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Populated by many of the most iconic figures of the twentieth-century,'Sacred Causes' provides a brilliant examination of how religion has shaped twentieth-century Europe from the Great War until the modern-day 'War on Terror'. Beginning with the chaotic post-World War I landscape in which religious belief was one way of reordering a world knocked off its axis, 'Sacred Causes' is a sweepingly assured critique of how religion has often been camouflaged by politics. Covering a vast canvas, Burleigh examines the many'secular'religions the twentieth-century produced, analysing how successive…mehr

Produktbeschreibung
Populated by many of the most iconic figures of the twentieth-century,'Sacred Causes' provides a brilliant examination of how religion has shaped twentieth-century Europe from the Great War until the modern-day 'War on Terror'. Beginning with the chaotic post-World War I landscape in which religious belief was one way of reordering a world knocked off its axis, 'Sacred Causes' is a sweepingly assured critique of how religion has often been camouflaged by politics. Covering a vast canvas, Burleigh examines the many'secular'religions the twentieth-century produced, analysing how successive totalitarian leaders fantasised and aped the hierarchy, rites and ritual of the churches in the desire to return to the day where ruler and deity were one. All the many bloody regimes and movements of the century are here, from Stalin's Soviet Union, Hitler's Germany, Mussolini's Italy, Franco's Spain through to the modern scourge of terrorism the current'War on Terror'. Often blackly comic, the book shows how the church has been swayed by - and contributed to - conflicting secular currents. He traces religious beliefs and institutions from a time when the church, disenchanted with both democracy and fascism, began to search for political alternatives. During the Second World War, the churches faced agonising dilemmas, notably how to respond to the Holocaust. Combining the deeper workings of history with an urgent sense of the contemporary relevance of his material, Burleigh challenges his readers to consider why no-one foresaw the religious implications of massive Third World immigration, as well as what is driving current calls for a 'civic religion' with which to counter the terrorist threats which have so shocked the West.
Autorenporträt
Michael Burleigh is Distinguished Research Professor in Modern History at Cardiff University. He is the author of seven well-received books, including `Earthly Powers¿ and `The Third Reich¿, for which he was awarded the Samuel Johnson Prize in 2001.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.05.2008

