Populated by many of the most iconic figures of the twentieth-century,'Sacred Causes' provides a brilliant examination of how religion has shaped twentieth-century Europe from the Great War until the modern-day 'War on Terror'. Beginning with the chaotic post-World War I landscape in which religious belief was one way of reordering a world knocked off its axis, 'Sacred Causes' is a sweepingly assured critique of how religion has often been camouflaged by politics. Covering a vast canvas, Burleigh examines the many'secular'religions the twentieth-century produced, analysing how successive totalitarian leaders fantasised and aped the hierarchy, rites and ritual of the churches in the desire to return to the day where ruler and deity were one. All the many bloody regimes and movements of the century are here, from Stalin's Soviet Union, Hitler's Germany, Mussolini's Italy, Franco's Spain through to the modern scourge of terrorism the current'War on Terror'. Often blackly comic, the book shows how the church has been swayed by - and contributed to - conflicting secular currents. He traces religious beliefs and institutions from a time when the church, disenchanted with both democracy and fascism, began to search for political alternatives. During the Second World War, the churches faced agonising dilemmas, notably how to respond to the Holocaust. Combining the deeper workings of history with an urgent sense of the contemporary relevance of his material, Burleigh challenges his readers to consider why no-one foresaw the religious implications of massive Third World immigration, as well as what is driving current calls for a 'civic religion' with which to counter the terrorist threats which have so shocked the West.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.01.2009Gegen alle Teufel auf Erden
Michael Burleigh schildert den Kampf des Christentums mit Ersatzreligionen und verteidigt Papst Pius XII.
Auch Staaten und Gesellschaften leben nicht vom Brot allein. Über den untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Politischen und dem Spirituellen ist schon so viel gesagt worden, dass man mit Verwunderung einen zweiteiligen Wälzer zur Hand nimmt, in dem dies noch einmal in breiter Ausführlichkeit geschildert wird. Es ist eine Urfrage der Geisteswissenschaften: War zuerst die Religion oder die Politik? Sicher ist, dass es eine religionsfreie Gesellschaft nie gegeben hat und so wenig geben wird wie Engel mit Flügeln, Teufel mit Schwänzen oder das Einhorn. Das gilt auch und gerade für jene, die das Religiöse geleugnet haben. Man kann sagen: je rabiater, desto religiöser. Protest? Dann ließe sich sagen: nun gut, ideologischer. Heißt das, es gibt nur "Religion" und nicht Christentum, Islam, Buddhismus, Judentum und so weiter? An diesem Punkt lässt der Autor die Katze aus dem Sack: Religion ist das katholische und evangelische Christentum. Mit erstaunlichem Nachdruck erteilt er allen anderen religiösen Konstrukten (teils mit Ausnahme des jüdischen) eine schneidende Abfuhr.
Das Christentum war nie gut. Aber alles andere war schlechter. Das Christentum war Steinbruch für alle ideologischen Verstiegenheiten dieser Welt. Immer wieder hat es versucht, die Menschheit zu bessern - angefangen von den Päpsten bis zu den Arbeiterpriestern in den Londoner Slums. Was wäre Europa ohne die christlich motivierte Sozialpolitik! Es hat in der neueren Geschichte Europas keinen Kaiser, König, Edelmann, Staatsmann und Politiker gegeben, der sich aus dem Zeughaus des Christentums nicht bedient hätte, und sei es nur mit dessen Wortschatz. Unter den Nationalsozialisten brachte es hierin neben Hitler Joseph Goebbels besonders weit - der alten Generation klingt es noch in den Ohren: "Wie in einen Gottesdienst" sollten die Soldaten nach Stalingrad in den "totalen" Krieg ziehen.
Man weiß nicht, wo man bei der Fülle der Ideen, Fakten und Biographien anfangen soll: ob die Aufklärer des 18. Jahrhunderts, die Jakobiner im revolutionären Frankreich, beide Napoleons, Schleiermacher, Arndt, Alexander I. und Madame Krüdener, die Klerikalen, Frühsozialisten, Ultramontanen oder Konservativen aller Couleur im 19. Jahrhundert, die Dichter und Denker aus Russland, England, Frankreich (gelegentlich auch Deutschland, da interessiert Richard Wagner besonders): Es gab in Europa quer durch die vergangenen drei Jahrhunderte einen ununterbrochenen vielstimmigen, oft kakophonen Chor, der um Materialismus und Transzendenz, Dies- und Jenseitiges oder um Fragen kreisten, ob und wie mit dem Papst, den Jesuiten, Jansenisten, religiösen und utopistischen Fanatikern aller Art von ganz links bis extrem rechts umzugehen sei. Unzählig sind die teils absurden Versuche, das Paradies auf Erden zu schaffen - von Morus und Campanella angefangen bis zu den großen totalitären Systemen des 20. und 21. Jahrhunderts.
