Balls anspruchsvolles Dada-Vermächtnis fordert zu immer neuen Deutungen heraus.Es war die aufregendste Zeit in Hugo Balls Leben - und eine wichtige für die Kulturgeschichte. Nachdem er 1915 mit Emmy Hennings in die Schweiz emigriert war, erhielten die beiden ein Engagement bei Flamingos Maxim-Ensemble, bevor sie Anfang 1916 mit dem Cabaret Voltaire ihre eigene Spielstätte eröffneten, wo nur wenig später die Dada-Bewegung entstand. Hugo Balls erzählende Prosa geht unmittelbar auf diese Zeit ein. In »Flametti oder Vom Dandysmus der Armen« werden die Erlebnisse im Varieté geschildert, es gibt tiefe Einblicke in die Zustände im Zürcher Vergnügungsviertel und ihrer Protagonisten, der Artisten, zu denen Ball plötzlich zählte. Während in »Flametti« die Ereignisse aus einem realistischen, durchaus unterhaltsamen Blickwinkel dargestellt werden, greift »Tenderenda der Phantast« auf die gleichen biografischen Vorlagen zurück, verwandelt sie aber in höchst konzentrierte, dadaistisch-surrealistische Bilder. Die ausführlich kommentierte Neuedition beider Bücher wird ergänzt um Balls 1917 veröffentlichte Übersetzungen aus dem bedeutenden französischen Antikriegsroman »Le Feu« von Henri Barbusse.
Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
Interessiert liest Rezensent Magnus Klaue die Zusammenstellung des Prosawerks Hugo Balls, der im Zürich der 1910er Jahre zu einem Dadaistenzirkel zählte. Besser gealtert als Balls Lyrik ist seine Prosa, so Klaue, der als zentrale Werke den Roman "Flametti oder Vom Dandyismus der Armen" sowie due essayistische Erzählung "Tenderenda der Phantast" hervorhebt. Experimentelle Textmontagen im Stil Alfred Döblins sollte man freilich nicht erwarten, warnt der Rezensent, der sich eher an die mit Techniken der Selbstfiktionalisierung arbeitenden Werke Else Lasker-Schülers erinnert fühlt. Insbesondere "Flametti" ist bei aller Lust am karnevalesken Spiel sozialrealistisch grundiert, führt Klaue aus, während "Tenderenda" sich stärker ins Bruchstückhafte, Montierte vorwagt. Die Sehnsucht nach der Geborgenheit der harmonischen klassischen Form bleibt in Balls Formexperimenten freilich durchweg spürbar, resümiert der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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