Am Tisch der Staatsmänner kriegt auch Christus ein Gedeck
Der britische Historiker Michael Burleigh beschreibt in einer 1200-seitigen Synthese die Geschichte des Verhältnisses von Politik und Religion
Noch vor zehn Jahren hätte „Die Geschichte des Kampfes zwischen Politik und Religion von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart” wohl nur bei Spezialisten der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts Interesse gefunden. So lautet der präzis-nüchterne Untertitel des soeben in deutscher Übersetzung erschienenen gewaltigen Werkes „Irdische Mächte, Göttliches Heil” des britischen Historikers Michael Burleigh. Heute ist es – mit 1280 Seiten alles anderes als leserfreundlich – binnen Jahresfrist übersetzt und wird zu Tausenden Exemplaren auf den Markt gebracht. Bücher zur Rolle der Religion in der europäischen Geschichte müssen kein Mauerblümchendasein mehr fristen. Im Gegenteil, wer unter Historikern oder Sozialwissenschaftlern auf öffentliche Wirkung aus ist, der muss sich zur Religion äußern – eine Folge des islamischen Fundamentalismus und der von ihm erzeugten Ratlosigkeit der westlichen Gesellschaften, die eben noch die Überwindung der Religion feierten und die ungeachtet des neu erwachten Interesses an Religion auch heute sich mehrheitlich kaum als religiös oder gar kirchlich charakterisieren würden.
Michael Burleigh gehört allerdings nicht zu den Konjunkturrittern, die ihre wissenschaftlichen Themen nach der Aktualität des Tages wählen. Er liebt es, dicke Bretter zu bohren. So bereits mit der ebenfalls über 1000 Seiten starken Darstellung „Die Zeit des Nationalsozialismus”, die 2000 bei S. Fischer in deutscher Übersetzung erschienen ist. Und Publicity hatte er nicht im Sinn, als er den dort erstmals berührten Zusammenhang von Politik und Religion auf geographisch wie epochal breiterer Basis zu erkunden begann. Im Gegenteil, er war davon überzeugt, schreibt er, mit diesem Thema „im Abseits der historischen Forschung zu arbeiten”. Der islamistische Anschlag auf das World Trade Center im September 2001 machte dann über Nacht aus dem eher akademischen Vorhaben ein aktuelles Thema, das der Orientierung und Selbstvergewisserung der eben noch „religiös unmusikalischen” Western Civilization dienen konnte. Denn die Religions- und Kirchengeschichte Europas und Amerikas war plötzlich nicht mehr antiquarisches Wissen für Anhänger von Orchideenfächern, sondern Kernbestand der – in den Worten des englischen Politikphilosophen Michael Oakeshott – „wirksamen Vergangenheit”, die zu ignorieren sich niemand mehr erlauben konnte.
Burleighs Darstellung wird dem neuen Gewicht seines Themas durchgehend gerecht, jedenfalls die des 19. und 20. Jahrhunderts. Ohne dem Kenner wirklich Neues oder Überraschendes zu bieten, gelingt es ihm in souveräner Kenntnis der internationalen Forschung und ihrer Quelleneditionen, dem Leser ein ebenso differenziertes wie klar konturiertes Panorama des Zusammenspiels von Religion und Politik in Europa und Amerika vom späten 18. bis ins frühe 21. Jahrhundert vor Augen zu stellen. Dass es ihm darüber hinaus gelingt, über diesen weiten epochalen Spannungsbogen hinweg eine nie abbrechende Faszination aufzubauen, liegt zum einen an seiner stets konkreten, mit anschaulichen Beispielen operierenden Darstellungsweise. Zum anderen ist das ein Ergebnis einer konsequent durchgehaltenen europäischen Perspektive, die die gerade hinsichtlich der religiösen Mentalitäten und kirchlichen Institutionen noch stark national geprägten Ausdrucksformen des 19. und 20. Jahrhunderts als Teil einer übergreifenden europäisch-atlantischen Zivilisation begreift – besonders erhellend in Bezug auf den Kulturkampf, den man hierzulande noch stets als eine deutsche Besonderheit zu begreifen geneigt ist.
Am Anfang steht das Zeitalter der Vernunft mit seinem Ringen zwischen Philosophen und dogmatischen Theologen, zwischen ritueller Befestigung königlicher oder altrepublikanischer Herrschaft und rationaler Kritik an den Deo-gratia-Fundamenten des Absolutismus. Die radikale Neubestimmung der öffentlichen Rolle von Religion, speziell ihres Verhältnisses zur Politik, vollzog dann die Französische Revolution. Sie verabschiedete die christliche Offenbarungsreligion Alteuropas, ohne indes auf das einigende Band der Religion überhaupt verzichten zu wollen. Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, Integration im Innern und Abgrenzung nach außen gegenüber den Feinden der Revolution wurden durch die Rousseau’sche Zivil- oder Bürgerreligion gewährleistet, die in weihevollen Festen und Zeremonien das Neue Regime repräsentierte. Und wo das Ancien Régime sich der Loyalität seiner kirchlichen und weltlichen Funktionseliten durch einen Konfessionseid versicherte, da verlangte die revolutionäre Republik unerbittlich den Eid auf die neue Gottheit: „Ich schwöre, der Nation treu zu dienen, mich mit all meiner Kraft für Freiheit, Gleichheit und Unantastbarkeit von Person und Eigentum einzusetzen und für die Wahrung der Gesetze, wenn es notwendig ist, auch mit meinem Leben einzutreten.”
