"Es gibt keine reichen Engel!" - so fasste der russische Wirtschaftsreformer Jegor Gaidar zusammen, wie sich die "Schocktherapie" der Privatisierung des Staatseigentums - buchstäblich über Nacht - und die Einführung der Marktwirtschaft auf die Mentalität seiner Landsleute in den 1990er Jahren auswirkte: Alle versuchten, ihren Anteil abzubekommen, die zukünftigen Oligarchen rafften die Basis für Ihren Aufstieg zusammen. Währenddessen stürzte eine Rubelkrise Millionen Russen in die Armut. Klaus Heller beschreibt die Entwicklung eines neuen Kapitalismus und einer neuen Unternehmerklasse in Russland während der Präsidentschaft Boris Jelzins (1991 - 1999). Es geht ihm aber auch um die grundsätzliche Frage des Verhältnisses zwischen Privateigentum und Recht in Russland seit der Zeit vor der Revolution von 1917, um das weit zurückreichende schlechte Image des "Kaufmanns" in der russischen Gesellschaft und die kulturellen Voraussetzungen, aus denen sich die neue Geschäftselite, die Oligarchen, entwickeln konnte. Den Band beschließt ein Ausblick auf die Ära Putin, in dem auch thematisiert wird, inwiefern die Erfahrung der im Rückblick als Chaos beschriebenen 1990er Jahre zur breiten Unterstützung innerhalb der Bevölkerung für die Politik des aktuellen Präsidenten beitragen.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Renate Nimtz-Köster findet Klaus Hellers Studie trotz ihres Umfangs und Detailreichtums lesbar und überzeugend. Wie sich während der Jelzin-Jahre in Russland der Kapitalismus entwickelte, kann ihr der Osteuropaexperte und Wirtschaftsforscher Heller in Analysen des Reformjahrzehnts ab 1991 und seiner Vorgeschichte bis zurück ins Zarenreich darlegen. Auch über das Verhältnis von politischer Macht und Privatwirtschaft und die Bevormundung bedeutender Wirtschaftszweige durch die Administration weiß der Autor laut Rezensentin für den Leser gewinnbringend zu berichten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2016Handel
durch Wandel
Wie in der Ära Jelzin die Planwirtschaft abgewickelt
wurde – und welche fatalen Fehler dabei passierten
VON RENATE NIMTZ-KÖSTER
Zwei weiße Marschall-Uniformen und ein Bündel Rubelscheine: Das war angeblich der ganze persönliche Nachlass des Diktators, als ihn 1952 auf seinem Sofa in der Datscha der Schlag ereilte. Josef Stalin, Generalissimus, ZK-Generalsekretär und Regierungschef in einem, hatte zum Geld offenbar kein enges Verhältnis. Wladimir Putin hingegen, sein jetziger Nachfolger im Amt des russischen Präsidenten, weiß Luxus offenbar zu schätzen. Residenzen, Flugzeuge, Yachten – Boris Nemzow, 2015 ermordeter Oppositioneller und ehemaliger Vizepremier, hatte Putins Vermögenswerte einmal aufzulisten versucht. Sein Schluss: „Putin hat längst schon sein Eigenes und das Staatliche miteinander vermischt.“
„Das Staatsbudget für seine eigene Tasche zu halten“ – was Nemzow 2008 Putin vorwarf, kennzeichnet die Wiederkehr des Kapitalismus in Russland, dessen geschichtliche Entwicklung Klaus Heller nachzeichnet. Der Osteuropa- und Wirtschaftsforscher hat „Russlands wilde Jahre“ unmittelbar erlebt, insbesondere in der Ära Jelzin (1991-1999), im Lande selbst und im Austausch mit Wissenschaftlern. Nach den lähmenden Jahren unter alten Generalsekretären und ihrem vergreisten Politbüro hatte der Amtsantritt Michail Gorbatschows 1985 das Land von Grund auf verändert. „Junges Volk,“ so Heller, „selbstbewusst und weltoffen, schob die Alten beiseite und nutzte seine Chancen“. Unter den Parolen „Glasnost“ und „Perestrojka“ kam die Privatisierung in Gang, vollzogen wurde sie erst unter Jelzin, nach der Auflösung der Sowjetunion. Die neuen Russen nutzten ihre Chance, um eigene Geschäfte aufzuziehen, oft illegal und mithilfe von Bestechung. Für herrenlos erklärtes Gut, das sich auch sowjetische Wissenschaftlerkollegen aneigneten, landete in der Hoffnung auf Abnehmer sogar an Hellers Gießener Hochschulinstitut: zum Beispiel Tausende eingesalzene Rinderhäute oder ein Kilo Bienengift.
