Grundlage der vorliegenden Veröffentlichung ist die Frage nach einer möglichen Konzeption für eine europäische Außenpolitik im globalen Rahmen. Im Mittelpunkt steht das Verhältnis Rußlands zur Europäischen Union, konkretisiert in der Frage nach Rußlands Platz in Europa. Der Autor orientiert sich an der Interessenlage Rußlands und liefert eine Situationsbeschreibung, gestützt auf die historisch-kulturellen Erfahrungswerte, die geostrategische Lage und die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Landes.
Einleitend untersucht Manfred Peter die bisher vorhandenen Modelle für die Zusammenarbeit der Europäischen Union mit Drittländern, getrennt nach Modellen im globalen und Modellen im europäischen Rahmen. Im zweiten Teil wird Rußland als »Interessent« an einer Zusammenarbeit mit der Europäischen Union vorgestellt, beginnend mit den Eckdaten des Landes, seiner Geschichte sowie seines Verhältnisses zu Europa in seiner Geschichte und seiner Philosophie. In der daran anschließenden Situationsbeschreibung des Landes, die den Großteil der Arbeit ausmacht, wird analog den Kriterien, die für das Leben eines einzelnen gelten (Lebenserfahrung, Umfeld und finanzielle Ressourcen) eine Analyse der historisch-kulturellen Erfahrungswerte, der geostrategischen Lage und der wirtschaftlichen Möglichkeiten vorgenommen.
Wie kann eine Zusammenarbeit Rußlands mit der Europäischen Union aussehen? Untersucht werden die denkbaren Szenarien der zukünftigen Entwicklung Rußlands, die Perspektive eines Beitritts zur Europäischen Union, die aktuelle Kooperation Rußlands mit der Europäischen Union sowie die Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Zukunft. Dabei entwickelt der Verfasser ein neues Modell der Zusammenarbeit mit Rußland, das sowohl den Interessen Rußlands als auch denen der Europäischen Union entgegenkommen und gleichzeitig als Modell für eine zukünftige Außenpolitik der Europäischen Union im globalen Rahmen dienen könnte.
Einleitend untersucht Manfred Peter die bisher vorhandenen Modelle für die Zusammenarbeit der Europäischen Union mit Drittländern, getrennt nach Modellen im globalen und Modellen im europäischen Rahmen. Im zweiten Teil wird Rußland als »Interessent« an einer Zusammenarbeit mit der Europäischen Union vorgestellt, beginnend mit den Eckdaten des Landes, seiner Geschichte sowie seines Verhältnisses zu Europa in seiner Geschichte und seiner Philosophie. In der daran anschließenden Situationsbeschreibung des Landes, die den Großteil der Arbeit ausmacht, wird analog den Kriterien, die für das Leben eines einzelnen gelten (Lebenserfahrung, Umfeld und finanzielle Ressourcen) eine Analyse der historisch-kulturellen Erfahrungswerte, der geostrategischen Lage und der wirtschaftlichen Möglichkeiten vorgenommen.
Wie kann eine Zusammenarbeit Rußlands mit der Europäischen Union aussehen? Untersucht werden die denkbaren Szenarien der zukünftigen Entwicklung Rußlands, die Perspektive eines Beitritts zur Europäischen Union, die aktuelle Kooperation Rußlands mit der Europäischen Union sowie die Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Zukunft. Dabei entwickelt der Verfasser ein neues Modell der Zusammenarbeit mit Rußland, das sowohl den Interessen Rußlands als auch denen der Europäischen Union entgegenkommen und gleichzeitig als Modell für eine zukünftige Außenpolitik der Europäischen Union im globalen Rahmen dienen könnte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.09.2001Wer sich einen Bären ins Bett holt
Rußland und die Europäische Union
Manfred Peter: Rußlands Platz in Europa. Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2001. 195 Seiten, 98,- Mark.
Eine der Fragen, auf die Rußland in seiner von Irrungen und Wirrungen heimgesuchten Geschichte bis auf den heutigen Tag keine befriedigende Antwort gefunden hat, lautet: Wohin gehören wir Russen eigentlich, wir, die wir in einem Land leben, dessen kontinentale Ausmaße von der Ostsee im Westen bis zum Pazifik im Fernen Osten reichen? Die Intelligenzija slawophiler, westlicher und eurasischer Provenienz ist sich darüber immer wieder in die Haare geraten, bis ihr von den bolschewikischen Gründern der Sowjetunion bedeutet wurde, Rußland sei zum Kernland einer wegweisenden Weltmacht gediehen und habe sich ohne Wenn und Aber als eine solche aufzuführen.