Mit der Restauration kehrten scheinbar die alteuropäischen Verhältnisse wieder: die Heiligen Allianzen, die Religion wieder zum Grundstein der internationalen Ordnung machten, wie ja auch die alteuropäische Pentarchie wiedergekehrt war; die Verbindung von Thron und Altar, die die Herrschenden enger als je gestalteten; eine nach der Entzauberung der Welt durch die Aufklärung kaum noch für möglich gehaltenen Christusmystik, die den russischen Zar Alexander I. bei einem diplomatischen Diner mit Metternich ein eigenes Gedeck für Jesus auflegen ließ. Dass mit all dem aber keineswegs (wie jüngst von einem Spezialisten für das 19. Jahrhundert postuliert) eine „zweite Konfessionalisierung” im Sinne der alteuropäischen strukturellen Verzahnung von Offenbarungsglauben und Orthodoxie mit Gesellschaft und Staat eingetreten war, das macht spätestens die Gleichsetzung von Religion und Regieren bei Louis de Bonald, einem der Begründer der modernen Soziologie, deutlich: „Regieren ist eine richtige Religion: Es hat seine Dogmen, seine Mysterien, seine Priesterschaft.” Dasselbe gilt für den Kulturkampf, der in allen betroffenen europäischen Ländern Staat und Kirche in einem deutlich anderen Verhältnis zeigt als in der Phase alteuropäischer Konfessionalisierung während des 16. und frühen 17. Jahrhunderts.
Deutlicher noch wird der Wandel, den die Beziehungsgeschichte von Religion und Politik nicht nur von der alteuropäischen zur modernen Welt, sondern auch innerhalb der von Burleigh behandelten zwei Jahrhunderte der neuesten Zeit durchlief, bei der Darstellung der atheistischen Ideologien des 19. und den darauf begründeten totalitären Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Denn die Propagierung des „Neuen Menschen” durch russische Revolutionäre oder die Erhebung „Christus von Nazareths zum Vater des Sozialismus” durch englische Arbeiterführer mögen ebenso wie die religiösen Weihefeiern der deutschen Christen oder italienischen Faschisten mit den Traditionen des europäischen Christentums spielen. Das geschieht aber in einem – insbesondere in Bezug auf die gesellschaftliche Stellung von Religion – anders strukturierten gesellschaftlichen und kulturellen System als vor der Aufklärung. Mehr noch, die Religion selbst hat einen Gestaltwandel durchlaufen, und zwar wiederum nicht nur von Alteuropa zur modernen Welt, sondern auch innerhalb der in Burleighs Buch behandelten Zeitspanne.
Wenn – abgesehen von einigen sachlichen Irrtümern, wie namentlich der Behauptung, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation habe „zeitweilig zwei Kontinente umspannt”, die hoffentlich den deutschen Übersetzern und nicht dem englischen Deutschlandbild geschuldet ist! – an Michael Burleighs großem Wurf etwas zu kritisieren ist, dann die nicht hinreichend klare Bestimmung dieses Grundsatzwandels in der Qualität und der „systemischen” Position von Religion innerhalb der verschiedenen Epochen und Phasen der europäischen Geschichte. Das ist die Folge seines Desinteresses an den strukturgeschichtlichen Prägungen des Verhältnisses von Religion und Gesellschaft in der alteuropäischen Christianitas Latina, die für hier behandelte Problemgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts nicht vernachlässigbare Vorgeschichte, sondern inhaltlich weiterwirkende Voraussetzung ist. Diese Beziehungsgeschichte beginnt eben nicht mit der Aufklärung, und es genügt nicht, wie hier in der hinführenden Einleitung, das Problem durch einen geistes- und wissenschaftsgeschichtlichen Aufriss zu bestimmen.
Hinzu kommt, dass sich das Thema nicht, wie bereits der Titel signalisiert, auf den „Kampf zwischen Macht und Heil” einengen lässt, schon gar nicht, wenn man mit „irdischen Mächten” primär die Staaten und deren politische Machthaber meint. Zwar ist das Agonale in diesen Beziehungen nicht zu übersehen, von den antireligiösen Aggressionen der Französischen Revolution (leider wird die ältere Amerikanische Revolution, deren Verhältnis zur Religion doch sehr anders war, nicht mit gleicher Ausführlichkeit behandelt) über die Kulturkampfzeit bis hin zu den „Kirchenkämpfen” der atheistischen Systeme des 20. Jahrhunderts – Nationalsozialismus ebenso wie DDR- und Sowjetkommunismus. Doch macht nicht zuletzt die gegenwärtige Renaissance des Religiösen im Rückblick deutlich, dass es sich bei dem „Kampf zwischen Politik und Religion” eher um ein Oberflächenphänomen handelt, das einen Prozess begleitete, der im Kern eine langfristige Umorganisation und Neubestimmung des Verhältnisses von Religion und Politik bedeutete.
