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Jubiläumsausgabe des Bilderbuchklassikers als Pappbilderbuch.
Dieses Bilderbuch ohne Text zeigt verschiedenste Situationen und Szenarien in der Stadt: den Straßenverkehr, die Baustelle, den Vergnügungspark, das Hochhaus, den Hafen, usw ... Durch die vielen detailgetreuen, bunten Abbildungen lernt das Kleinkind die alltäglichen und nichtalltäglichen, wichtigen und witzigen Vorgänge in der Stadt kennen, kurz: das kunterbunte Treiben. Selbst nach mehrfachem Betrachten dieses Klassikers unter den Bilderbüchern lässt sich noch etwas neues entdecken.

Produktbeschreibung
Jubiläumsausgabe des Bilderbuchklassikers als Pappbilderbuch.
Dieses Bilderbuch ohne Text zeigt verschiedenste Situationen und Szenarien in der Stadt: den Straßenverkehr, die Baustelle, den Vergnügungspark, das Hochhaus, den Hafen, usw ... Durch die vielen detailgetreuen, bunten Abbildungen lernt das Kleinkind die alltäglichen und nichtalltäglichen, wichtigen und witzigen Vorgänge in der Stadt kennen, kurz: das kunterbunte Treiben. Selbst nach mehrfachem Betrachten dieses Klassikers unter den Bilderbüchern lässt sich noch etwas neues entdecken.
Autorenporträt
Ali Mitgutsch ist Vater der berühmten "Wimmelbilderbücher", mit denen seit über 40 Jahren Generationen von Kindern aufwachsen.
Geboren wurde er 1935 als jüngstes von vier Geschwistern in München. Nach einer harten Kindheit im Krieg wurde er nach einigen Umwegen graphischer Zeichner und studierte an der graphischen Akademie in München. Die nächsten Jahrzehnte waren geprägt von seiner Arbeit, vielen Reisen in exotische Länder und seiner Familie. Mitte der 60 Jahre begann er Kinderbücher zu illustrieren. Für sein Bilderbuch "Rundherum in meiner Stadt" erhielt er 1969 den Deutschen Kinder- und Jugendliteraturpreis, etwas später den Hans-Christian-Andersen-Preis. Die von Ali Mitgutsch entwickelten "Wimmelbücher" stellen einen wichtigen Teil von Mitgutschs Gesamtwerk dar, das mittlerweile über 70 Kinderbücher, Leporellos und Poster umfasst.
Ausgelöst durch ein 'Sabbatjahr' 2001 wurde der 'Ali Mitgutsch für Erwachsene' geboren. Mit großer Begeisterung stellt er seitdem seine "Objektkäst

chen" her. Aus alten Dingen, die schon ein Leben hinter sich haben, baut er kleine ironische Bühnen des Lebens. Im Juli 2003 wurde er mit dem Schwabinger Kunstpreis geehrt.
Ansonsten ist es sein erklärtes Ziel, "ein liebenswürdiger Alter zu werden".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2015

Fensterblick des Kinder-Bürgers auf das Leben

Derzeit erleben Wimmelbücher für Kinder, die komplexe Geschichten ohne Worte erzählen, eine Renaissance. Dem Erbe ihrer Vorgänger aus den sechziger Jahren werden sie aber nicht immer gerecht.

Was alles geschieht an einem gewöhnlichen Tag in einem Stadtpark, lässt sich nur aus der Vogelperspektive überblicken. Eine Kindergärtnerin zählt ihre Zöglinge und scheint noch nach einigen zu suchen; einer von zwei Jungen, die sich beim Bootsverleih am Teich ein Paddelboot gemietet haben, fällt von Bord aus rücklings ins Wasser, ein Dritter verspottet ihn vom Ufer aus; vor einem Flohzirkus wartet eine Kartenverkäuferin auf Kunden, nebenan spielt eine Blaskapelle; am anderen Ende des Parks rennt ein Parkwächter hinter zwei Buben her, bei denen es sich um die Kinder handeln könnte, nach denen die Erzieherin sucht.

Diese und viele weitere Geschichten werden synchron und ohne erklärende Worte in einem der stets eine Doppelseite ausfüllenden Bilder erzählt, die der Zeichner und Kinderbuchautor Ali Mitgutsch 1968 in seinem Band "Rundherum in meiner Stadt" versammelt hat. Er ist im Ravensburger Verlag erschienen, fängt neben den Szenen im Park den Alltag in einem Mietshaus, auf einer Baustelle, an einem Hafen und auf einem Rummelplatz ein und gilt als das erste sogenannte Wimmelbuch im deutschsprachigen Raum.

