Die Annahme einer Binarität von dem Säkularen versus dem Religiösen beruht letztlich noch auf dem Mythos des 19. Jahrhunderts: Die wieder erstarkte Papstkirche benötigte für ihren Mythos von der Enteignung (Säkularisation, Säkularisierung) genuin religiöser Bereiche durch die Französische Republik eine Definition, die menschlichen Zugriffen sakrosankt enthoben ist. Während Religion sich demnach durch den Bezug auf die metaphysische Transzendenz definiere, zeigen die Beiträge des vorliegenden Bandes, dass der Transzendenzbezug als Alleinstellungsmerkmal entfällt, sobald die pluralen Religionskulturen in den Blick kommen. Das heißt nicht, dass (emische) utopische und eschatologische Elemente aus der Analyse herausfallen. Aber auch sogenannte säkulare Sinnstifter kennen in modernen Gesellschaften transzendente Bezüge wie die Naturgesetze, die Weltrevolution, die Menschenrechte, den Fortschritt durch Wachstum oder die Rettung des blauen Planeten vor dem Anthropozän, die auch, aber nicht zwingend, als religiöse Bezüge beobachtbar sind.