Bittersüß und zutiefst politisch schreibt Dmitrij Kapitelman in seinem neuen Roman über Familie und die (Un-)Möglichkeit der Verständigung in Zeiten alter und neuer Kriege.Eine Familie aus Kyjiw verkauft russische Spezialitäten in Leipzig. Wodka, Pelmeni, SIM-Karten, Matrosenshirts - und ein irgendwie osteuropäisches Zusammengehörigkeitsgefühl. Wobei, Letzteres ist seit dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht mehr zu haben. Die Mutter steht an der Seite Putins. Und ihr Sohn, der keine Sprache mehr als die russische liebt, keinen Menschen mehr als seine Mutter, aber auch keine Stadt mehr als Kyjiw, verzweifelt. Klug ist es nicht von ihm, mitten im Krieg in die Ukraine zurückzufahren. Aber was soll er tun, wenn es nun einmal keinen anderen Weg gibt, um Mama vom Faschismus und den irren russischen Fernsehlügen zurückzuholen? Ein Buch, wie nur Dmitrij Kapitelman es schreiben kann: tragisch, zärtlich und komisch zugleich.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Wenn die Lügen, der Hass, die Gewalt und die wahnwitzige Ignoranz allzu mächtig werden, kann selbst Ironie nichts mehr ausrichten. Für Dimitrij Kapitelman, weiß Rezensent Alex Rühle, war sie über Jahre und Jahrzehnte eine verlässliche, harte, und dennoch agile, "hauchdünne Lebensrüstung". In "Russische Spezialitäten" erzählt Kapitelman bzw. sein Alter Ego, wie diese Rüstung, die so vieles mitgemacht hat - die Flucht aus der Sowjetunion nach Deutschland, den Fremdenhass, die Vorurteile, nun zermürbt wird, durch den Krieg und alles was er mit sich bringt: Das Hadern mit der eigenen russischen Sprache etwa, die zur Sprache der Lügen geworden ist, und dennoch mit ihm verwachsen. Und vor allem: Das zerstörte Vertrauen zwischen dem Protagonisten und seiner Mutter, die sich an Putins Lügen festklammert und die Realität selbst dann noch leugnet, wenn ihr Sohn sie am eigenen Leib erfährt, lesen wir. "Russische Spezialitäten" ist ein tragischer, autobiografischer Roman über "Identitätsfragen in identitätspolitisch hochtoxischen Zeiten", so formuliert es Rühle. Und Kapitelman beendet ihn mit einem bedrückenden Resümee. Für Fans dieses Autors, wie Rühle einer zu sein scheint, trägt dieses traurige Ende aber auch Hoffnung in sich: Die Hoffnung auf das Neue, dem sich Kapitelman nun vielleicht widmen kann, da er sich "biografisch freigeschwommen" hat, so der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Man weiß nie genau, wo das Autobiografische aufhört und das Fiktionale beginnt. Aber letztlich ist das einerlei, denn es geht um universelle Themen: wie man für immer in seiner Sprache beheimatet ist und wie schwierig es ist, ein liebender Sohn zu bleiben.« Sabine Frank, MDR Kultur, 17.03.25 »Ein autobiografischer Roman über Identitätsfragen in identitätspolitisch hochtoxischen Zeiten.« Alex Rühle, SZ Online, 27.02.25 »Kapitelman schreibt mit zärtlichem Blick über die, denen er politisch hart entgegentreten muss. Ein Buch über die Unmöglichkeit der Verständigung, das Verständnis ermöglicht.« Tobias Becker, Der Spiegel, 22.02.25 »Das ist witzig, brillant witzig.« Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau, 21.02.25 »Den Mutter-Sohn-Konflikt erzählt Kapitelman auf tiefgründige, zärtliche Weise und immer mit einem großartigen Gespür für Situationskomik, obwohl die Lage todernst ist. 'Russische Spezialitäten' ist ganz große Literatur.« Björn Hayer, Der Freitag, 20.02.25 »In 'Russische Spezialitäten' erforscht Dmitrij Kapitelman die Beziehung zu seinen Eltern, vor allem zur Mutter; die politischen Kräfte, auch jene in Deutschland, immer im Blick. Er tut dies verzweifelt und zugewandt; liebevoll und verständnislos. Was nach Schwere klingt, liest sich bei Kapitelman dennoch leicht. Weil er ein empathischer Beobachter und Erzähler ist. Weil er sich Worte, Sätze und Szenen ausdenkt, die von liebenswertem Sarkasmus und poetischer Luftigkeit getränkt sind.« Andrea Schwyzer, NDR Kultur, 17.02.25 »Es ist ein sanftes Buch, sehr humorvoll, sehr liebenswert, obwohl es doch ein düsteres Thema hat, aber Kapitelman zaubert aus diesem düsteren Thema ein leichtes, sehr schönes und gleichzeitig auch sehr bewegendes Buch.« Irene Binal, Ö1 ex libris, 16.02.25