Beide Kräfte hatten Europa vor der Aufklärung über fast zwei Jahrtausende hin in einer Allianz geprägt, die sich allerdings bereits seit dem ausgehenden Mittelalter substantiell veränderte, und zwar in einem komplizierten dialektischen Prozess – in Reformation und Konfessionalisierung durch eine Verstärkung der Allianz, die man gelegentlich als „Resakralisierung” qualifiziert; dann in den inneren wie äußeren Glaubenskriegen des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts, in denen Politik und Religion sich nachgerade fundamentalistisch verschränkten; gefolgt von einer nicht zuletzt durch das Trauma religiös bedingter Gewalt bedingten Wende zu Konvivialität und Toleranz; schließlich in der Aufklärung, die einerseits an Religion desinteressiert war (Friedrich der Große „Jeder soll nach seiner Fasson selig werden”), sich andererseits aber selbst aus dem Religiösen und Theologischen speiste, indem an die Stelle konfessioneller Orthodoxie die vernunftmäßigen Bestimmung des summum bonum und daran orientierte Lebensentwürfe traten.
Eine Kategorie, mit der sich diese Dialektik von Grundsatzwandel von Religion bei gleichzeitigem Fortwirken ihrer gesellschaftlich wie kulturell prägenden Kraft erfassen lässt, ist „Säkularisierung”. Michael Burleigh berührt dieses Phänomen immer wieder, verzichtet aber auf eine genauere methodische oder begriffliche Bestimmung des so gekennzeichneten Prozesses. Ungeachtet aller unter systematischen Gesichtspunkten dagegen vorgebrachten Einwände – etwa von dem Münchner Theologen Friedrich Wilhelm Graf –, erweist sich „Säkularisierung” im geschichtswissenschaftlichen Kontext als eine makrohistorische Interpretations- und Analysekategorie, die wie keine zweite geeignet ist, die genannten Umstrukturierungen in der Beziehungsgeschichte von Religion und Politik, Sakralem und Säkularem zu benennen und das von Burleigh für die jüngeren Jahrhunderte beschriebene Verhältnis von Religion und Macht in den sachlich wie epochal übergreifenden religionssoziologischen Entwicklungszusammenhang zu stellen.
Erst in dieser Perspektive zeigt sich, dass Europa oder die Lateinische Christenheit, wie sich dieser Zivilisationstypus bis ins ausgehende 17. Jahrhundert selbst bezeichnete, von Anfang an auf Säkularisierung angelegt war. Das bedeutete allerdings nicht die plane Überwindung des Sakralen durch das Säkulare, sondern einen langfristigen differenzierten Wandel sowohl in der Struktur und Funktionsweise beider Bereiche als auch und besonders in den Grundlagen ihrer wechselseitigen Beeinflussung. Nicht „Verweltlichung”, sondern „In-die-Welt-Treten” der Religion macht das Wesen dieses Vorganges aus – ein Phänomen, für das Michael Burleighs großes Buch „Irdische Mächte, Göttliches Heil” in jedem Kapitel Dutzende konkrete Beispiele liefert.
Mit einem solchen Ansatz ließe sich auch das bestimmen, was die vorliegende Darstellung nur implizit berührt, nämlich das im globalen Vergleich vergangener und gegenwärtiger Zivilisationstypen Besondere der „westlichen Welt”: Aus der „Lateinischen Christenheit” Alteuropas hervorgegangen, ist dieser Zivilisationstypus über alle Umbrüche hinweg bis heute im Kern dadurch charakterisiert, dass er eine säkulare Moderne hervorgebracht hat, die nicht prinzipiell ohne und schon gar nicht gegen Religion konstruiert ist, sondern einen wesentlichen Teil seiner Dynamik aus der Fähigkeit der christlichen Religion zieht, in die Welt zu gehen und diese zusammen mit nichtreligiösen Kräften zu prägen und in einer Dialektik von Bewahren und Wandel zu gestalten. HEINZ SCHILLING
MICHAEL BURLEIGH: Irdische Mächte, göttliches Heil. Die Geschichte des Kampfes zwischen Politik und Religion von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart. Aus dem Englischen von Klaus Binder u. Bernd Leineweber. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2008. 1280 Seiten, 69,95 Euro.
Vor dem 11. September wäre dies ein Buch für Spezialisten gewesen
Regieren ist eine richtige Religion – es hat seine Dogmen und Priester
Europa war von Anfang an auf Säkularisierung angelegt
Die Last von Thron und Altar bedrückt das französische Volk – so sah es ein Karikaturist, nachdem 1814 unter Ludwig XVIII. die Monarchie wiederhergestellt worden war. Foto: akg-images
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.01.2009