Alle schufen sie sich ihre Kirchen selbst - sei es, dass die Faschisten ihren Büros in Italien Türme mit Glocken verpassten, die Nationalsozialisten Nürnberg einen "Lichtdom". Das "göttliche Heil" geriet den Menschen ebenso oft zum Unheil wie das "Heil Hitler", und würde Michael Burleigh (wie bewundernswert!) nicht genau wissen, was gut und böse, was wünschens- oder verdammenswert ist: Wir hätten es mit einer gigantischen geistesgeschichtlichen "Relativitätstheorie" zu tun. Glänzend fügt der Autor den Nationalismus des späten 18. und des frühen 19. Jahrhunderts mit den Konfessionen des Christentums zusammen, sieht das Eine aus dem Anderen entstehen (und vergehen?).
Was "Auf dem Altar des Vaterlandes" - so der Titel einer dreißig Jahre alten Studie - zelebriert wurde, waren Selbstbeweihräucherung und Bußfertigkeit ("Helm ab zum Gebet!") , Hybris ("dass ihr mich gefunden habt!" - Hitler), Krieg und Frieden, Freiheit und Terror - im Namen Gottes, der "Vorsehung" oder der eigenen Großartigkeit und prophetischen Kunst. Nie gab es Irdisches ohne Göttliches (oder das, was man dafür hielt), immer hat sich beides gegenseitig hochgeschaukelt, und dies am unerträglichsten, wenn das Christliche verteufelt und verdammt wurde, weil jene, die es taten, selbst teuflisch und verdammt waren. Lenin, Stalin, Hitler: Diese unheiligen drei "Heiligen" ließen sich verehren, anbeten; sie gaben sich als Erlöser der Welt von allem Bösen - und waren zugleich "Kammerjäger" gegen "menschliches Ungeziefer". Lenin war unverweslich, Stalin allwissend, Hitler, "der Mann [besser Arier] aus Nazareth". Unvergessen seine blasphemische Sportpalastrede vom 10. Februar 1933, die mit der "Kraft und der Herrlichkeit und der Gerechtigkeit. Amen" endete. Auch Mussolini gab sich so - bei ihm wirkte es eher lächerlich; man merkte die Absicht. Der "Duce" war "sportlich", spielte und inszenierte sich selbst - und die Italiener hatten Glück im Unglück.
Deutsche und Russen nicht. Um die entscheidende Frage drückt sich Burleigh nämlich: Haben Lenin, Stalin, Hitler und ein paar andere selbst geglaubt, was sie verkündeten? Waren sie wirklich davon überzeugt, jeweils der neue Messias zu sein? Oder haben sie das nur gespielt? Mehr: Kann ein irdischer Mensch das überhaupt spielen? Davon hängt das endgültige Urteil über diese Gestalten ab und das Unglück, das sie über die Welt gebracht haben. Waren sie Inkarnationen des Mephistophelischen im Gewand des Himmlischen - oder hoffnungslose Fälle fürs Irrenhaus? Burleigh bringt eine Fülle von Beispielen für "arme Irre" - Häusser, Dinter, auch Lagarde, Comte, es sind bekannte Namen darunter - aber bei den drei größten Satans hält er sich bedeckt. Vielleicht, weil es keine Antwort geben kann? Dann wüsste man wenigstens gerne: warum?
1953 war auch der letzte dieser drei tot; "god's own country" konnte zum Paradies werden; das der Werktätigen gab es schon, manche weigerten sich, es anzuerkennen, und glaubten an das "Reich des Bösen". Zu einem ordentlichen Paradies gehörte eine ordentliche sowjetische Hölle - nach Stalins Tod offenbar frei vom Oberteufel. Doch das änderte sich andernorts, Teufel kommen immer wieder. Sie brachten erneut Völkermord und Terrorismus. Namen wie Pol Pot, Idi Amin oder Bin Ladin stehen für das Phänomen, dass teuflische Heilande immer wieder nachwachsen; sie sind welthistorisch gesehen unsterblich.