Wie wurden damals die Weichen in einer Art Schocktherapie gestellt, von Stalins „Kommandowirtschaft“ hin zur „spontanen Privatisierung“, wie wirkte sich die Einführung der Marktwirtschaft auf die Mentalität der Menschen aus? Wie agierten die „roten Direktoren“, die ehemaligen Manager der planwirtschaftlichen Staatsbetriebe, die selbsternannten „Bisnesmeny“ und schließlich die Oligarchen? Heller, Spezialist für russisches Unternehmertum, analysiert nicht nur das Jahrzehnt der radikalen Reformen, sondern auch die Vorgeschichte, mit langem Blick zurück bis ins Zarenreich.
Das Verhältnis von politischer Macht und privatem Wirtschaften unterschied sich in Russland damals wesentlich vom westeuropäischen: Hier fehlte es beispielsweise nicht an Kaufkraft für die Erzeugnisse des Industriezeitalters, das fortlaufend Innovationen hervorbrachte. In Russland konnte sich Unternehmertum von Bauern erst durch die Aufhebung der Leibeigenschaft 1861 entfalten, etwa mit kleinen Textil-Manufakturen wie sie auch schon die einfachen Stadtbewohner betrieben. Regelrechte Kapitalisten waren seit eh und je die russischen Alkohol-Lizenznehmer. Als Prototypen der frühen modernen Unternehmer investierten sie im 19. Jahrhundert in lukrative Neuerungen, etwa den Eisenbahnbau. Eine lange Tradition hatte im zaristischen Russland die administrative Bevormundung wichtiger Wirtschaftszweige, besonders im Bereich von Rohstoffen und Rüstung. Willkür und Bestechung waren dabei an der Tagesordnung.
Private unternehmerische Tätigkeit fiel zwar 1918 der „rotgardistischen Attacke auf das Kapital“ zum Opfer. Gewinnbringende Geschäfte, so merkt Heller an, waren aber in Russland traditionell anrüchig: Der Kaufmann hatte ein schlechtes Image. Er war als gieriger Gauner verschrien, eine Eigenschaft, die als westlich und mit dem orthodoxen Gemeinsinn des russischen Volkes unvereinbar galt. In der Literatur, bei Turgenjew oder auch Ostrowski, traten die Kaufleute als unkultivierte und anrüchige Antihelden auf.
„Es gibt keine reichen Engel“, resümierte Jegor Gaidar, unter dessen Ägide in den 1990er-Jahren die einschneidenden Reformen stattfanden, die Auswirkungen auf seine Landsleute. Jelzin sei von den jungen Experten um Gaidar fasziniert gewesen, schreibt Heller. Er habe nicht „die unerträgliche Zeit weiteren Zögerns wie unter Gorbatschow fortsetzen, sondern Tatsachen schaffen wollen“. Mit genügend Autorität ausgestattet, habe Jelzin 1991 den „grundsätzlichen Wandel des sowjetischen Wirtschaftssystems“ wagen können.