Gegen alle Teufel auf Erden
Michael Burleigh schildert den Kampf des Christentums mit Ersatzreligionen und verteidigt Papst Pius XII.

Auch Staaten und Gesellschaften leben nicht vom Brot allein. Über den untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Politischen und dem Spirituellen ist schon so viel gesagt worden, dass man mit Verwunderung einen zweiteiligen Wälzer zur Hand nimmt, in dem dies noch einmal in breiter Ausführlichkeit geschildert wird. Es ist eine Urfrage der Geisteswissenschaften: War zuerst die Religion oder die Politik? Sicher ist, dass es eine religionsfreie Gesellschaft nie gegeben hat und so wenig geben wird wie Engel mit Flügeln, Teufel mit Schwänzen oder das Einhorn. Das gilt auch und gerade für jene, die das Religiöse geleugnet haben. Man kann sagen: je rabiater, desto religiöser. Protest? Dann ließe sich sagen: nun gut, ideologischer. Heißt das, es gibt nur "Religion" und nicht Christentum, Islam, Buddhismus, Judentum und so weiter? An diesem Punkt lässt der Autor die Katze aus dem Sack: Religion ist das katholische und evangelische Christentum. Mit erstaunlichem Nachdruck erteilt er allen anderen religiösen Konstrukten (teils mit Ausnahme des jüdischen) eine schneidende Abfuhr.

