kapitalismus heute wie Künstler leben wollen (nur mehr verdienen), fordern die Ästheten der Achtziger-Jahrgänge ihr Territorium zurück. Sie imitieren die hohldrehenden Marktlogiken und machen umgekehrt Kunst daraus. Emily Segal hat mit ihrem Kollektiv K-Hole zum Beispiel Trend-Reports einfach erfunden – und siehe, sie funktionierten auch als Fiktion: aus dem Phänomen „Normcore“, das sie sich ausgedacht hatten, wurde ein reales Lebensgefühl. In einem autofiktionalen Roman erzählt sie unheimlich witzig vom Leben zwischen Kunst und Business. Wobei man doch spürt, dass inmitten der zynisch flottierenden Zeichen und Codes ihrer Brooklyner Bubble die Herzen umso schmerzvoller bluten.
MARIE SCHMIDT
Emily Segal:
Rückläufiger Merkur. Roman. Aus dem Englischen von
Cornelia Röser.
Matthes & Seitz,
Berlin 2022.
220 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
als mit Kunst
Seit die Erkenntnis alt und unattraktiv wurde, dass Werber, Tech-Gründer und solche Speerspitzen des Kapitalismus heute wie Künstler leben wollen (nur mehr verdienen), fordern die Ästheten der Achtziger-Jahrgänge ihr Territorium zurück. Sie imitieren die hohldrehenden Marktlogiken und machen umgekehrt Kunst daraus. Emily Segal hat mit ihrem Kollektiv K-Hole zum Beispiel Trend-Reports einfach erfunden – und siehe, sie funktionierten auch als Fiktion: aus dem Phänomen „Normcore“, das sie sich ausgedacht hatten, wurde ein reales Lebensgefühl. In einem autofiktionalen Roman erzählt sie unheimlich witzig vom Leben zwischen Kunst und Business. Wobei man doch spürt, dass inmitten der zynisch flottierenden Zeichen und Codes ihrer Brooklyner Bubble die Herzen umso schmerzvoller bluten.
MARIE SCHMIDT
Emily Segal:
Rückläufiger Merkur. Roman. Aus dem Englischen von
Cornelia Röser.
Matthes & Seitz,
Berlin 2022.
220 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Emily Segal ist dem Rezensenten Fabian Wolff schon als Trendscout bekannt, eine Aufgabe, die sie ihrer gleichnamigen Protagonistin im Roman "Rückläufiger Merkur" übertragen hat. Die im Sommer 2015 in New York angesiedelte Geschichte macht die relative Sinnlosigkeit dieser Arbeit zum Thema, wartet aber ansonsten nicht mit großer Handlung auf. Dafür lässt Segal aber ein großes Bewusstsein für Themen der Zeit erkennen, was Wolff in Kombination mit der ausgestellten und unterschwellig kritisierten Verwertungsökonomie des Kapitalismus lobt. Die Übersetzung von Cornelia Röser hingegen bewertet er als gescheitert. Lieber im englischen Original lesen, resümiert er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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