Die wohl größte Fehlleistung dabei war das Versagen gegenüber den roten Direktoren: Für lächerliche Summen rissen die sich ihre eigenen Betriebe unter den Nagel. „Für uns war die Privatisierung Manna vom Himmel“, sagte Bisnesman Kacha Bendukidse in der Financial Times vom 15. Juli 1995: „Wir konnten beim Staat zu günstigen Bedingungen kaufen, was wir wollten“ – für den tausendsten Teil seines tatsächlichen Wertes beispielsweise das größte russische Schwermaschinenwerk Uralmaš. „In meinem früheren Leben“, so der spätere georgische Handelsminister, „war ich Biologe und Kommunist, jetzt bin ich Geschäftsmann und Liberaler.“
Dabei brauchte man nach Jelzins Worten „Millionen Eigentümer und keine Handvoll Millionäre“. Doch der Versuch, das Volksvermögen in Gutscheinen unter die einfachen Leute zu bringen, endete bei galoppierender Inflation und Produktionseinbrüchen im Desaster. Bei einem Nennwert in Höhe von 10 000 Rubeln für jeden Bürger stieß die Voucher-Aktion von vornherein auf große Skepsis. Bereits ein Fernseher hatte damals den Wert von etwa 40 000 Rubeln.
Im Rückblick auf die Jelzin-Ära konstatiert Heller: „Nichts beweist diese Unfertigkeit des wirtschaftlichen und vor allem des politischen Systems eindrücklicher als die Bildung eines halbkriminellen oligarchischen Machtsystems.“ Die Hoffnungen der Oligarchen, dass sie unter Putin ihre politischen Mitspracherechte noch festigen könnten, zerschlugen sich bald. Nach „symbiotischer Nähe zu Jelzin“ wurden sie nun zur Nichteinmischung verpflichtet. Wer sich der neuen Spielregel „Loyalität für die Möglichkeit, reich zu werden“ nicht unterwarf, wurde diszipliniert, unterworfen, verfolgt. So der widerspenstige Michail Chodorkowski: Der Oligarch war auf dem Weg, seinen Erdölkonzern Jukos weltmarktfähig zu machen und nicht nur auszubeuten. Er strebte ein Russland an, das nicht mehr von Bürokraten, sondern von demokratisch legitimierten Politikern geführt werden sollte. Unter Putin mussten Chodorkowski wie auch seine Oligarchenkollegen aus der Jelzin-Zeit einer neuen Geschäftselite weichen, „zumeist Veteranen aus dem Geheimdienst, die ihre Macht als Wirtschaftsführer einzig und allein der Nähe zum Kremlherrn verdanken.“ Die alte Machtvertikale, so resümiert der Autor, sei wiederhergestellt.
Trotz großen Detailreichtums bleibt Hellers umfangreiches Werk lesbar und überzeugend.
Renate Nimtz-Köster hat Romanistik und Slawistik studiert. Sie ist freie Wissenschaftsjournalistin.
Die Oligarchen rühmten sich
ihrer symbiotischen
Nähe zu Boris Jelzin
Für lächerliche Summen rissen
sich die Direktoren die eigenen
Betriebe unter den Nagel
Klaus Heller:
Russlands wilde Jahre
Der neue Kapitalismus
in der Jelzin-Ära.
Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2016.
360 Seiten, 39,90 Euro.
Das war einmal: Die Monumentalplastik „Arbeiter und Kolchosbäuerin“ wurde für die Weltausstellung 1937 in Paris geschaffen. Heute steht das Denkmal aus UdSSR-Zeiten im Norden Moskaus.
