Rupert von Deutz (ca. 1075-1129), erzogen und ausgebildet im Benediktinerkloster Saint-Laurent in Lüttich, wurde nach zeitweiligem Aufenthalt im Kloster St. Michael in Siegburg 1120 zum Abt von St. Heribert in Deutz gegenüber Köln erhoben.Rupert hinterließ ein umfangreiches theologisches Werk. Um 1110/1112 entstand sein liturgisches Frühwerk "De divinis officiis". Nach weiteren umfangreichen exegetischen Werken wie z.B. "De sancta Trinitate et operibus eius" und "De gloria et honore Filii hominis super Mattheum" verfaßte Rupert um 1125 auf Bitten seines Freundes, des Abtes Kuno von Siegburg, einen Kommentar zum Hohenlied. Ruperts Auslegung des "Canticum Canticorum" fügt sich zwar einerseits in die tausendjährige Geschichte der christlichen Deutung des alttestamentlichen Textes ein, setzt aber andererseits insofern einen neuen Akzent, als er in den Gestalten des Bräutigams und der Braut nicht nur Christus und die Kirche sowie Christus und die Einzelseele sieht, sondern das gesamte"Canticum Canticorum" als Gespräch zwischen Christus und Maria versteht und ihm entsprechend den Titel "De incarnatione Domini" gibt, seine Exegese damit also einem einheitlichen Gesichtspunkt unterordnet. Diese marianische Interpretation des Hohenliedes, die die "Menschwerdung des Herrn" in den Mittelpunkt rückt, wirkte über das Mittelalter hinaus weit in die Zukunft hinein. Damit wird nach seinem Frühwerk "De divinis officiis", das bereits in den Fontes Christiani (Bd. 33/1-4) erschienen ist, das zweite Werk Ruperts von Deutz erstmals ins Deutsche übersetzt.