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Ein Boxer verfällt nach einer K.-o.-Niederlage in dumpfe Depression; einem Offizier wird von einem übergeschnappten Soldaten die Nase abgebissen; ein epileptischer Werbetexter irrt nach einem Unfall in Bombay umher. Jones erzählt in all diesen Geschichten mit unverwechselbarer, eindringlicher und zorniger Stimme von den Kampfzonen des Lebens und von den Verlierern, die Alkohol, Drogen oder auch nur die ganz normalen fiesen Tricks des Lebens überstanden haben. "Ein literarisches Ereignis von Rang. Ganze Schulen und Generationen von Literaten verblassen, wenn einer wie dieser unbekannte Jones…mehr

Produktbeschreibung
Ein Boxer verfällt nach einer K.-o.-Niederlage in dumpfe Depression; einem Offizier wird von einem übergeschnappten Soldaten die Nase abgebissen; ein epileptischer Werbetexter irrt nach einem Unfall in Bombay umher. Jones erzählt in all diesen Geschichten mit unverwechselbarer, eindringlicher und zorniger Stimme von den Kampfzonen des Lebens und von den Verlierern, die Alkohol, Drogen oder auch nur die ganz normalen fiesen Tricks des Lebens überstanden haben. "Ein literarisches Ereignis von Rang. Ganze Schulen und Generationen von Literaten verblassen, wenn einer wie dieser unbekannte Jones kommt und erzählt, was er an sich selbst erfahren hat." BERLINDER MORGENPOST
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.1997

Am besten eine lila Pause
Für Männer: Thom Jones betrachtet den "Ruhenden Faustkämpfer"

Lance Corporal Haines hatte nur noch zwölf Tage bis zur Entlassung aus der US Army vor sich, aber die erlebte er nicht mehr. Vorher kamen zwei Phantom-Kampfbomber F4 und luden über ihm ab: Haines wurde "vom Napalm völlig verschmurgelt". Da war er allerdings schon tot, umgekommen im Dschungelkrieg gegen den Vietcong, dem das Napalm eigentlich galt.

Eine Szene, ungefähr aus dem Jahre 1970, mitgeteilt vom einzigen Überlebenden eines Fronteinsatzes, des ersten für ihn und seine frisch eingeflogenen Kameraden. Und das war eine hart gedrillte Truppe. "Während sie unter den verschiedenen Pressionen schmorten, wurden die Rekruten ziemlich scharf. Sie fingen an, sich als Marines zu fühlen." Das Marines-Gefühl des Ich-Erzählers stellt sich im Rückblick so dar: "Es gab ein ganzes Reservoir von Bösartigkeiten, Gift und Sadismus in meiner Seele, und in den Dschungeln und Reisfeldern Vietnams ergoß es sich ungehindert . . . Ich beging unsägliche Verbrechen und bekam Orden dafür."

Das Bewußtsein, daß es sich bei den ausgezeichneten Taten um Verbrechen gehandelt haben wird, stellt sich allerdings erst Jahre nach dem Krieg ein, als das erzählende Ich, inzwischen Garnisonssoldat in den Vereinigten Staaten, bei einem Boxkampf durch einen Kopftreffer gründlich aus der kriegerischen Laufbahn katapultiert und als "linksseitiger Schläfenlappen-Epileptiker" kategorisiert wird. Ein Leiden mit illustrer Ahnenreihe, wie sich der Erzähler beruhigt: Paulus, Dostojewski, Mohammed, Häuptling Schwarzer Elch und Jeanne d'Arc sollen ebenfalls damit zu tun gehabt haben, er selbst wird dann im Zivilleben noch gutbetuchter Unfallarzt und Werbetexter.

Und er hat eine Geschichte zu erzählen, nichtchronologisch und etwas willkürlich verteilt auf sieben der elf Storys des "ruhenden Faustkämpfers". Die beginnt, und im Rückblick ist das das einzig wahre Paradies, im Lebensmittelladen der Großmutter in Aurora, Illinois, wo die amerikanische Welt noch sehr in Ordnung ist, im Gegensatz zum Elternhaus, wo Vater J. Z., ein "Tittenmann", die Mutter verläßt, als das Kind vier Jahre alt ist, und umgehend durch einen Frank Coles ersetzt wird, der es bis zum Gebrauchtwagenverkäufer bringt, sonst aber zu denen gezählt wird, "die nur für das eine leben". Wohingegen der zum Arzt gereifte Knabe sich nach Selbsteinschätzung eher an der Großmutter orientiert: "Ich versuche so wie sie zu sein und meine libidinöse Energie in meine Arbeit zu investieren."

Das klingt nach seriöser Introspektion und Arbeit am Selbst, aber das täuscht: Thom Jones' Figuren sind durchgängig Getriebene, deren Leben sich kaum beeinflußbar mit ihnen ereignet, und der Junge aus Aurora sucht diese Erfahrung später mit einer eher kruden Philosophie zu mildern, die die Antithese zum fröhlichen Positivdenken etwa eines "Reader's Digest" darstellen könnte: Wird dort darauf verwiesen, man könne höher, länger, schöner et cetera, als man dächte, greift er recht eklektisch zurück auf Schopenhauer und Nietzsche und sieht seit Homers Zeiten nichts Neues unter der Sonne: "Damals wie heute waren Gewalt und Leiden die Regel, und das Leben war nicht viel wert."

Ähnlich kontinuierlich sieht es ein anderes Ich, wenn es um "das eine" geht. Hier wird diese tierische Seite ausgiebig von einer New Yorker Literaturredakteurin mit einem ehemals kriminellen Nordseetieftaucher gepflegt, der zwar berufsbedingt an "aseptischer Knochennekrose" leidet, anderes an ihm ist dagegen - ebenfalls berufsbedingt - ausgesprochen hart, die Haut der Handinnenflächen zum Beispiel. Und der Charakter auch. Ob als Soldat, Boxer, Unfallarzt oder Werbetexter: man muß stoßfest und wasserdicht sein in einem Leben, das Milde und Weichheit im Regelfall nicht erlaubt. Dies heißt nun nicht, daß "Ruhender Faustkämpfer" eine Eloge auf den Machismo transportiert: Die Lust an der Gewalt wird zwar eindringlich und gerade in den Vietnampassagen bedrückend geschildert; die sie ausüben, bleiben aber unglücklich, unerlöst und fragmentiert, die Härte gegen andere hält sie auch von sich selbst fern.

Thom Jones trägt das ohne erkennbaren moralischen oder pädagogischen Impetus vor, die amerikanische Kritik hat ihn als neue, eigene Stimme begrüßt. Dieser Begrüßung kann man sich durchaus anschließen und, ergänzend zu einem populären Diktum der deutschen Literaturkritik, das häufigere Vorkommen eines vulgären Verbums für die Ausübung des Geschlechtsverkehrs bedeute noch nicht, daß es sich um Literatur handele, feststellen, daß das häufige Vorkommen dies aber auch nicht ausschließt. BURKHARD SCHERER

Thom Jones: "Ruhender Faustkämpfer". Stories. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Lutz-W. Wolff. Carl Hanser Verlag, München 1997. 241 S., geb., 36,- DM.

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"Ein literarisches Ereignis von Rang. Ganze Schulen und Generationen von Literaten verblassen, wenn einer wie dieser unbekannte Jones kommt und erzählt, was er an sich selbst erfahren hat." (Berliner Morgenpost)