Mitgutsch hat neben zwei Wimmelbüchern über die Stadt Bände über das Leben im Dorf, in den Bergen, am Meer sowie über die vier Jahreszeiten veröffentlicht. Die Bücher verknüpfen Wiedererkennbarkeit und Komplexität. Jedes von ihnen besteht aus großformatigen, doppelseitigen, mit akribischer Genauigkeit gezeichneten Bildern, die aus halber Vogelperspektive eine Vielzahl einzelner und doch subtil miteinander verbundener Szenen präsentieren. Die Szenen sind ebenso konkret wie allgemein. Um welche Stadt, welchen Hafen, welches Volksfest es sich jeweils handelt, bleibt unklar, zugleich wird jede Situation mit so liebevollem Detailreichtum entfaltet, dass sie als unwiederholbarer Augenblick erscheint. Es gibt keinen kommentierenden Text, Sprache ist nur als Bildelement, etwa auf Laden- und Verkehrsschildern, präsent. Die Geschichten entfalten sich erst im geduldigen Nachvollzug ihrer Gesamtkonstruktion.

Manchmal können scheinbar isolierte Szenen, wie im Fall der Erzieherin und des Parkwächters, zusammenhängen, ohne dass es auf den ersten Blick ersichtlich ist. Manchmal enthalten die Bilder, wie im Fall der Jungen mit dem Paddelboot, Witze und Anekdoten. Oft erzählen sie Geschichten, die gleichsam nur angespielt werden: In der Stadtparkszene sieht man einen Mann mit Gipsbein, der die Jungen im Boot beobachtet. Ob er selbst gern paddeln würde oder sich sorgt, dass dem ins Wasser fallenden Buben etwas passiert, ist der Phantasie des Betrachters überlassen.

Der pädagogische Wert dieser Bücher, die meist keine Altersempfehlung tragen, aber bevorzugt für Kinder ab dem ersten Lebensjahr gekauft werden, liegt auf der Hand. Sie knüpfen an die tägliche Erfahrung an - alle Bilder enthalten Kinder als Figuren -, sie befördern, indem sie zum sprachlichen Nachvollzug der in ihnen angelegten Geschichten anregen, das Gespräch zwischen Kindern und Eltern, die mit dem Kind die Geschichten ausspinnen können, statt sie nur vorzulesen. Sie ermöglichen das Lernen neuer Worte, und sie befördern die genaue Beobachtung der Wirklichkeit. Vor allem aber setzen sie einen unreglementierten Blick voraus, der mit geduldiger Neugierde jedem Detail Beachtung schenkt, um allmählich die Zusammenhänge zwischen den Einzelszenen zu erschließen. So tragen sie in der Verschränkung von Bild und Erzählung zur Ausbildung hermeneutischer Fähigkeiten bei.

Das Besondere dieses Kinderbuchtypus tritt erst vor dem Hintergrund der Zeit in den Blick, in der er entstand. Als Mitgutsch seine Bücher veröffentlichte, war die antiautoritäre Pädagogik auf ihrem Höhepunkt, die das Kinderbuch entgegen ihrem Anspruch zutiefst doktrinären Prinzipien unterwarf. Zwei Tendenzen, die noch heute nachwirken, haben sich damals durchgesetzt: die rigide Einteilung der Bücher in Altersgruppen und die Überfrachtung der Kinderliteratur mit nach politischen Prämissen ausgewählten zeitgenössischen Motiven. Bestimmte Sujets müssen demzufolge von einem bestimmten Alter an behandelt werden, andere dürfen es in frühkindlicher Zeit noch nicht.

Wo immer Sexualität und Familie zum Thema gemacht werden, müssen die Geschlechterrollen problematisiert werden, jede Schulklasse muss Kinder mit Migrationshintergrund haben, Brutalität und Rohheit dürfen nicht zu früh und in den höheren Altersstufen nur mit sozialpädagogischer Ausgewogenheit thematisiert werden. Die Instrumentalisierung aller Erzähl- und Bildinhalte im Dienst des pädagogischen Zwecks, die sich damals durchsetzte, wäre in der von wild wuchernder Phantasie geprägten Kinderliteratur vermeintlich reaktionärer Epochen wie dem Viktorianismus und der deutschen Romantik unvorstellbar gewesen.