Nach dem Untergang des östlichen Imperiums lebte die besagte Frage indes nicht nur wieder auf, sondern sie erhielt zusätzliches Gewicht durch ein Empfinden, das die einige Jahre später in Sankt Petersburg ermordete Reformpolitikerin Galina Starowojtowa mit den Worten ausdrückte: "Wir sind allein geblieben, und manch einer verspürt das Syndrom des verlassenen Ehemanns, der sich gekränkt fühlt durch den Auszug seiner Frau, an deren Treue er nicht gezweifelt hat. Es ist das Syndrom der verlassenen großen Nation, und es ist allgemein bekannt, wie tragisch sich Kränkungen dieser Art auf den Lauf der Geschichte auswirken."
Allerdings hatte schon Michail Gorbatschow, der letzte Präsident der Sowjetunion, das "gemeinsame Haus Europa" beschworen, an dessen Ausbau sein Land tatkräftig mitwirken werde. Boris Jelzin, der erste frei gewählte russische Präsident, steuerte nach anfänglicher Ausrichtung auf Amerika ebenfalls einen europäischen Kurs. Und sein Nachfolger Wladimir Putin hält es augenscheinlich mehr noch als die früheren Kremlherren mit Europa, wenngleich er in seinem Bemühen um die Rückgewinnung der russischen Großmachtrolle mittels "strategischer Partnerschaften" sehr wohl auch auf die asiatischen Dimensionen seines Landes zu pochen pflegt.
Wenn nicht geographisch, so doch historisch, politisch und kulturell ist Rußland freilich ein vornehmlich dem Alten Kontinent zuzurechnendes Staatswesen. Welchen Platz es im künftigen europäischen Gefüge einnehmen könnte und einnehmen möchte, ist nicht zuletzt angesichts der bevorstehenden neuerlichen EU-Erweiterung eine überaus relevante Frage. Ihr geht Manfred Peter in einer informativen Studie nach, die er allerdings als unabhängig von seiner diesbezüglichen Tätigkeit im Generalsekretariat des Europäischen Parlaments verstanden wissen will.
Der Autor leitet die Suche nach den Möglichkeiten einer stärkeren Einbindung Rußlands in die Europäische Union mit einer stichwortartigen Darstellung der geschichtlichen Ausgangslage des Landes ein. Er wägt die Interessen Rußlands gegenüber denen seiner engeren und weiteren Nachbarschaft ab, beleuchtet die durchaus unterschiedlichen Anliegen anderer ehemaliger Sowjetrepubliken im Hinblick auf die Gestaltung Europas und merkt nicht von ungefähr an, daß Rußland im Vergleich zur Ukraine etwa vom Westen bislang bei aller Skepsis eine Vorzugsbehandlung erfahren habe.
Peters Einschätzung der Aussichten einer engeren Zusammenarbeit innerhalb der postsowjetischen Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) mutet nach allen bisherigen Erfahrungen reichlich optimistisch an. Realistisch ist dagegen sein Befund, daß die Frage eines Beitritts Rußlands zur Europäischen Union schon deswegen nicht ernsthaft diskutiert werden könne, weil es buchstäblich keines der Beitrittskriterien auch nur annähernd erfülle. Aber selbst wenn das eines fernen Tages der Fall sein sollte, bleibt nach Ansicht des Autors "immer noch das Problem des politischen und militärischen ,Übergewichts' des Landes, das bei einem Beitritt die innere Balance der Union - eines der wesentlichen Prinzipien ihrer Existenz überhaupt - gefährden würde".
Was also tun mit Rußland? An Möglichkeiten für einen Ausbau der Beziehungen zwischen Moskau und Brüssel fehlt es sicherlich nicht, zumal bereits ein weitgefächertes Instrumentarium für eine solche Kooperation besteht. Ansonsten aber gilt, daß, wer sich einen Elefanten ins Bett holt, leicht erdrückt wird - vom russischen Bären ganz zu schweigen.
WERNER ADAM
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Rußland und die Europäische Union
Manfred Peter: Rußlands Platz in Europa. Dokumente und Schriften der Europäischen Akademie Otzenhausen. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2001. 195 Seiten, 98,- Mark.
Eine der Fragen, auf die Rußland in seiner von Irrungen und Wirrungen heimgesuchten Geschichte bis auf den heutigen Tag keine befriedigende Antwort gefunden hat, lautet: Wohin gehören wir Russen eigentlich, wir, die wir in einem Land leben, dessen kontinentale Ausmaße von der Ostsee im Westen bis zum Pazifik im Fernen Osten reichen? Die Intelligenzija slawophiler, westlicher und eurasischer Provenienz ist sich darüber immer wieder in die Haare geraten, bis ihr von den bolschewikischen Gründern der Sowjetunion bedeutet wurde, Rußland sei zum Kernland einer wegweisenden Weltmacht gediehen und habe sich ohne Wenn und Aber als eine solche aufzuführen.