Foto: olaf Jandke/Caro
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durch Wandel
Wie in der Ära Jelzin die Planwirtschaft abgewickelt
wurde – und welche fatalen Fehler dabei passierten
VON RENATE NIMTZ-KÖSTER
Zwei weiße Marschall-Uniformen und ein Bündel Rubelscheine: Das war angeblich der ganze persönliche Nachlass des Diktators, als ihn 1952 auf seinem Sofa in der Datscha der Schlag ereilte. Josef Stalin, Generalissimus, ZK-Generalsekretär und Regierungschef in einem, hatte zum Geld offenbar kein enges Verhältnis. Wladimir Putin hingegen, sein jetziger Nachfolger im Amt des russischen Präsidenten, weiß Luxus offenbar zu schätzen. Residenzen, Flugzeuge, Yachten – Boris Nemzow, 2015 ermordeter Oppositioneller und ehemaliger Vizepremier, hatte Putins Vermögenswerte einmal aufzulisten versucht. Sein Schluss: „Putin hat längst schon sein Eigenes und das Staatliche miteinander vermischt.“
„Das Staatsbudget für seine eigene Tasche zu halten“ – was Nemzow 2008 Putin vorwarf, kennzeichnet die Wiederkehr des Kapitalismus in Russland, dessen geschichtliche Entwicklung Klaus Heller nachzeichnet. Der Osteuropa- und Wirtschaftsforscher hat „Russlands wilde Jahre“ unmittelbar erlebt, insbesondere in der Ära Jelzin (1991-1999), im Lande selbst und im Austausch mit Wissenschaftlern. Nach den lähmenden Jahren unter alten Generalsekretären und ihrem vergreisten Politbüro hatte der Amtsantritt Michail Gorbatschows 1985 das Land von Grund auf verändert. „Junges Volk,“ so Heller, „selbstbewusst und weltoffen, schob die Alten beiseite und nutzte seine Chancen“. Unter den Parolen „Glasnost“ und „Perestrojka“ kam die Privatisierung in Gang, vollzogen wurde sie erst unter Jelzin, nach der Auflösung der Sowjetunion. Die neuen Russen nutzten ihre Chance, um eigene Geschäfte aufzuziehen, oft illegal und mithilfe von Bestechung. Für herrenlos erklärtes Gut, das sich auch sowjetische Wissenschaftlerkollegen aneigneten, landete in der Hoffnung auf Abnehmer sogar an Hellers Gießener Hochschulinstitut: zum Beispiel Tausende eingesalzene Rinderhäute oder ein Kilo Bienengift.
Wie wurden damals die Weichen in einer Art Schocktherapie gestellt, von Stalins „Kommandowirtschaft“ hin zur „spontanen Privatisierung“, wie wirkte sich die Einführung der Marktwirtschaft auf die Mentalität der Menschen aus? Wie agierten die „roten Direktoren“, die ehemaligen Manager der planwirtschaftlichen Staatsbetriebe, die selbsternannten „Bisnesmeny“ und schließlich die Oligarchen? Heller, Spezialist für russisches Unternehmertum, analysiert nicht nur das Jahrzehnt der radikalen Reformen, sondern auch die Vorgeschichte, mit langem Blick zurück bis ins Zarenreich.
Das Verhältnis von politischer Macht und privatem Wirtschaften unterschied sich in Russland damals wesentlich vom westeuropäischen: Hier fehlte es beispielsweise nicht an Kaufkraft für die Erzeugnisse des Industriezeitalters, das fortlaufend Innovationen hervorbrachte. In Russland konnte sich Unternehmertum von Bauern erst durch die Aufhebung der Leibeigenschaft 1861 entfalten, etwa mit kleinen Textil-Manufakturen wie sie auch schon die einfachen Stadtbewohner betrieben. Regelrechte Kapitalisten waren seit eh und je die russischen Alkohol-Lizenznehmer. Als Prototypen der frühen modernen Unternehmer investierten sie im 19. Jahrhundert in lukrative Neuerungen, etwa den Eisenbahnbau. Eine lange Tradition hatte im zaristischen Russland die administrative Bevormundung wichtiger Wirtschaftszweige, besonders im Bereich von Rohstoffen und Rüstung. Willkür und Bestechung waren dabei an der Tagesordnung.
Private unternehmerische Tätigkeit fiel zwar 1918 der „rotgardistischen Attacke auf das Kapital“ zum Opfer. Gewinnbringende Geschäfte, so merkt Heller an, waren aber in Russland traditionell anrüchig: Der Kaufmann hatte ein schlechtes Image. Er war als gieriger Gauner verschrien, eine Eigenschaft, die als westlich und mit dem orthodoxen Gemeinsinn des russischen Volkes unvereinbar galt. In der Literatur, bei Turgenjew oder auch Ostrowski, traten die Kaufleute als unkultivierte und anrüchige Antihelden auf.