Zu diesen Tendenzen bildeten die Wimmelbücher einen Kontrapunkt und machten Ernst mit dem Versprechen einer Befreiung des kindlichen Blicks und einer Enthierarchisierung des Erzählzusammenhangs. Auch in den Wimmelbüchern kommt alles vor, woran sich die progressive Kinderbuchliteratur abarbeitete: migrantische Kinder, berufstätige Frauen, alleinerziehende Mütter, Arbeiter, Obdachlose und diverse Randgruppen. Auf dem Titelbild von Mitgutschs zweitem Wimmelbuch über das Stadtleben ist ein Rollstuhlfahrer mit Pfleger abgebildet, der in einer Fußgängerzone einem Straßenmusiker zuhört. Doch die Integration solcher Figuren in den Bildzusammenhang exponiert bei Mitgutsch kein "Problem", mit dem Eltern und Kinder sich anhand der Lektüre auseinanderzusetzen hätten. Der Mann ist mit Straßenmusikant, Straßenmaler, Zeitungsverkäufer, einkaufenden Müttern und Rucksacktouristen gleichberechtigter Bestandteil des Tableaus. Ob über seine Beziehung zu seinem Pfleger, über seine Liebe zur Musik oder über das unterschiedliche Tempo nachgedacht wird, mit dem sich die Passanten durch die Fußgängerzone bewegen, bleibt den Betrachtern überlassen.

Durch die Freiheit, die sie dem Betrachter gewähren, weisen die Wimmelbücher nicht einfach über die Zielgruppe der Kinder vor dem lesefähigen Alter hinaus, sondern sprengen die Unterscheidung zwischen Kinder- und Erwachsenenliteratur überhaupt. Auch den Erwachsenen, die sie mit den Kindern lesen, geben sie Anstoß zum Ausspinnen neuer Geschichten, weil sie immer wieder unentdeckte Aspekte enthalten. Darin stehen sie weder in der Tradition des Kinderbuchs, in dem die Bilder - wenngleich oft kunstvolle - Illustration der erzählten Geschichte sind, noch in der des Comics, der die Sprache der Figuren und des Erzählers als visuelle Elemente ins Bild integriert. Eher erinnern sie mit ihrem Blick für das physiognomische und soziale Detail und ihrer Auflösung der Bildhierarchie in kleine, aufeinander bezogene Zentren an die niederländischen Maler des sechzehnten Jahrhunderts, insbesondere Pieter Bruegel den Älteren, dessen Gemälde zur Zeit der Ausbildung der Zentralperspektive die flächige, gleichsam parataktisch einzelne Szenen nebeneinander stellende bildende Kunst des Mittelalters von ihrem theologischen Begründungszusammenhang lösten und einem präzisen gesellschaftlichen Blick zuführten.

Auf diese Weise bilden sich anstelle der Zentralperspektive verschiedene Zentren, die jedes für sich erkannt und in ihren Relationen erschlossen werden müssen. Indem sie Bruegels Ästhetik für das Kinderbuch fruchtbar machen, adaptieren die Wimmelbücher zugleich einen genuin bürgerlichen Blick: den Fenster- oder Balkonblick des Privatmenschen, der sich in ruhiger Betrachtung des öffentlichen Lebens von diesem ebenso affiziert fühlt, wie er zu ihm Distanz hält. Deshalb ist für die Wimmelbücher weniger das Gewimmel, die überreiche Vielfalt des gesellschaftlichen Lebens, konstitutiv als die Versammlung dieser Vielfalt im für jede Einzelheit offenen Blick - jenem Fensterblick, der alle Wimmelbücher der sechziger Jahre prägt.

Angesichts dieser altmodischen Züge erscheint es überraschend, dass das Wimmelbuch seit Jahren eine Renaissance erlebt. Fast monatlich erscheinen neue auf dem Markt, Mitgutschs Bücher werden nachgedruckt, und das Genre hat inzwischen einen eigenen Fachverlag, den Wimmelbuchverlag in Berlin. Doch die neuen Bücher gleichen nur oberflächlich denen der Sechziger. Zum einen gibt es unter ihnen kaum Bücher ohne Text, die meisten führen die Einzelszenen durch Kommentare ein, die oft Aufgaben enthalten, etwa eine bestimmte Person im Bild zu finden.

Prototyp dafür ist Martin Handfords Bilderbuchreihe "Where's Waldo?" aus den Achtzigern, in der in jedem Bild die Figur des titelgebenden Weltreisenden entdeckt werden muss. Andere neue Wimmelbücher, etwa die Reihe von Guido Wandrey um Anna, Paul und ihren Hund Schnuffel, erzählen Geschichten, deren Stationen die Tableaus bilden. Überdies erscheinen immer mehr Wimmelbücher, die auf spezielle Anlässe ausgerichtet sind: den Zoobesuch, den Kindergarten, die erste Klassenfahrt. Dadurch werden sie der Dramaturgie traditioneller Kinderbücher angenähert, dem unreglementierten Blick des Betrachters scheint nicht mehr viel zugetraut zu werden. Vielleicht liegt das an der Furcht vor dem Detail, das partout in eine Geschichte oder Aufgabe eingepasst werden muss. Vielleicht auch daran, dass der so affizierte wie distanzierte Blick, der den alten Wimmelbüchern zugrunde lag, abgestumpft ist vom Alltagsgewimmel, dessen Vielfalt längst monoton geworden ist.

MAGNUS KLAUE

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