Das Christentum war nie gut. Aber alles andere war schlechter. Das Christentum war Steinbruch für alle ideologischen Verstiegenheiten dieser Welt. Immer wieder hat es versucht, die Menschheit zu bessern - angefangen von den Päpsten bis zu den Arbeiterpriestern in den Londoner Slums. Was wäre Europa ohne die christlich motivierte Sozialpolitik! Es hat in der neueren Geschichte Europas keinen Kaiser, König, Edelmann, Staatsmann und Politiker gegeben, der sich aus dem Zeughaus des Christentums nicht bedient hätte, und sei es nur mit dessen Wortschatz. Unter den Nationalsozialisten brachte es hierin neben Hitler Joseph Goebbels besonders weit - der alten Generation klingt es noch in den Ohren: "Wie in einen Gottesdienst" sollten die Soldaten nach Stalingrad in den "totalen" Krieg ziehen.

Man weiß nicht, wo man bei der Fülle der Ideen, Fakten und Biographien anfangen soll: ob die Aufklärer des 18. Jahrhunderts, die Jakobiner im revolutionären Frankreich, beide Napoleons, Schleiermacher, Arndt, Alexander I. und Madame Krüdener, die Klerikalen, Frühsozialisten, Ultramontanen oder Konservativen aller Couleur im 19. Jahrhundert, die Dichter und Denker aus Russland, England, Frankreich (gelegentlich auch Deutschland, da interessiert Richard Wagner besonders): Es gab in Europa quer durch die vergangenen drei Jahrhunderte einen ununterbrochenen vielstimmigen, oft kakophonen Chor, der um Materialismus und Transzendenz, Dies- und Jenseitiges oder um Fragen kreisten, ob und wie mit dem Papst, den Jesuiten, Jansenisten, religiösen und utopistischen Fanatikern aller Art von ganz links bis extrem rechts umzugehen sei. Unzählig sind die teils absurden Versuche, das Paradies auf Erden zu schaffen - von Morus und Campanella angefangen bis zu den großen totalitären Systemen des 20. und 21. Jahrhunderts.

Alle schufen sie sich ihre Kirchen selbst - sei es, dass die Faschisten ihren Büros in Italien Türme mit Glocken verpassten, die Nationalsozialisten Nürnberg einen "Lichtdom". Das "göttliche Heil" geriet den Menschen ebenso oft zum Unheil wie das "Heil Hitler", und würde Michael Burleigh (wie bewundernswert!) nicht genau wissen, was gut und böse, was wünschens- oder verdammenswert ist: Wir hätten es mit einer gigantischen geistesgeschichtlichen "Relativitätstheorie" zu tun. Glänzend fügt der Autor den Nationalismus des späten 18. und des frühen 19. Jahrhunderts mit den Konfessionen des Christentums zusammen, sieht das Eine aus dem Anderen entstehen (und vergehen?).

Was "Auf dem Altar des Vaterlandes" - so der Titel einer dreißig Jahre alten Studie - zelebriert wurde, waren Selbstbeweihräucherung und Bußfertigkeit ("Helm ab zum Gebet!") , Hybris ("dass ihr mich gefunden habt!" - Hitler), Krieg und Frieden, Freiheit und Terror - im Namen Gottes, der "Vorsehung" oder der eigenen Großartigkeit und prophetischen Kunst. Nie gab es Irdisches ohne Göttliches (oder das, was man dafür hielt), immer hat sich beides gegenseitig hochgeschaukelt, und dies am unerträglichsten, wenn das Christliche verteufelt und verdammt wurde, weil jene, die es taten, selbst teuflisch und verdammt waren. Lenin, Stalin, Hitler: Diese unheiligen drei "Heiligen" ließen sich verehren, anbeten; sie gaben sich als Erlöser der Welt von allem Bösen - und waren zugleich "Kammerjäger" gegen "menschliches Ungeziefer". Lenin war unverweslich, Stalin allwissend, Hitler, "der Mann [besser Arier] aus Nazareth". Unvergessen seine blasphemische Sportpalastrede vom 10. Februar 1933, die mit der "Kraft und der Herrlichkeit und der Gerechtigkeit. Amen" endete. Auch Mussolini gab sich so - bei ihm wirkte es eher lächerlich; man merkte die Absicht. Der "Duce" war "sportlich", spielte und inszenierte sich selbst - und die Italiener hatten Glück im Unglück.

Deutsche und Russen nicht. Um die entscheidende Frage drückt sich Burleigh nämlich: Haben Lenin, Stalin, Hitler und ein paar andere selbst geglaubt, was sie verkündeten? Waren sie wirklich davon überzeugt, jeweils der neue Messias zu sein? Oder haben sie das nur gespielt? Mehr: Kann ein irdischer Mensch das überhaupt spielen? Davon hängt das endgültige Urteil über diese Gestalten ab und das Unglück, das sie über die Welt gebracht haben. Waren sie Inkarnationen des Mephistophelischen im Gewand des Himmlischen - oder hoffnungslose Fälle fürs Irrenhaus? Burleigh bringt eine Fülle von Beispielen für "arme Irre" - Häusser, Dinter, auch Lagarde, Comte, es sind bekannte Namen darunter - aber bei den drei größten Satans hält er sich bedeckt. Vielleicht, weil es keine Antwort geben kann? Dann wüsste man wenigstens gerne: warum?