„Es gibt keine reichen Engel“, resümierte Jegor Gaidar, unter dessen Ägide in den 1990er-Jahren die einschneidenden Reformen stattfanden, die Auswirkungen auf seine Landsleute. Jelzin sei von den jungen Experten um Gaidar fasziniert gewesen, schreibt Heller. Er habe nicht „die unerträgliche Zeit weiteren Zögerns wie unter Gorbatschow fortsetzen, sondern Tatsachen schaffen wollen“. Mit genügend Autorität ausgestattet, habe Jelzin 1991 den „grundsätzlichen Wandel des sowjetischen Wirtschaftssystems“ wagen können.
Die wohl größte Fehlleistung dabei war das Versagen gegenüber den roten Direktoren: Für lächerliche Summen rissen die sich ihre eigenen Betriebe unter den Nagel. „Für uns war die Privatisierung Manna vom Himmel“, sagte Bisnesman Kacha Bendukidse in der Financial Times vom 15. Juli 1995: „Wir konnten beim Staat zu günstigen Bedingungen kaufen, was wir wollten“ – für den tausendsten Teil seines tatsächlichen Wertes beispielsweise das größte russische Schwermaschinenwerk Uralmaš. „In meinem früheren Leben“, so der spätere georgische Handelsminister, „war ich Biologe und Kommunist, jetzt bin ich Geschäftsmann und Liberaler.“
Dabei brauchte man nach Jelzins Worten „Millionen Eigentümer und keine Handvoll Millionäre“. Doch der Versuch, das Volksvermögen in Gutscheinen unter die einfachen Leute zu bringen, endete bei galoppierender Inflation und Produktionseinbrüchen im Desaster. Bei einem Nennwert in Höhe von 10 000 Rubeln für jeden Bürger stieß die Voucher-Aktion von vornherein auf große Skepsis. Bereits ein Fernseher hatte damals den Wert von etwa 40 000 Rubeln.
Im Rückblick auf die Jelzin-Ära konstatiert Heller: „Nichts beweist diese Unfertigkeit des wirtschaftlichen und vor allem des politischen Systems eindrücklicher als die Bildung eines halbkriminellen oligarchischen Machtsystems.“ Die Hoffnungen der Oligarchen, dass sie unter Putin ihre politischen Mitspracherechte noch festigen könnten, zerschlugen sich bald. Nach „symbiotischer Nähe zu Jelzin“ wurden sie nun zur Nichteinmischung verpflichtet. Wer sich der neuen Spielregel „Loyalität für die Möglichkeit, reich zu werden“ nicht unterwarf, wurde diszipliniert, unterworfen, verfolgt. So der widerspenstige Michail Chodorkowski: Der Oligarch war auf dem Weg, seinen Erdölkonzern Jukos weltmarktfähig zu machen und nicht nur auszubeuten. Er strebte ein Russland an, das nicht mehr von Bürokraten, sondern von demokratisch legitimierten Politikern geführt werden sollte. Unter Putin mussten Chodorkowski wie auch seine Oligarchenkollegen aus der Jelzin-Zeit einer neuen Geschäftselite weichen, „zumeist Veteranen aus dem Geheimdienst, die ihre Macht als Wirtschaftsführer einzig und allein der Nähe zum Kremlherrn verdanken.“ Die alte Machtvertikale, so resümiert der Autor, sei wiederhergestellt.
Trotz großen Detailreichtums bleibt Hellers umfangreiches Werk lesbar und überzeugend.
Renate Nimtz-Köster hat Romanistik und Slawistik studiert. Sie ist freie Wissenschaftsjournalistin.
Die Oligarchen rühmten sich
ihrer symbiotischen
Nähe zu Boris Jelzin
Für lächerliche Summen rissen
sich die Direktoren die eigenen
Betriebe unter den Nagel
Klaus Heller:
Russlands wilde Jahre
Der neue Kapitalismus
in der Jelzin-Ära.
Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2016.
360 Seiten, 39,90 Euro.
Das war einmal: Die Monumentalplastik „Arbeiter und Kolchosbäuerin“ wurde für die Weltausstellung 1937 in Paris geschaffen. Heute steht das Denkmal aus UdSSR-Zeiten im Norden Moskaus.
Foto: olaf Jandke/Caro
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