Nach dem Untergang des östlichen Imperiums lebte die besagte Frage indes nicht nur wieder auf, sondern sie erhielt zusätzliches Gewicht durch ein Empfinden, das die einige Jahre später in Sankt Petersburg ermordete Reformpolitikerin Galina Starowojtowa mit den Worten ausdrückte: "Wir sind allein geblieben, und manch einer verspürt das Syndrom des verlassenen Ehemanns, der sich gekränkt fühlt durch den Auszug seiner Frau, an deren Treue er nicht gezweifelt hat. Es ist das Syndrom der verlassenen großen Nation, und es ist allgemein bekannt, wie tragisch sich Kränkungen dieser Art auf den Lauf der Geschichte auswirken."
Allerdings hatte schon Michail Gorbatschow, der letzte Präsident der Sowjetunion, das "gemeinsame Haus Europa" beschworen, an dessen Ausbau sein Land tatkräftig mitwirken werde. Boris Jelzin, der erste frei gewählte russische Präsident, steuerte nach anfänglicher Ausrichtung auf Amerika ebenfalls einen europäischen Kurs. Und sein Nachfolger Wladimir Putin hält es augenscheinlich mehr noch als die früheren Kremlherren mit Europa, wenngleich er in seinem Bemühen um die Rückgewinnung der russischen Großmachtrolle mittels "strategischer Partnerschaften" sehr wohl auch auf die asiatischen Dimensionen seines Landes zu pochen pflegt.
Wenn nicht geographisch, so doch historisch, politisch und kulturell ist Rußland freilich ein vornehmlich dem Alten Kontinent zuzurechnendes Staatswesen. Welchen Platz es im künftigen europäischen Gefüge einnehmen könnte und einnehmen möchte, ist nicht zuletzt angesichts der bevorstehenden neuerlichen EU-Erweiterung eine überaus relevante Frage. Ihr geht Manfred Peter in einer informativen Studie nach, die er allerdings als unabhängig von seiner diesbezüglichen Tätigkeit im Generalsekretariat des Europäischen Parlaments verstanden wissen will.
Der Autor leitet die Suche nach den Möglichkeiten einer stärkeren Einbindung Rußlands in die Europäische Union mit einer stichwortartigen Darstellung der geschichtlichen Ausgangslage des Landes ein. Er wägt die Interessen Rußlands gegenüber denen seiner engeren und weiteren Nachbarschaft ab, beleuchtet die durchaus unterschiedlichen Anliegen anderer ehemaliger Sowjetrepubliken im Hinblick auf die Gestaltung Europas und merkt nicht von ungefähr an, daß Rußland im Vergleich zur Ukraine etwa vom Westen bislang bei aller Skepsis eine Vorzugsbehandlung erfahren habe.
Peters Einschätzung der Aussichten einer engeren Zusammenarbeit innerhalb der postsowjetischen Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) mutet nach allen bisherigen Erfahrungen reichlich optimistisch an. Realistisch ist dagegen sein Befund, daß die Frage eines Beitritts Rußlands zur Europäischen Union schon deswegen nicht ernsthaft diskutiert werden könne, weil es buchstäblich keines der Beitrittskriterien auch nur annähernd erfülle. Aber selbst wenn das eines fernen Tages der Fall sein sollte, bleibt nach Ansicht des Autors "immer noch das Problem des politischen und militärischen ,Übergewichts' des Landes, das bei einem Beitritt die innere Balance der Union - eines der wesentlichen Prinzipien ihrer Existenz überhaupt - gefährden würde".
Was also tun mit Rußland? An Möglichkeiten für einen Ausbau der Beziehungen zwischen Moskau und Brüssel fehlt es sicherlich nicht, zumal bereits ein weitgefächertes Instrumentarium für eine solche Kooperation besteht. Ansonsten aber gilt, daß, wer sich einen Elefanten ins Bett holt, leicht erdrückt wird - vom russischen Bären ganz zu schweigen.
WERNER ADAM
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Der Autor Manfred Peter setzt sich mit der Frage auseinander, welchen Platz Russland im künftigen europäischen Gefüge einnehmen könnte. Diese Frage stelle sich insbesondere im Hinblick auf die mögliche Osterweiterung der EU. Die Studie ist nach Meinung des Rezensenten Werner Adam informativ, wenn er auch die Einschätzung des Autors, was eine mögliche engere Zusammenarbeit innerhalb der GUS betrifft, für reichlich optimistisch hält.
© Perlentaucher Medien GmbH
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