1953 war auch der letzte dieser drei tot; "god's own country" konnte zum Paradies werden; das der Werktätigen gab es schon, manche weigerten sich, es anzuerkennen, und glaubten an das "Reich des Bösen". Zu einem ordentlichen Paradies gehörte eine ordentliche sowjetische Hölle - nach Stalins Tod offenbar frei vom Oberteufel. Doch das änderte sich andernorts, Teufel kommen immer wieder. Sie brachten erneut Völkermord und Terrorismus. Namen wie Pol Pot, Idi Amin oder Bin Ladin stehen für das Phänomen, dass teuflische Heilande immer wieder nachwachsen; sie sind welthistorisch gesehen unsterblich.

Also fragt es sich, wie die Kirchen mit ihrer jahrhundertelangen Erfahrung damit umgegangen sind und weiterhin umgehen. Beklagenswerten Beispielen von Anpassung, Duckmäusertum stehen mutige "bekennender Christen" gegenüber; frommen Feiglingen christliche Märtyrer - auch das hat es immer gegeben. Die Amtskirchen, und das ist ein überraschendes Ergebnis dieser gewaltigen Studie, waren dabei oft besser als ihr Ruf, das gilt insbesondere auch für den Heiligen Stuhl, dem man im 19. Jahrhundert so zynisch und brutal mitgespielt hat. Der Verlust der irdischen Macht hat die himmlische des Vatikans gestärkt. Je weniger der Papst in die machtpolitische Waagschale werfen konnte, desto schwerer wog sein moralisches Gewicht.

Geradezu flammend verteidigt Burleigh sowohl Pius XI. als auch Pius XII.: Beide Päpste haben sowohl in der Theorie mit ihren Enzykliken (etwa "Mit brennender Sorge") als auch in der Praxis mutig und konsequent den sich als "Ersatzreligion" gebärdenden Nationalsozialismus bekämpft, sich gegen die NS-Idee vom "unwerten Leben", gegen Rassismus, Antisemitismus vehement gewehrt. Im beschränkten Rahmen seiner Möglichkeiten hat der Vatikan verfolgten Juden geholfen, selbst wenn der Papst zum "Schweigen" verdammt war, um alles nicht noch schlimmer zu machen. Aber geholfen hat das selbst gegen die kleinen Potentaten wie den slowakischen Staatspräsidenten Tiso keineswegs. "Jeder wird verstehen", schrieb der Untersekretär Tardini an den Vatikan, "dass der Heilige Stuhl einen Hitler nicht gefügig machen kann. Aber wer wird verstehen, dass wir nicht einmal einen Priester lenken können?" Gerade diese Beispiele (Tuka, Pawelitsch zählen dazu ) zeigen, dass - wie in uralten Zeiten - auch rabiater "Katholizismus" Unheil, Mord und Totschlag heraufbeschwören konnte.

War der Protestantismus besser? Mitnichten, das "Kontrastbild" fällt finster aus: Protestantismus und Nationalsozialismus gingen oft eine unheilige Verbindung ein; nur wenige evangelische Christen gab es, die unerschrocken widerstanden - man kennt die bekannten Namen von Niemöller bis Bonhoeffer. Man muss genau hinsehen, wenn einer "Heil!" schreit. Es mag Jesus sein. Oder der Teufel.

MICHAEL SALEWSKI

Michael Burleigh: Irdische Mächte, göttliches Heil. Die Geschichte des Kampfes zwischen Politik und Religion von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart. Deutsche Verlagsanstalt, München 2008. 1280 S., 69,95 [Euro].

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