Die drei grossen Gedichte des San Juan de la Cruz (1542-1591) gelten als Glanzlichter der spanischen Mystik. Auf semiotischer und kulturanthropologischer Grundlage werden jene rätselhaften Texte erschlossen, denen theologischer Sinn zugeschrieben wurde, wiewohl das Wort 'Gott' darin nicht vorkommt. Ihre immanente Poetik wird nunmehr (re-)konstruiert im Rückgriff auf die allegorische Exegese des Hohenlieds, auf die negative Theologie des Dionysius vom Areopag und auf J. Derridas Philosophie der Dekonstruktion. Den anthropologischen Horizont bildet G. Batailles Theorie des erotischen Exzesses und der unproduktiven Verausgabung, wie sie bereits in der Deutung des Kreuzesopfers durch die Osterliturgie angelegt ist. Noche oscura, Cántico espiritual und Llama de amor viva sind demnach lesbar als hoch komplexe Allegorien des Liebesopfers, der Liebeskunst und der Liebeswunde. Indem der mystische Dichter den fleischlichen Sinn der geistlichen Gottesliebe bis in die erotischen Perversionenhinein ausbuchstabiert und zugleich allegorisch durchkreuzt, performiert er ein radikales 'Buchstabenopfer', das auf 'nichts' (spanisch nada) anderes verweist denn auf die unsagbare Erfahrung des unsichtbaren Anderen.
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