Erstmals erscheint auf Deutsch Sarah Kanes viel beschriebenes Gesamtwerk in einem Band, der neben Zerbombt (1995), Phaidras Liebe (1996), Gesäubert (1998) und Gier (1998) auch das bisher unveröffentlichte, posthum uraufgeführte Stück 4.48 Psychosis enthält und um ein biographisches Nachwort ergänzt wird. Deutlich wird zugleich Kanes Spannbreite - von den spektakulären, apokalyptischen Horrorszenarien ihrer drei ersten Stücke hin zur "wunderbaren, befremdlichen Sprachkomposition aus Zustandsbeschreibung, Lebensregeln, Story-Fetzen, Liebesverlangen, Liebesekel und Todessehnsucht" (Der Spiegel) ihrer beiden letzten Werke. Mit der Wucht griechischer Tragödien, großer Schönheit und Radikalität kriesen ihre Stücke um Liebe und Gewalt, Einsamkeit und die Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Dass Theaterstücke rezensiert werden, ist selten. Im vorliegenden Fall mag das daran liegen, dass die Autorin spektakuläre Stücke geschrieben und sich das Leben genommen hat. Katrin Bettina Müller kann der Versuchung nicht widerstehen, die Stücke im Rückblick auf eine Entwicklung und auf den Selbstmord hin zu lesen. Aber schon das Lesen stellt ein schwieriges Unterfangen dar, denn Kanes Stücke lesen und dabei still sitzen bleiben, sei ein Ding der Unmöglichkeit, meint Müller. Diese drastische, brutale, staccatohafte Sprache "will geschrieen werden", schreibt sie. Die Figuren von Kanes Stücken fürchteten nichts so sehr wie den Kontrollverlust über ihre Gefühle. Kanes Sprache ziele deswegen auf unmittelbare Schmerzerzeugung. Bloß die beiden letzten Stücke, "Gier" und "4.48 Psychose", letzteres posthum veröffentlicht und von Durs Grünbein übersetzt, erscheinen Müller zugänglicher als die früheren Stücke, die Sprache sei trotz ihrer Kürze musikalischer und poetischer. "4.48 Psychose" handele von einer Depression und der Angst, durch Therapie die Wut als produktiven Faktor zu verlieren. Für eine Nihilistin sei dies schon eine niederschmetternde Erkenntnis, schließt Müller, dass sich Wut ebenso ausbeuten lasse wie etwa der Glaube.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Keine zornige Prophetin der Gewalt, vielmehr Dichterin eines untröstlichen Liebesverlangens. Eine große Autorin des zeitgenössischen Theaters. Der Spiegel