Also fragt es sich, wie die Kirchen mit ihrer jahrhundertelangen Erfahrung damit umgegangen sind und weiterhin umgehen. Beklagenswerten Beispielen von Anpassung, Duckmäusertum stehen mutige "bekennender Christen" gegenüber; frommen Feiglingen christliche Märtyrer - auch das hat es immer gegeben. Die Amtskirchen, und das ist ein überraschendes Ergebnis dieser gewaltigen Studie, waren dabei oft besser als ihr Ruf, das gilt insbesondere auch für den Heiligen Stuhl, dem man im 19. Jahrhundert so zynisch und brutal mitgespielt hat. Der Verlust der irdischen Macht hat die himmlische des Vatikans gestärkt. Je weniger der Papst in die machtpolitische Waagschale werfen konnte, desto schwerer wog sein moralisches Gewicht.
Geradezu flammend verteidigt Burleigh sowohl Pius XI. als auch Pius XII.: Beide Päpste haben sowohl in der Theorie mit ihren Enzykliken (etwa "Mit brennender Sorge") als auch in der Praxis mutig und konsequent den sich als "Ersatzreligion" gebärdenden Nationalsozialismus bekämpft, sich gegen die NS-Idee vom "unwerten Leben", gegen Rassismus, Antisemitismus vehement gewehrt. Im beschränkten Rahmen seiner Möglichkeiten hat der Vatikan verfolgten Juden geholfen, selbst wenn der Papst zum "Schweigen" verdammt war, um alles nicht noch schlimmer zu machen. Aber geholfen hat das selbst gegen die kleinen Potentaten wie den slowakischen Staatspräsidenten Tiso keineswegs. "Jeder wird verstehen", schrieb der Untersekretär Tardini an den Vatikan, "dass der Heilige Stuhl einen Hitler nicht gefügig machen kann. Aber wer wird verstehen, dass wir nicht einmal einen Priester lenken können?" Gerade diese Beispiele (Tuka, Pawelitsch zählen dazu ) zeigen, dass - wie in uralten Zeiten - auch rabiater "Katholizismus" Unheil, Mord und Totschlag heraufbeschwören konnte.
War der Protestantismus besser? Mitnichten, das "Kontrastbild" fällt finster aus: Protestantismus und Nationalsozialismus gingen oft eine unheilige Verbindung ein; nur wenige evangelische Christen gab es, die unerschrocken widerstanden - man kennt die bekannten Namen von Niemöller bis Bonhoeffer. Man muss genau hinsehen, wenn einer "Heil!" schreit. Es mag Jesus sein. Oder der Teufel.
MICHAEL SALEWSKI
Michael Burleigh: Irdische Mächte, göttliches Heil. Die Geschichte des Kampfes zwischen Politik und Religion von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart. Deutsche Verlagsanstalt, München 2008. 1280 S., 69,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Michael Burleigh schildert den Kampf des Christentums mit Ersatzreligionen und verteidigt Papst Pius XII.
Auch Staaten und Gesellschaften leben nicht vom Brot allein. Über den untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Politischen und dem Spirituellen ist schon so viel gesagt worden, dass man mit Verwunderung einen zweiteiligen Wälzer zur Hand nimmt, in dem dies noch einmal in breiter Ausführlichkeit geschildert wird. Es ist eine Urfrage der Geisteswissenschaften: War zuerst die Religion oder die Politik? Sicher ist, dass es eine religionsfreie Gesellschaft nie gegeben hat und so wenig geben wird wie Engel mit Flügeln, Teufel mit Schwänzen oder das Einhorn. Das gilt auch und gerade für jene, die das Religiöse geleugnet haben. Man kann sagen: je rabiater, desto religiöser. Protest? Dann ließe sich sagen: nun gut, ideologischer. Heißt das, es gibt nur "Religion" und nicht Christentum, Islam, Buddhismus, Judentum und so weiter? An diesem Punkt lässt der Autor die Katze aus dem Sack: Religion ist das katholische und evangelische Christentum. Mit erstaunlichem Nachdruck erteilt er allen anderen religiösen Konstrukten (teils mit Ausnahme des jüdischen) eine schneidende Abfuhr.
Das Christentum war nie gut. Aber alles andere war schlechter. Das Christentum war Steinbruch für alle ideologischen Verstiegenheiten dieser Welt. Immer wieder hat es versucht, die Menschheit zu bessern - angefangen von den Päpsten bis zu den Arbeiterpriestern in den Londoner Slums. Was wäre Europa ohne die christlich motivierte Sozialpolitik! Es hat in der neueren Geschichte Europas keinen Kaiser, König, Edelmann, Staatsmann und Politiker gegeben, der sich aus dem Zeughaus des Christentums nicht bedient hätte, und sei es nur mit dessen Wortschatz. Unter den Nationalsozialisten brachte es hierin neben Hitler Joseph Goebbels besonders weit - der alten Generation klingt es noch in den Ohren: "Wie in einen Gottesdienst" sollten die Soldaten nach Stalingrad in den "totalen" Krieg ziehen.
Man weiß nicht, wo man bei der Fülle der Ideen, Fakten und Biographien anfangen soll: ob die Aufklärer des 18. Jahrhunderts, die Jakobiner im revolutionären Frankreich, beide Napoleons, Schleiermacher, Arndt, Alexander I. und Madame Krüdener, die Klerikalen, Frühsozialisten, Ultramontanen oder Konservativen aller Couleur im 19. Jahrhundert, die Dichter und Denker aus Russland, England, Frankreich (gelegentlich auch Deutschland, da interessiert Richard Wagner besonders): Es gab in Europa quer durch die vergangenen drei Jahrhunderte einen ununterbrochenen vielstimmigen, oft kakophonen Chor, der um Materialismus und Transzendenz, Dies- und Jenseitiges oder um Fragen kreisten, ob und wie mit dem Papst, den Jesuiten, Jansenisten, religiösen und utopistischen Fanatikern aller Art von ganz links bis extrem rechts umzugehen sei. Unzählig sind die teils absurden Versuche, das Paradies auf Erden zu schaffen - von Morus und Campanella angefangen bis zu den großen totalitären Systemen des 20. und 21. Jahrhunderts.
Alle schufen sie sich ihre Kirchen selbst - sei es, dass die Faschisten ihren Büros in Italien Türme mit Glocken verpassten, die Nationalsozialisten Nürnberg einen "Lichtdom". Das "göttliche Heil" geriet den Menschen ebenso oft zum Unheil wie das "Heil Hitler", und würde Michael Burleigh (wie bewundernswert!) nicht genau wissen, was gut und böse, was wünschens- oder verdammenswert ist: Wir hätten es mit einer gigantischen geistesgeschichtlichen "Relativitätstheorie" zu tun. Glänzend fügt der Autor den Nationalismus des späten 18. und des frühen 19. Jahrhunderts mit den Konfessionen des Christentums zusammen, sieht das Eine aus dem Anderen entstehen (und vergehen?).
Was "Auf dem Altar des Vaterlandes" - so der Titel einer dreißig Jahre alten Studie - zelebriert wurde, waren Selbstbeweihräucherung und Bußfertigkeit ("Helm ab zum Gebet!") , Hybris ("dass ihr mich gefunden habt!" - Hitler), Krieg und Frieden, Freiheit und Terror - im Namen Gottes, der "Vorsehung" oder der eigenen Großartigkeit und prophetischen Kunst. Nie gab es Irdisches ohne Göttliches (oder das, was man dafür hielt), immer hat sich beides gegenseitig hochgeschaukelt, und dies am unerträglichsten, wenn das Christliche verteufelt und verdammt wurde, weil jene, die es taten, selbst teuflisch und verdammt waren. Lenin, Stalin, Hitler: Diese unheiligen drei "Heiligen" ließen sich verehren, anbeten; sie gaben sich als Erlöser der Welt von allem Bösen - und waren zugleich "Kammerjäger" gegen "menschliches Ungeziefer". Lenin war unverweslich, Stalin allwissend, Hitler, "der Mann [besser Arier] aus Nazareth". Unvergessen seine blasphemische Sportpalastrede vom 10. Februar 1933, die mit der "Kraft und der Herrlichkeit und der Gerechtigkeit. Amen" endete. Auch Mussolini gab sich so - bei ihm wirkte es eher lächerlich; man merkte die Absicht. Der "Duce" war "sportlich", spielte und inszenierte sich selbst - und die Italiener hatten Glück im Unglück.
Deutsche und Russen nicht. Um die entscheidende Frage drückt sich Burleigh nämlich: Haben Lenin, Stalin, Hitler und ein paar andere selbst geglaubt, was sie verkündeten? Waren sie wirklich davon überzeugt, jeweils der neue Messias zu sein? Oder haben sie das nur gespielt? Mehr: Kann ein irdischer Mensch das überhaupt spielen? Davon hängt das endgültige Urteil über diese Gestalten ab und das Unglück, das sie über die Welt gebracht haben. Waren sie Inkarnationen des Mephistophelischen im Gewand des Himmlischen - oder hoffnungslose Fälle fürs Irrenhaus? Burleigh bringt eine Fülle von Beispielen für "arme Irre" - Häusser, Dinter, auch Lagarde, Comte, es sind bekannte Namen darunter - aber bei den drei größten Satans hält er sich bedeckt. Vielleicht, weil es keine Antwort geben kann? Dann wüsste man wenigstens gerne: warum?
1953 war auch der letzte dieser drei tot; "god's own country" konnte zum Paradies werden; das der Werktätigen gab es schon, manche weigerten sich, es anzuerkennen, und glaubten an das "Reich des Bösen". Zu einem ordentlichen Paradies gehörte eine ordentliche sowjetische Hölle - nach Stalins Tod offenbar frei vom Oberteufel. Doch das änderte sich andernorts, Teufel kommen immer wieder. Sie brachten erneut Völkermord und Terrorismus. Namen wie Pol Pot, Idi Amin oder Bin Ladin stehen für das Phänomen, dass teuflische Heilande immer wieder nachwachsen; sie sind welthistorisch gesehen unsterblich.
Also fragt es sich, wie die Kirchen mit ihrer jahrhundertelangen Erfahrung damit umgegangen sind und weiterhin umgehen. Beklagenswerten Beispielen von Anpassung, Duckmäusertum stehen mutige "bekennender Christen" gegenüber; frommen Feiglingen christliche Märtyrer - auch das hat es immer gegeben. Die Amtskirchen, und das ist ein überraschendes Ergebnis dieser gewaltigen Studie, waren dabei oft besser als ihr Ruf, das gilt insbesondere auch für den Heiligen Stuhl, dem man im 19. Jahrhundert so zynisch und brutal mitgespielt hat. Der Verlust der irdischen Macht hat die himmlische des Vatikans gestärkt. Je weniger der Papst in die machtpolitische Waagschale werfen konnte, desto schwerer wog sein moralisches Gewicht.
Geradezu flammend verteidigt Burleigh sowohl Pius XI. als auch Pius XII.: Beide Päpste haben sowohl in der Theorie mit ihren Enzykliken (etwa "Mit brennender Sorge") als auch in der Praxis mutig und konsequent den sich als "Ersatzreligion" gebärdenden Nationalsozialismus bekämpft, sich gegen die NS-Idee vom "unwerten Leben", gegen Rassismus, Antisemitismus vehement gewehrt. Im beschränkten Rahmen seiner Möglichkeiten hat der Vatikan verfolgten Juden geholfen, selbst wenn der Papst zum "Schweigen" verdammt war, um alles nicht noch schlimmer zu machen. Aber geholfen hat das selbst gegen die kleinen Potentaten wie den slowakischen Staatspräsidenten Tiso keineswegs. "Jeder wird verstehen", schrieb der Untersekretär Tardini an den Vatikan, "dass der Heilige Stuhl einen Hitler nicht gefügig machen kann. Aber wer wird verstehen, dass wir nicht einmal einen Priester lenken können?" Gerade diese Beispiele (Tuka, Pawelitsch zählen dazu ) zeigen, dass - wie in uralten Zeiten - auch rabiater "Katholizismus" Unheil, Mord und Totschlag heraufbeschwören konnte.
War der Protestantismus besser? Mitnichten, das "Kontrastbild" fällt finster aus: Protestantismus und Nationalsozialismus gingen oft eine unheilige Verbindung ein; nur wenige evangelische Christen gab es, die unerschrocken widerstanden - man kennt die bekannten Namen von Niemöller bis Bonhoeffer. Man muss genau hinsehen, wenn einer "Heil!" schreit. Es mag Jesus sein. Oder der Teufel.
MICHAEL SALEWSKI
Michael Burleigh: Irdische Mächte, göttliches Heil. Die Geschichte des Kampfes zwischen Politik und Religion von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart. Deutsche Verlagsanstalt, München 2008. 1280 S., 69,95 [Euro].
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